Erbrechtsschutz (römisches Recht)Der Schutz des Erbrechts war Teil des römischrechtlichen Zivilprozesses. Er hatte seinen Ursprung im aktionenrechtlichen Verfahren (etwa actiones sacramento in rem oder familiae eriscundae). Daran schloss sich der Erbschaftsprozess im Formularverfahren (hereditatis petitio), der sich im kaiserrechtlichen Kognitionsverfahren weiterentwickelte. Die Erbschaftsklage war stets ein streitiges Verfahren. Der Streit zweier Prätendenten um die Erbschaft war zunächst bloße Prozesswette, entwickelte sich dann aber zu einer sachlich strukturierten Schadensersatzklage. Der Wandel vollzog sich nicht abrupt, er knüpfte an das jeweils vorangegangene Recht an. Der Formularprozess nahm vielfältigen Bezug auf die Legisaktionen, und das kaiserrechtliche Kognitionsverfahren erwuchs viel eher aus dem Formularprozess, als dass es eine eigenständige Parallelerscheinung gewesen wäre. Dabei griffen die Kaiser nicht selbst oder unmittelbar in die Gerichtsordnung ein, sie bemühten sich vielmehr um juristischen Rat. ÜberblickDer Erbe sollte als Inhaber der Erbschaft vor unrechtmäßigen Eingriffen oder der Entziehung der Erbschaft durch Dritte geschützt werden, weshalb er im Wege der Erbschaftsklage (hereditatis petitio) Herausgabe verlangen durfte. Zu diesem beschriebenen Verfahrensschritt – entnommen der Rechtslage im Prinzipat – musste die Zivilrechtsordnung aber erst kommen. Der prozessuale Schutz des Erben wurde im frühen altzivilen Recht noch durch Legisaktionen (legis actiones) gewährt. Legisaktionen gab es in sehr beschränkter Zahl und mit klar definiertem Wortlaut, von dem nicht abgewichen werden durfte. Gesetzliche Grundlage waren die XII Tafeln. Dahinter stand das ius civile. Es war über die gesamte Zeit der Republik nur römischen Bürgern zugänglich. Mit den Augusteischen Prozessrechtsreformen (leges Iuliae iudiciorum publicorum et privatorum) wurden die Legisaktionen im Jahr 17 v. Chr. weitestgehend abgeschafft und durch das flexiblere Formularverfahren ersetzt. Die später entstandenen gaianischen Institutionen (etwa Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr.), behandelten die Legisaktionen gleichwohl noch, denn inhaltlich blieben sie prozessuales Leitbild für die späteren Prozessmethoden. Mit dem Formularprozess wurde eine neue Rechtsebene geschaffen. Neben dem ius civile etablierte sich das ius honorarium, bezeichnet auch als ius praetorium, weil der Prätor nunmehr Klagformeln vorgeben durfte, die er in Edikten niederlegte und verkündete. So schuf er auch das Formular für die Erbschaftsklage, die hereditatis petitio. Der Prätor gab sich damit prozessuales Ermessen an die Hand. Aber auch das Formularverfahren bekam schnell Konkurrenz. Die Kaiser entwickelten eine eigene Gesetzgebungskompetenz, die ihre Hochphase in der Spätantike erreichte. In diesem Zusammenhang spricht man von den Kognitionsverfahren. Sie lagen anfänglich in kaiserrechtlicher Spezialzuständigkeit und wurden neben den Formularprozess gestellt. Sie mussten angewandt werden dort, wo das Formularverfahren aufgrund von kaiserrechtlichen Rechtsschöpfungen keine Antworten wusste. Letztlich wurde der Formularprozess im Erbrecht aber verdrängt, denn Augustus erkannte nicht nur die Wirksamkeit formloser Nachträge (Kodizille) zum Testament an, er ließ auch die Durchsetzung formloser Vermächtnisse (Fideikommisse) zu. Es wird davon ausgegangen, dass die Verfahren einander in der Geschichte grundsätzlich ablösten, abgesehen von (kurzen) Zeiten, in denen sie in unterschiedlichen Funktionsbereichen nebeneinander existieren. Länger als von Gaius beschrieben wird der Übergang vom neueren Legisaktionen- zum Formularverfahren vonstattengegangen sein und in der rückblickenden Erwartung tiefgreifender Umbrüche beim Wechsel vom Formular- zum Kognitionsverfahren wird nüchtern festzuhalten sein, dass die Gesellschaft mit einem nur theoretischen Unterschied konfrontiert war, als sich die im Formular instruierte Ermächtigung eines Privatrichters zu einem – kraft Delegation – belehrenden Beamtenrichter gewandelt hatte. LegisaktionenverfahrenDie Entwicklung der Erbschaftsklage nahm – wie beschrieben – mit den Legisaktionenverfahren ihren Ausgang. Die Eigentumsklage der legis actio sacramento in rem war dinglich-rechtlich geprägt und war eine stark ritualisierte, formale Prozesswette (sacramentum = Geld- /Strafsumme, Verpflichtung mittels Eid)[1] und wurde methodisch auf Erbschaftsklagen übertragen. Die streitige Erbschaftssache wurde zum Prozesssymbol, weil sie zum hier bereits Verfahrensbeteiligten, dem Prätor, zu schaffen war. Die Prozessparteien wurden aufgefordert, ihre Behauptungen aufzustellen (Prätendentenstreit), die Streitsache im Ritus zu berühren, dieselbe aufzugeben, den Wetteinsatz zu setzen und Beweis zu führen, der zum Obsiegen oder Unterliegen führt. In einem späteren Stadium erlangte das Sponsionsverfahren als modifiziertes Wettverfahren an Bedeutung. FormularverfahrenIm Formularverfahren konnte die hereditatis petitio als Erbschaftsklage erhoben werden. Mit der hinterlegten Klageformel wurde die Eigentumsbehauptung selbst zum Verfahrensgegenstand (Herausgabeformel). Es ergab sich eine weitere Neuerung. Das Formularverfahren war nun zweigeteilt. Der Prätor ließ in einer Aufeinanderfolge zweier Verfahrensabschnitte zunächst den ermächtigten iudex (Richter) prozesseinleitend (in iure) die Erbenstellung prüfen, wobei dieser Ermessen darüber hatte, ob er Herausgabe oder Behaltendürfen nahelegt. Widrigenfalls – bei Verweigerung durch die übergabepflichtige Partei oder bei Unschlüssigkeit des Prätors – gab dieser an den Entscheidungsrichter ab und es begann im zweiten Schritt das Verfahren apud iudicem. An dessen Urteil konnte sich gegebenenfalls ein erneut in iure begonnenes Vollstreckungsverfahren anschließen. Beim Formularprozess wandelte sich die Prozesswette der Erbschaftsklage somit zu einer Herausgabeklage. Im Gegensatz zum Legisaktionenverfahren führt die Herausgabeforderung zur Aktivlegitimation des Klägers, wohingegen der Beklagte mit Bestreiten oder Verweis auf die tatsächlich ausgeübte Sachherrschaft (Besitzvermutung) passivlegitimiert ist.[2] Aktiv- und Passivlegitimation waren somit von der Behauptung des Erbrechts abhängig. In den Fällen einer prätorischen Besitzeinweisung in den Nachlass, der bonorum possessio, bei der der Erbschaftsbesitzer gerade nicht Erbe geworden ist, wurde die faktische Besitzstellung zunächst durch Interdikt des Magistraten geschützt. Damit hatte der bonorum possessor einen Behaltensgrund gegenüber dem Erben oder einem Dritten. Gleichzeitig war er (etwas widersprüchlich durch das Aufeinandertreffen von Zivil- und Honorarrecht) passivlegitimiert in einem Eigentumsprozess des Erben. Dieser Prozess klärte dann die vorrangige Erbberechtigung. In der Kaiserzeit erteilten die kaiserzeitlichen Juristen auch dem bonorum possessor die hereditatis petitio.[3] Die Formel der hereditatis petitio konnte lauteten:
– Alonso/Babusiaux: Römisches Privatrecht, S. 29. KognitionsverfahrenDie kaiserliche Gesetzgebung und Rechtsprechung entwickelte sich weiter. Dazu trugen die klassischen Juristen bei, die Vorgaben des Prinzeps juristisch formulierten. Unter Hadrian wurde auf Initiative des Juristen Iuventius Celsius 129 n. Chr. ein bedeutsamer Senatsbeschluss gefasst. Celsius stand dabei für die heutige Namensgebung Pate: senatusconsultum Iuventianum.[4] Der gesetzesgleiche Beschluss sah vor, dass der unrechtmäßige bösgläubige Erbschaftsbesitzer etwaig erzielte Verkaufserlöse aus der Erbschaft herauszugeben hatte. Ihn traf damit eine Ersatzforderung, die sogenannte Surrogation. Die Haftung konnte sich sogar noch ausdehnen, denn er haftete auch für den Untergang der an einen Dritten mit dem Verkauf weitergereichten Sache und damit für den zufälligen Untergang. Auf der anderen Seite bestimmte das Konsult, dass er den erzielten Erlös nicht zu verzinsen hatte. Der unrechtmäßige bösgläubige Erbschaftsbesitzer sah sich somit der Gefahr erheblicher Schadenersatzansprüche ausgesetzt. Der unrechtmäßige gutgläubige Erbschaftsbesitzer hingegen war privilegiert. Er hatte nur das herausgeben, um was er nach Verkauf noch bereichert war (Abschmelzung durch Verbrauch). Die Regelung, die auf kaiserrechtliche Vorgaben zurückging, entstammte ursprünglich dem fiskalrechtlichen Prozesswesen. Sie wurde analog übertragen auf den Privatprozess. Die analoge Betrachtung ging zwar auf die Juristen der Zeit zurück, wurde aber durch den Kaiser anerkannt. Darin zeigt sich, dass das Kaiserrecht Vorrang sowohl vor dem ius civile als auch vor dem ius praetorium beanspruchte. Zwar lag im so praktizierten Kaiserrecht vornehmlich die Ausdruckskraft der Fortbildung von traditionellen Rechtsschichten, gleichzeitig aber wurde ihm höchste Autorität (lex) zuteil. Die verbindliche Rechtsstrenge hatte Vorbildfunktion und diente der Rechtssicherheit. Deshalb wurde es für das Kognitionsverfahren (cognitio extra ordinem) auch anerkannt. Weitere KlageartenNeben der Erbschaftsklage, der hereditatis petitio gab es weitere Rechtsschutzmöglichkeiten im Erbschaftsprozesswesen. In den Fällen der Übergehung naher Angehöriger stand ab Ende der Republik die Anfechtungsklage der querela inofficiosi testamenti zur Verfügung (Klage wegen „Pflichtwidrigkeit des Testaments“). Die Quellenlage dazu ist spärlich.[5] Das Verfahren wurde außerhalb des Formularprozesses vor dem Zentumviralgericht geführt und war eine Anfechtungsklage gegen das Testament[6] aus Gründen widerfahrener Lieblosigkeit (inofficiosum).[7] Die Vermächtnisklage beim obligatorischen Damnationslegat wurde mit der actio ex testamento geführt. Literatur
Anmerkungen
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