Die etruskische Sprache – auch Etruskisch genannt – ist eine vor allem epigraphisch überlieferte, ausgestorbene Sprache.[1] Sie wurde vom 9. Jahrhundert v. Chr. bis zum 1. Jahrhundert n. Chr. in der damaligen Provinz Etrurien von den Etruskern gesprochen.
Etruskische Texte stammen aus Etrurien, Kampanien, dem Latium, Falerii (Gebiet der Falisker), Veji, Cerveteri (Caere), Tarquinia und deren Umgebung, aber auch aus Gebieten außerhalb Italiens, mit denen die Etrusker diplomatische und Handelskontakte pflegten, wie z. B. die spätere Gallia Narbonensis, aber auch Korsika, Sardinien und das karthagische Nordafrika. Die Texte können bis heute nur in Bruchstücken übersetzt werden.
Außer den Inschriften, die man auf vielen Geräten und Objekten findet, wie Töpfereien und Spiegeln, auf Grabwänden und auf Särgen sowie auf Gewandfibeln (recht kurz, oft nur aus dem Namen des Verstorbenen bestehend), sind die wichtigsten erhaltenen Texte in etruskischer Sprache folgende:
Der bisher längste Text, den man gefunden hat. Es ist ein regelrechtes „Buch“, auf Leinen geschrieben, das man in acht Streifen zerrissen als Binden für eine ägyptischeMumie benutzt hat; drei der Streifen sind jedoch verloren gegangen. Die Mumie befindet sich im Nationalmuseum in Zagreb. Der Text, der aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. stammt, ist in roter und schwarzer Tintekalligraphiert und umfasst zwölf Spalten (Kolumnen), ca. 230 Zeilen und ca. 1200 lesbare Wörter, darunter ungefähr 500 verschiedene. Die Wiederholungen erklären sich durch den rituellen Charakter des Textes. Man bezeichnet ihn auch als „religiösen Kalender“, der für jeden Tag die zur Ehrung der Götter vorgesehenen Zeremonien mit Orts- und Zeitangaben vorschreibt.
Dieser Text besteht aus 62 Zeilen aus 10 Absätzen, von denen jeder durch eine waagrechte Linie abgegrenzt ist. Etwa 300 Wörter sind heute noch lesbar. Der Text beinhaltet einen religiösen Kalender.
Dieser Text besteht aus 46 Zeilen und ca. 150 Wörtern. Es handelt sich dabei um ein Abkommen zwischen zwei Familien, das die Grenzen zwischen ihren Grundstücken festlegt.
Drei Goldbleche mit Inschriften in etruskischer und phönizischer/altpunischer Sprache, die man im Heiligtum von Pyrgi gefunden hat. Die Texte beschreiben, wie Thefarie Velianas, der Herrscher von Caere, den Göttinnen Uni und AstarteVotivgaben dargebracht hat. Die Goldbleche sind von grundlegender Bedeutung für die Kenntnis der Geschichte und Sprache der Etrusker.
Vier Inschriften auf Bleitafeln
Der Bleistreifen von Santa Marinella scheint eine Voraussage eines Orakels zu beinhalten. Die Bleiplatte von Magliano ist eine in Spiralenform geschriebene Auflistung von Opfergaben an mehrere Götter. Die dritte fand man in Volterra, sie ist wahrscheinlich ein magisch-ritueller Text. Die vierte fand man in Campiglia Marittima, es handelt sich um eine Fluchtafel mit Verwünschungen gegen mehrere Personen.
Diese Bronzetafel wurde erst 1992 in der Nähe der Stadt Cortona am Trasimenischen See gefunden. Sie ist jetzt die drittlängste bekannte Inschrift nach den Mumienbinden von Zagreb und dem Ziegelstein von Capua. Der Text ist 40 Zeilen lang und stellt offenbar eine notarielle Urkunde dar.
Die Stele von Vicchio wurde im Jahre 2015 in der Ausgrabungsstätte Poggio Colla gefunden.
Linguistische Klassifikation
Die genetische Zugehörigkeit des Etruskischen zu einer Sprachfamilie ist weiterhin unklar, obwohl es Versuche einer Anbindung an indogermanische und nichtindogermanische Sprachen gegeben hat.[1] Es konnte eine Verwandtschaft des Etruskischen mit der vorgriechischen lemnischen Sprache nachgewiesen werden, die auf der ägäischen Insel Limnos bis zur Invasion der Athener im Jahre 510 v. Chr. gesprochen wurde. Für beide Sprachen wird eine Verbindung zur rätischen Sprache in der Alpenregion angenommen.[1] Daraus lässt sich eine tyrsenische Sprachfamilie folgern.
Durch die sprachliche Verbindung mit dem Lemnischen könnte die Hypothese gestützt werden, dass die Etrusker aus dem agäisch-kleinasiatischen Raum eingewandert sind; jedoch ist eine umgekehrte Wanderungsrichtung auch nicht von vornherein auszuschließen; in diesem Falle wäre das Etruskische eine autochthone Sprache Italiens. Allerdings gibt es im Verbreitungsgebiet des Etruskischen Hinweise auf ein sprachliches Substrat, das für die genannte Verbindung mit dem Rätischen verantwortlich sein könnte.
Steinbauer versucht, über westanatolische Gemeinsamkeiten eine sprachliche Verbindung des Etruskischen und Lemnischen zum Indogermanischen herzustellen.[2]Frederik Christiaan Woudhuizen hat sich insbesondere mit den Beziehungen zur anatolischen Sprache Luwisch beschäftigt.[3]
Zu den Versuchen, das Etruskische mit anderen Sprachen und Sprachfamilien in Verbindung zu bringen, liegen folgende Theorien vor:
Noch weniger Verbindungen lassen sich zur Makrofamilie des Nostratischen herstellen, mit der bestimmte Ähnlichkeiten zwischen verschiedenen Sprachfamilien (unter anderem der indogermanischen, der afroasiatischen und der uralischen Sprachfamilie) erklärt werden sollen.
Grammatik
Deklination
Nach Helmut Rix (→ Literatur) kann man im Etruskischen folgende Kasus unterscheiden (V steht im Folgenden für einen Vokal):
Etwa 200 etruskische Wörter sind mehr oder weniger gedeutet, die Bedeutung der restlichen etwa 300–400 Wörter ist noch unklar. Die Deutungen der einzelnen Forscher gehen z. T. immer noch weit auseinander und sollten kritisch betrachtet werden. Eine Auswahl von etruskischen Wörtern mit gesicherter Bedeutung:
Helmut Rix: Etruscan. In: Roger D. Woodard (Hrsg.): The Cambridge encyclopedia of the World’s ancient languages. Cambridge University Press, Cambridge 2004, S. 943–966. ISBN 0-521-56256-2
Rex E. Wallace: Zikh Rasna: a manual of the Etruscan language and inscriptions. Beech Stave Press, Ann Arbor 2008. ISBN 0-9747927-4-8
Fred C. Woudhuizen: Etruscan as a Colonial Luwian Language: The Comprehensive Version (= Publications of the Henry Frankfort Foundation. Band 19). Dutch Archaeological and Historical Society, Amsterdam 2019 (academia.edu).
Italienisch
Enrico Benelli: Iscrizioni etrusche – leggerle e capirle. SACI, Ancona 2007. ISBN 978-88-902694-0-0.
Piero Bernardini Marzolla: L’etrusco, una lingua ritrovata. Mondadori, Mailand 1984.
Romolo A. Staccioli: Il «mistero» della lingua etrusca. Newton & Compton, Rom 1977, 19782; Melita, Rom 1981. (Mit einem Glossar sicher gedeuteter etruskischer Wörter).
Koen Wylin: Il verbo Etrusco. Ricerca morfosintattica delle forme usate in funzione verbale. “L’Erma” di Bretschneider, Roma, 2000. ISBN 88-8265-084-7.
Französisch
Maurice Guignard: Comment j’ai déchiffré la langue étrusque. Impr. Avisseau, Burg Puttlingen 1962, Bonneval 1965.
Massimo Pallottino: La langue étrusque. Problèmes et perspectives. Société d’Edition Les Belles Lettres, Paris 1978.
Damien Erwan Perrotin: Paroles étrusques. Liens entre l’étrusque et l’indo-européen ancien. L’Harmattan, Paris 1999. ISBN 2-7384-7746-1
↑ abcHadumod Bußmann (Hrsg.) unter Mitarbeit von Hartmut Lauffer: Lexikon der Sprachwissenschaft. 4., durchgesehene und bibliographisch ergänzte Auflage. Kröner, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-520-45204-7, Lemma Etruskisch.
↑Dieter H. Steinbauer: Neues Handbuch des Etruskischen. Scripta Mercaturae, St. Katharinen 1999, S. 357 ff.
↑Fred C. Woudhuizen: Etruscan as a colonial Luwian language (= Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft. Sonderheft 128). Innsbruck 2008.