Don Siegel machte seinen Schulabschluss in England. Nach einem Kunststudium in Paris ging er in den 1930er Jahren nach Hollywood. Ab 1934 arbeitete er für das FilmstudioWarner Brothers, wo er sein Handwerk in der Schnittabteilung und als Second Unit-Regisseur[1] erlernte. 1945 führte er erstmals Regie bei zwei Kurzfilmen.[2] Beide wurden mit einem Oscar ausgezeichnet, aber, wie Siegel in einem Interview 1970 ausführte, ohne dass jemand Notiz davon nahm, da ein Oscar für einen Kurzfilm damals nur für das Studio zählte.[3] Ende der 1940er Jahre, nach dem Film Night Unto Night, verließ Siegel Warner Brothers.[2]
„Siegel war ein kleines, doch wichtiges Rädchen im Uhrwerk des Studios. Er arbeitete allein und weitgehend selbstständig, kein Regisseur redete ihm viel in seine Arbeit hinein. Er arbeitete am Fließband und blieb dennoch ein Individualist. Obwohl er dem Studio viel Geld einsparen half, mochte ihn Jack Warner nicht allzu sehr – wie alle Freigeister.“
– Michael Hanisch: Der letzte Professional – Trotz Fließbandarbeit bei Warner Bros. immer ein Solitär: Don Siegel in „film-dienst“[4]
In der Folge drehte Siegel als unabhängiger Regisseur vornehmlich Western und actionbetonteThriller. Für seine Regiearbeit in Terror in Block 11 (1954) wurde er für den Directors Guild of America Award nominiert. Sein Ausflug ins Science-Fiction-Genre mit Die Dämonischen (1956) blieb eine Ausnahme, doch bezeichnete er diesen rückblickend als seinen „wahrscheinlich besten Film“.[5] Siegel war den Studios für schnelles und effizientes Arbeiten bekannt, mit bis zu 55 wechselnden Kamerapositionen[6] am Tag.[2]
Beginnend mit dem ursprünglich fürs Fernsehen produzierten Der Tod eines Killers (1964) drehte Siegel die Filme, die heute zu seinen bekanntesten zählen, darunter Nur noch 72 Stunden (1968) und den kontrovers diskutierten Dirty Harry (1971). Siegel arbeitete häufig mit Clint Eastwood und war ein Mentor Eastwoods, als dieser begann, selbst Regie zu führen.[7] Der Jazzmusiker Lalo Schifrin steuerte zu einigen Filmen Siegels der späten 1960er und 1970er Jahre die Musik bei.
Im Laufe seiner Karriere verhalf Siegel unter anderem den zukünftigen Regisseuren Sam Peckinpah und Michael Reeves zu ihren ersten Tätigkeiten im Filmgeschäft.[8][9] Eastwood widmete Siegel, wie auch seinem anderen Mentor, Sergio Leone, postum seinen Film Erbarmungslos aus dem Jahre 1992.
Siegel war dreimal verheiratet, mit Viveca Lindfors, Doe Avedon und Carol Rydall. Aus der von 1949 bis 1954 bestehenden Ehe mit Lindfors ging der 1952 geborene Sohn Kristoffer Tabori hervor, der später Schauspieler und Regisseur wurde. Während der Ehe mit Avedon, die von 1957 bis 1975 bestand, adoptierte das Paar vier Kinder.[10] Die Ehe mit Carol Rydall, einer vormaligen Assistentin Clint Eastwoods, hielt von 1981 bis zu Siegels Tod 1991.
Rezeption
Den kontrovers diskutierten Dirty Harry, einen Selbstjustiz verübenden Polizisten, hielt Siegels Biograph Stuart Kaminsky für „unmoralisch“,[2] Kritikerin Pauline Kael sprach gar von „faschistischem Mittelaltertum“.[11] Siegels Telefon beurteilte Filmkritiker Peter Knight als „geradlinigen Kalter-Kriegs-Film“.[12] Deborah Allison (sensesofcinema.com) verwies darauf, dass der Regisseur selbst selten moralisch oder politisch Position bezog.[2] John Baxter schrieb zum Verhältnis Held–Verbrecher–Zuschauer in Siegels Filmen:
„Siegel bebildert in seinem Werk den impliziten Vertrag zwischen den Verbrechern und der Gesellschaft. Wir benötigen Verbrecher, um unsere eigenen Gewaltfantasien zu verwirklichen. Er findet den Beweis dieser Symbiose in unserem Rechtssystem, einem untauglichen Werkzeug, das wir selbst sabotieren. Seine Filme verspotten diese Strukturen. Die Polizeigewalt in Nur noch 72 Stunden (1968) ist korrupt. Terror in Block 11 und Flucht von Alcatraz (1979) greifen den Strafvollzug an. Sowohl Coogans großer Bluff als auch Dirty Harry parodieren die Soziologie, die Rechtsprechung und das Konzept der Rehabilitation.“
Ebenfalls Gegenstand gegensätzlicher Deutungen wurde Siegels Die Dämonischen, in dem Außerirdische die Körper der Bewohner eines kleinen kalifornischen Dorfes übernehmen und eine gefühllose, rein utilitaristische Gesellschaftsform aufbauen wollen. „Man spürt förmlich die antikommunistischeParanoia der Nachkriegszeit, gleichzeitig ist man versucht, den Film als Metapher für die Tyrannei der McCarthy-Ära zu deuten“ (David Wood, BBC)[14] Siegel wollte den Film weder links noch rechts ansiedeln und betonte, dass seine Filme keine politische Botschaft besäßen: „Ich finde, Spielfilme sollten primär unterhalten, und ich will nicht predigen.“[15]
Eines der wenigen offenen politischen Bekenntnisse Siegels stammt aus einem 1972 geführten Interview mit der New York Times. „Wenn Sie einen Film machen, der auf der sicheren Seite steht, haben Sie ein Problem“, erläuterte Siegel und bestand darauf, dass Clint Eastwood, Hauptdarsteller u. a. in Dirty Harry, der Konservative sei, er selbst dagegen eine politisch konträre Haltung vertrete: „Ich bin ein Liberaler. Ich sympathisiere mit der Linken.“ Gleichzeitig schränkte er ein, „ich mache keine politischen Filme“.[16][17]
Frank Arnold, Michael Esser (Hrsg.): Dirty Harry: Don Siegel und seine Filme. Vertigo, München 2003, ISBN 3-934028-05-5.
Norbert Grob: Don Siegel 1912–1991. In: Thomas Koebner (Hrsg.): Filmregisseure. Biographien, Werkbeschreibungen, Filmographien. 3., aktualisierte und erweiterte Auflage. Reclam, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-15-010662-4, S. 687–689.
Dokumentarfilm
The Last of the Independents. Fernsehdokumentation über Don Siegel von Thys Ockersen, Niederlande 1980
↑Pauline Kael: The Current Cinema: Saint Cop. Artikel in The New Yorker vom 15. Januar 1972. Zitiert nach: Jim Dobies Magnum Fascist: Dirty Harry. Artikel auf Examiner.com vom 25. Januar 2010, abgerufen am 23. März 2013.
↑Peter Knight (Hrsg.): Conspiracy Theories in American History: An Encyclopedia. ABC-CLIO, Santa barbara 2003, S. 256–257.
↑Allison zitiert: John Baxter: Dirty Harry, in Tom Pendergast, Sara Perdergast (Hrsg.): International Dictionary of Films and Filmmakers: Films. St. James’s Press, Detroit 2000.
↑„The sense of post-war, anti-communist paranoia is acute, as is the temptation to view the film as a metaphor for the tyranny of the McCarthy era.“ - Besprechung von David Wood, BBC, 2001.
↑„[…] I feel that motion pictures are primarily to entertain and I did not want to preach.“ – Interview mit Don Siegel in Alan Lovell: Don Siegel. American Cinema. London 1975.