Die geheimnisvollen StädteDie geheimnisvollen Städte (im französischen Original Les Cités obscures) ist der Name einer mehrfach preisgekrönten Comic-Reihe des Zeichners François Schuiten und des Comicszenaristen Benoît Peeters. Inhalt und StilÄhnlich wie in der französischen Comicreihe von Marc-Antoine Mathieu um den Ministerialbeamten Julius Corentin Acquefacques setzen sich die Alben der Geheimnisvollen Städte inhaltlich zumeist mit dem Einbruch einer surrealen Erscheinung in das Alltagsleben eines Protagonisten auseinander. So stellt in Der Schattenmann (L'Ombre d'un Homme, 1999) ein Mann fest, dass sein Schatten farbig geworden ist, während in Das Fieber des Stadtplaners (Fièvre d'Urbicande, 1985) ein plötzlich auf dem Schreibtisch eines Architekten aufgetauchter grauer Würfel sich immer weiter und unaufhaltsam ausdehnt. Eine Gemeinsamkeit der sonst meist nur lose verbundenen Alben ist die Kulisse für die Handlung, nämlich ein fiktiver Planet, dessen Oberfläche von weitgehend autarken Stadtstaaten besiedelt ist, die jeweils ganz eigene Zivilisationen ausgebildet haben, denen ein eigenständiger Architekturstil entspricht. Die Stadtplaner, alias Urbitekten, die oft auch die Funktion eines historischen Stadtgründers zu übernehmen scheinen, nehmen ihre Aufgabe, einen organisch ineinandergreifenden, in sich stimmigen und zugleich originellen Lebensraum zu schaffen, in der soziale und kulturelle Wirklichkeit genauso wie die politischen Gegebenheiten mit der jeweiligen Architektur korrespondieren, sehr ernst; zugleich ist nicht klar, ob die Stadtplaner sich von diesen vorhandenen Gegebenheiten haben inspirieren lassen, oder ob sie auch die gesamte soziale Struktur, Lebensweise und Politik ihrer Stadt selbst am Reißbrett konstruiert haben. Ein weiteres Thema der Reihe sind akzentuierte, aufgeblähte Bürokratien und Hierarchien, die auf kafkaeske Weise eher die Menschen zu beherrschen scheinen als umgekehrt, ähnlich wie auch die Architektur die Menschen eher zu unterjochen scheint, anstatt zu einem entspannten Wohnen, Leben und Arbeiten einzuladen. Die Zeichnungen von Die geheimnisvollen Städte sind typisch für Schuitens Stil: In seiner klaren und deutlichen Strichführung zeigt sich seine Zugehörigkeit zur ligne claire. Der starke Einfluss der Architektur auf sein Werk spiegelt sich in den Baustilen der Städte, die von Art déco, Jugendstil und dem gigantomanischen Stil des Rokokoarchitekten und -malers Giovanni Battista Piranesi geprägt sind. Charakteristisch für fast alle Städte sind Kleidung und Technik des 19. bzw. beginnenden 20. Jahrhunderts (Zeppeline, eiserne Eisenbahnbrücken). Typisch für das literarische Genre des Steampunks werden diese Stilmittel viktorianischer und wilhelminischer Kleidung, Sprache, Technik und Technikoptimismus mit futuristischen Techniken und utopischen bzw. dystopischen Alternativwelten bzw. -historien verknüpft; Dampfkraft und mechanische Uhrwerke finden oft in einer Technik Verwendung, wie sie erst später mittels der Elektrizität Wirklichkeit wurde, wogegen die Nutzung von Elektrizität selbst bis auf vereinzelte Verwendung etwa von Telegraphen noch recht selten ist, und dem elektrischen Strom als utopischer Zukunftsenergie werden ähnliche mystische Heilungskräfte wie in der Mitte des 20. Jahrhunderts der Atomenergie zugesprochen. Die geheimnisvollen Städte als ParallelweltDie Welt der Geheimnisvollen Städte ist als Gegenentwurf zur Erde angelegt. Durch Reiseführer wie Le Guide des cités (1996) und einer Geschichte der Stadtzeitung namens L'Écho des Cités (1993), beigelegte Tonträger (wie 1990 bei Le Musée A. Desombres) und DVDs (2002 bei L'affaire Desombres) geben Schuiten und Peeters ihren Schöpfungen einen Anschein von Realität. Dass ihre Welt dennoch für uns unsichtbar ist, erklären sie damit, dass sie von der Erde aus gesehen auf der anderen Seite der Sonne liegt (Gegenerde). In den Comics gibt es dennoch Möglichkeiten, zwischen den beiden Welten hin- und herzureisen, nämlich sogenannte Portale (ein immer wieder auftauchender Reisender ist zum Beispiel Jules Verne), die sich zumeist in ähnlichen oder identischen Gebäuden auf beiden Planeten befinden. Im Internet, auf Seiten wie Tram 81 und Office of the Obscure Passages, verwischen Schuiten und Peeters Fiktion und Realität, indem sie viele vorgebliche, oft mit Photos und Zeichnungen illustrierte Erfahrungsberichte von Leuten präsentieren, die versehentlich durch eines der Portale kurzzeitig in die Welt der Geheimnisvollen Städte geraten sind, oder seit Jahren auf der Suche nach Portalen sind. Die Portalsucher zur Welt der Cités obscures, im Französischen bzw. Englischen sog. Obscurantist(e)s (vgl. Dunkelmännerbriefe, lat. Epistolae obscurorum virorum, woraus sich der Begriff Obskurant als rückwärtsgewandter Feind der Aufklärung entwickelte), konzentrieren sich dabei auf Bauwerke, die dem Baustil bestimmter Stadtstaaten der Geheimnisvollen Städte entsprechen, was die Möglichkeit erhöht, dass sich dort ein Portal befinden könnte, das unsere Welt mit dem jeweiligen Stadtstaat verbindet. RezeptionDie Bände der Comic-Reihe wurden von der Literaturkritik zumeist einzeln rezensiert; eine Betrachtung des Gesamtwerkes findet sich in Comiczeitschriften[1] und dem Band Schuiten & Peeters: Autour des Cités Obscures. In den Einzelbesprechungen werden Schuitens Zeichnungen als „bedrückend schön“ bezeichnet[2] und Parallelen zu den Erzählungen Franz Kafkas und den Romanen Umberto Ecos gezogen.[3] Ein Rezensent warf die Frage auf, ob sich die Werke „zum Anlass von Diskussionen über aktuelle Probleme von Architektur und Stadtentwicklung nehmen ließen, oder ob sie nicht vielmehr Fluchträume in ein doch wieder postmodern beliebiges Zitatenspiel öffnen.“[4] Auszeichnungen
AusgabenSeit 1983 sind bisher 18 Comics und Bücher in der Reihe der Geheimnisvollen Städte erschienen, die in Frankreich, Belgien und den Niederlanden bei Casterman, in Deutschland vom Egmont Ehapa Verlag (in der 1991 aufgekauften Feest-Reihe des ehemaligen Reiner Feest Verlags, in der Egmont-Manga-&-Anime-Reihe, sowie unter den einfachen Kürzeln Ehapa, Egmont und Egmont Ehapa) und seit neuerem von Schreiber & Leser veröffentlicht wurden. Die einzelnen Auflagen eines Bandes können sich dabei, zum Teil erheblich, unterscheiden, da die Autoren des Öfteren Geschichten für Neuauflagen grafisch und zum Teil sogar handlungsverändernd (z. B. durch geänderte Schlusssequenzen) überarbeiten.[5]
Darüber hinaus gibt es eine eher lose Verbindung mit dem Film Taxandria des belgischen Regisseurs Raoul Servais (u. a. mit Armin Mueller-Stahl) von 1994, bei dem Peeters als Bühnenbildner mitwirkte. Der Stadtstaat Taxandria, der sich aufgrund eines missglückten physikalischen Experiments vor langer Zeit nicht mehr auf dem Planeten der Geheimnisvollen Städte befindet, findet in den Geschichten von Schuiten und Peeters hin und wieder Erwähnung, wenn Figuren sich auf das verschwundene Taxandria beziehen.
Einzelnachweise
Quellen
Literatur
WeblinksOffizielle Webseiten von Schuiten & Peeters
Sekundärquellen
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