Fritz Voigt (Verkehrswissenschaftler)Fritz Otto Voigt (* 16. Januar 1910 in Cranzahl, Erzgebirge; † 1. Juli 1993 in Königswinter) war ein deutscher Verkehrswissenschaftler und Ökonom. Voigts Werk gilt als eine der interessantesten Arbeiten der neueren deutschen Verkehrswissenschaft.[1] Zu seinen wichtigsten Arbeiten zählt das zweibändige Werk Verkehr, das 1965 und 1973 in zwei Doppelbänden erschien. Ziel dieser Arbeit war die Betrachtung des Verkehrs im volkswirtschaftlichen Gesamtzusammenhang und die Untersuchung der Wirkung des Verkehrs auf wirtschaftliche Entwicklungsprozesse. Für Historiker und Geographen mit Arbeitsschwerpunkt Verkehr gelten seine Arbeiten als Standardwerke.[2] LebenNach Ablegen des Abiturs im Jahr 1929 am Staatsgymnasium in Annaberg begann er das Studium der Rechtswissenschaften sowie der Volkswirtschaftslehre in Heidelberg und Leipzig.[3] 1933 bestand er die erste juristische Staatsprüfung mit Auszeichnung, 1936 promovierte er mit Auszeichnung an der Philosophischen Fakultät der Universität Leipzig über Das Finanzsystem der deutschen gemeindlichen Selbstverwaltung zum Dr. rer. pol. 1938 folgte eine mit Summa cum laude bewertete Dissertation in den Rechtswissenschaften mit dem Thema Die Selbstverwaltung als Rechtsbegriff und juristische Erscheinung. 1940 wurde er mit einer Arbeit über Sparen und Versichern, eine volkswirtschaftliche Untersuchung habilitiert. Nachdem seine Tätigkeit als Dozent durch den Zweiten Weltkrieg und eine Kriegsgefangenschaft unterbrochen wurde, war Voigt ab 1947 als Privatdozent an der Universität Erlangen tätig. 1949 wurde er Professor an der Hochschule für Arbeit, Politik und Wirtschaft in Wilhelmshaven, 1952 übernahm er den Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre an der TU Braunschweig. 1954 wechselte er an die Hochschule für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Nürnberg, 1957 an die Universität Hamburg. Unter dem Eindruck des dort herrschenden Massenbetriebes nahm er 1964 einen Ruf an die Universität Bonn an, wo er Mitdirektor des Instituts für Gesellschafts- und Wirtschaftswissenschaften wurde. 1966 erhielt er die Ehrendoktorwürde der TU Braunschweig, 1976 die Ehrendoktorwürde der Hanyang-Universität in Seoul, Südkorea. Zwischen 1963 und 1967 gehörte Voigt dem Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit an; dort war er Vorsitzender des Fachausschusses „Wissenschaftshilfe und die Mobilisierung von know how“. 1968 wurde er in die Sachverständigenkommission zur Auswertung der bisherigen Erfahrungen bei der Mitbestimmung, der sog. Mitbestimmungskommission, berufen. 1974 wurde ihm für seine wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Leistungen vom Bundespräsidenten das Verdienstkreuz I. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Darüber hinaus hielt Voigt international Gastvorlesungen in mehreren Universitäten vor allem des südostasiatischen Raumes (u. a. Japan, Südkorea, Thailand und Indonesien) und in Südeuropa (Spanien). Diese Veranstaltungen sowie Voigts Interesse für die Probleme von Entwicklungsstaaten führten ebenso zu einer Reihe Veröffentlichungen sowie der Übersetzung einiger Werke Voigts in verschiedene Landessprachen. An der Universität Bonn war er intensiv an der Partnerschaft mit der Universität Kabul beteiligt. Voigt war seit 1957 verheiratet und hatte zwei Kinder. WerkVoigts Werk steht in der Tradition von Emil Sax, der dogmengeschichtlich eine ähnliche Position vertrat.[2] Oliver Schwedes sieht ihn zusammen mit Andreas Predöhl als wichtigsten von der historischen Schule geprägten Verkehrsökonomen in Deutschland.[4] Voigt betrachtete das Verkehrssystem nicht als isolierten Wirtschaftszweig, sondern stets im Zusammenhang mit den übrigen Bereichen der Wirtschaft. Die Entwicklung einer Volkswirtschaft ist nach Voigt nur zu erklären, wenn die Wirkungen des sich weiter entwickelnden Verkehrssystems und alle sich daraus ergebenden sozialen wie gesamtwirtschaftlichen Wirkungen und Folgen berücksichtigt werden. Das Verkehrssystem kann die Entwicklung eines Raumes dabei sowohl fördern als auch hemmen und ist ebenfalls in der Lage, autonome Impulse für den volkswirtschaftlichen Wachstumsprozess zu geben. Insgesamt unterscheidet Voigt von einem Verkehrssystem beeinflusste Regionen in Wachstumsräume, Räume sekundärer Einkommenseffekte, Entleerungsräume, Räume relativ verzögerter Entwicklung und Indifferenzräume. Aufgrund der großen Bedeutung des Verkehrssystems für die Entwicklung als auch den Niedergang eines Raumes sprach sich Voigt für eine Verkehrspolitik aus, die nicht nur nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichtet sein darf, sondern auch weitere wirtschaftliche wie soziale Aspekte miteinbeziehen muss.[5] Marktpreise seien im Verkehr oft verzerrt, zudem erschweren externe Kosten einen operationalen Kostenbegriff.[6] Deshalb sei die Kostendeckung als alleiniger Maßstab einer Verkehrspolitik falsch, da auch unrentable Verkehrsmittel eine große Bedeutung für die Entwicklung einer Volkswirtschaft erlangen können.[7] Auch könne privatwirtschaftlicher Gewinn über die volkswirtschaftliche Bedeutung des Verkehrswesens nur sehr wenig aussagen. Dies werde insbesondere bei der Eisenbahn deutlich, wo häufig defizitär arbeitende Eisenbahnen deutlich stärker zur wirtschaftlichen Entwicklung eines Raumes beitrugen als sehr gewinnträchtige Strecken.[8] Zudem behandelte Voigt die Frage, inwieweit Verkehrspolitik in der Lage ist, gemeinsam mit der Wirtschaftspolitik wirtschaftliche Abläufe zu gestalten. Da in vielen nationalökonomischen Theorien sehr stark von Raum und Zeit abstrahiert und oftmals auch sehr restriktive Modellannahmen getroffen würden, würden insbesondere die entscheidenden Charakteristiken der Verkehrswirtschaft vernachlässigt.[9] Ebenfalls beklagte Voigt eine „Geschichtsfeindlichkeit“ der ökonomischen Verkehrswissenschaft. So würde in den meisten Lehrbüchern und Monographien eine historische Entwicklung der ökonomischen Institutionen völlig vernachlässigt und vielfach vergessen, die mathematischen Formulierungen und theoretischen Gedankenmodelle empirisch zu überprüfen. Voigt wollte damit explizit dazu aufrufen, die rein theoretischen Konzepte der Verkehrswissenschaft wieder durch eine historische Quellenanalyse zu verifizieren; ein Appell, der jedoch weitgehend ignoriert wurde.[10] Auf Voigt geht die Entdeckung des Anteludialeffektes zurück.[2] Werke
Festschriften zu Ehren Fritz Voigts
Einzelnachweise
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