Die Ben-Gurion-Universität des Negev (hebräisch אוּנִיבֶרְסִיטַת בֶּן-גּוּרִיּוֹן בַּנֶּגֶב Ūnīversīṭat Ben-Gūrijjōn ba-Negev, deutsch ‚Ben-Gurion-Universität im Negev‘, arabisch جامعة بن غوريون, englischBen-Gurion University of the Negev; kurz: BGU) ist eine akademische Institution im südlichen Israel, deren Hauptstandort in Be’er Scheva ist.
Die Gründung basierte auf der Vision des ersten Ministerpräsidenten Israels David Ben-Gurion, die größte Landreserve Israels, die Negevwüste, zu besiedeln und zu begrünen. Eng verbunden mit dieser Vision stand die Ermöglichung höherer Bildung im Negev mittels einer Universität, die zugleich auch Angelpunkt für die wirtschaftliche Entwicklung der Wüste sein sollte, in der große natürliche Ressourcen vermutet wurden.
Die ersten Schritte zur Gründung einer Universität wurden 1962 gemacht, als der damalige Bürgermeister Beerschebas, David Tuwijahu, und der Professor Ernst David Bergmann die Gründung einer höheren Bildungsstätte vorschlugen. In diesem Jahr begannen akademische Vorlesungen, durchgeführt von Dozenten des Weizmann-Institut für Wissenschaften und des Technions. Ab 1963 wurde die Institution Negev-Institut für höhere Bildung genannt.
1969 wurde durch einen Regierungsbeschluss das Institut zur Universität erklärt und Negev-Universität genannt. Nach dem Tod von Ben-Gurion (1973) erhielt die Universität seinen Namen.
Den größten bis heute andauernden Entwicklungsschub erfährt die Universität seit Beginn der 1990er Jahre. Zu Beginn der 1990er Jahre waren etwa 6000 Studenten eingeschrieben, 2005 betrug die Studentenzahl bereits 17.500, im Jahr 2020 lag sie bei 20.000[3].
Im Mai 2021 flohen Dutzende palästinensische Studenten (israelische Araber) der Universität, nachdem sie von rechtsextremen Aktivisten auf dem Campus bedroht und mit Steinen beworfen wurden, so dass sie sich in ihren Wohnheimen verstecken mussten. Die Rechtsextremen skandierten in Sprechchören „Tod den Arabern“ patrouillierten nach Aussagen der Geflohenen auf dem Campus gemeinsam mit der Polizei. Rechtsextreme Gruppen riefen zu Angriffen gegen arabische Einwohner der Stadt auf. Die Polizei verhaftete mehrere Palästinenser bei ihren Wohnheimen. Einige Angehörige des Lehrkörpers solidarisierten sich mit den inhaftierten Studenten. Aufgrund der Angriffe auf palästinensische Studenten wurden diese zum Teil von der Anwesenheitspflicht in Laborveranstaltungen befreit.[4]
Im Jahr 2020 erklärte die Universität, dass Studenten Kreditpunkte u. a. für freiwillige Mitarbeit bei der rechtsextremen Organisation »Im Tirtzu« erhalten können, obwohl die entsprechenden Kriterien besagen, dass die Aktivitäten von solchen Organisationen nicht politisch sein dürfen.[7] 2010 und 2011 hatte Im Tirtzu in offenen Briefen an die Rektorin der Universität gefordert, Professoren aufgrund ihrer politischen Standpunkte zu maßregeln oder zurückzutreten; andernfalls würde Im Tirtzu Sponsoren der Universität auffordern, ihre Unterstützung einzustellen.[8]
Die Ben-Gurion-Universität des Negev ist über sechs Standorte verteilt:
In Be’er Scheva:
Hauptcampus, benannt nach der Familie Markus (the Markus Family Campus)
Die medizinische Fakultät im Soroka Hospital (unmittelbar am Hauptcampus gelegen)
Bergmann-Campus für angewandte Wissenschaften
Tuviahu-Campus im Stadtzentrum. Dies ist der alte Campus und beherbergt ein Lehrerseminar.
Außerhalb:
Blaustein-Institut für Wüstenforschung, das auch das nationale Solarforschungszentrum und das Ben-Gurion Forschungsinstitut beherbergt und Standort des Grabes von David Ben-Gurion ist; in der Ben-Gurion-Akademie (Midreschet Ben-Gurion), zwei Kilometer südlich vom KibbutzSede Boker.
Campus Eilat: eine 2003 gegründete Zweigstelle der Universität, die akademische Studien in Eilat am Roten Meer ermöglicht.
Am 9. November 2020 wurde ein Forschungsinstitut für Landwirtschaft im indischen Chennai eröffnet. Forschungsschwerpunkt ist es geeignete Lösungen für die Bedürfnisse der indischen Wasser- und Lebensmittelversorgung zu finden.[9]
Internationale Studienprogramme
Neben den regulären Studienprogrammen werden mehrere spezielle Studienprogramme angeboten, die sich an ein internationales Studentenpublikum richten:
ein englischsprachiges Masterprogramm in Nahoststudien (Master of Arts in Middle East Studies; MAPMES)
ein englischsprachiger Medizinstudiengang in Kooperation mit der Columbia University mit Spezialisation in internationalen Gesundheitsfragen
Spezialstudiengänge im internationalen Zentrum für Wüstenstudien
Das „Ginsburg Ingerman Overseas Student Program“ (OSP) bietet ein- oder zweisemestrige Studiengänge an, die sich auf das Hebräischstudium und israel-/judentum-/nahostbezogene akademische Vorlesungen und Exkursionen spezialisieren. Außerdem wird eine internationale Sommeruniversität vom Zentrum durchgeführt (englischsprachig).
Das Zentrum für Internationale Studentenprogramme (ZIS, der Name ist auf Deutsch) ist eine Untereinheit des Ginsburg Ingerman Overseas Student Program (OSP) und organisiert seit 1998 eine deutschsprachige Sommeruniversität. Dieses sechs Wochen dauernde Programm beinhaltet einen intensiven Hebräischkurs in allen Stufen (hebr. Ulpan), akademische Vorlesungen auf Deutsch und deutschsprachig geführte akademische Exkursionen. Die deutschsprachige Sommeruniversität ist das einzige akademische Programm in Israel, das speziell für das deutschsprachige Publikum zugeschnitten ist.
Der Hauptcampus ist der einzige in Israel mit einem unmittelbaren Bahnanschluss. 2005 wurde ein neuer Bahnhof auf der Bahnstrecke nach Tel Aviv durch Israel Railways gebaut, der mit der Universität über eine architektonisch bedeutsame Brücke verbunden ist.
Die Gebäude der Universität sind von renommierten Architekten entworfen worden und sind speziell den klimatischen Gegebenheiten der Wüste angepasst.
2022 hielt die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen eine Rede an der Universität.[10]