Österreich gewinnt Gebiete in Ungarn und auf dem Balkan Polen-Litauen erhält Podolien zurück Russland erobert Asow Venedig wird sein Besitzstand (Morea, inneres Dalmatien) bestätigt
Osmanisches Reich 1453Amcazade Hüseyin Pascha Osmanisches Reich 1453 Bayburtlu Kara Ibrahim Pasha Osmanisches Reich 1453 Elmas Mehmed Pasha Osmanisches Reich 1453Sarı Süleyman Pascha Osmanisches Reich 1453 Mezzo Morto Hüseyin Pasha
Der Große Türkenkrieg zwischen der Heiligen Liga europäischer Mächte und dem Osmanischen Reich, auch als Großer Türkenkrieg Leopolds I. oder 5. Österreichischer Türkenkrieg bezeichnet, dauerte von 1683 bis 1699. Unter seinem neuen Großwesir und Oberbefehlshaber Kara Mustafa versuchte das Osmanische Reich 1683 zum zweiten Mal (nach der Ersten Wiener Türkenbelagerung 1529), die Kaiserstadt Wien zu erobern und das Tor nach Zentraleuropa aufzustoßen. Das Scheitern dieser Belagerung führte zur kaiserlichen Gegenoffensive, in deren Verlauf die Osmanen aus dem Gebiet des Königreichs Ungarn vertrieben wurden und die Dreiteilung Ungarns zu Gunsten der Habsburger ein Ende fand.
1529 mussten die Osmanen vor Wien ihren ersten Versuch zur Einnahme der Stadt wegen schlechten Wetters und des daraus resultierenden fehlenden Nachschubs abbrechen. Im Türkenkrieg von 1663/1664 stießen die Osmanen erneut auf Wien vor, konnten aber am 1. August 1664 vom kaiserlichen Oberbefehlshaber Raimondo di Montecuccoli in der Schlacht bei Mogersdorf/St. Gotthard an der Raab aufgehalten werden. Neun Tage nach diesem Sieg wurde der Friede von Eisenburg (Vasvár) mit einer Gültigkeitsdauer von 20 Jahren unterzeichnet. Ein Jahr vor Ablauf setzte sich Großwesir Kara Mustafa mit einem 150.000 Mann[1] starken Heer Richtung Wien in Marsch. Die Gelegenheit schien günstig, da die unter osmanischer Herrschaft operierenden Kuruzen unter Emmerich Thököly weite Gebiete des Königreichs Ungarn unter ihre Herrschaft gebracht hatten.
„Die Giauren [Ungläubige, christliche Truppen] tauchten mit ihren Abteilungen auf den Hängen auf wie Gewitterwolken, starrend vor dunkelblauem Erz. Mit dem einen Flügel gegenüber den Walachen und Moldauern an das Donauufer angelehnt und mit dem anderen Flügel bis zu den äußersten Abteilungen der Tataren hinüberreichend, bedeckten sie Berg und Feld und formierten sich in sichelförmiger Schlachtordnung. Es war, als wälze sich eine Flut von schwarzem Pech bergab, die alles, was sich ihr entgegenstellt, erdrückt und verbrennt.“[2]
Beginn der Gegenoffensive
Durch die türkische Niederlage von 1683 sah Leopold I. nun endlich die Chance zum Gegenschlag. Unter Mithilfe von Papst Innozenz XI. wurde am 5. März 1684 die Allianz der Heiligen Liga gegen die Osmanen geschlossen. König Jan Sobieski von Polen, Kaiser Leopold I. und die Republik Venedig schlossen ein Bündnis, das sich ausschließlich gegen die Osmanen richten sollte.[3]
Das erste Ziel war die Eroberung von Ofen. Im Oktober 1684 musste die Belagerung aufgegeben werden, da die Moral schlecht war und ein türkisches Entsatzheer die kaiserlichen Belagerungstruppen bedrängte.
Zwei Jahre nach der erfolglosen Belagerung von Ofen wurde 1686 ein neuer Feldzug zur Einnahme der ungarischen Hauptstadt gestartet. Mitte Juni 1686 wurde mit der Belagerung begonnen. Ein türkisches Entsatzheer traf Mitte August vor Ofen ein, der Kommandant scheute sich aber anzugreifen. Am 2. September 1686 eroberten die kaiserlichen Truppen schließlich die Festung.[5]
161 Jahre, nachdem das unabhängige Ungarn in der ersten Schlacht bei Mohács (1526) aufgehört hatte zu existieren, kam es am 12. August 1687 auf derselben Ebene erneut zur Schlacht um Ungarn. Die 50.000 Mann starke kaiserliche Streitmacht unter Karl von Lothringen traf auf ein ca. 60.000 Mann starkes, osmanisches Heer. Einem türkischen Großangriff wurde standgehalten, und der von Eugen von Savoyen geführte Gegenangriff brach durch sämtliche türkischen Linien bis zum Zelt des geflohenen Großwesirs durch. Während auf kaiserlicher Seite nicht mehr als 600 Mann an Verlusten zu beklagen gewesen sein sollen, mussten die Türken bis zu 10.000 Tote hinnehmen.[6] Die Folgen dieses bedeutenden Sieges waren weitreichend: Karl von Lothringen konnte Esseg und Slawonien befreien, während Siebenbürgen wieder Ungarn angegliedert wurde. Unter dem Eindruck dieser Ereignisse sprach der ungarische Reichstag den Habsburgern das Erbrecht auf die Stephanskrone zu, und der erst neunjährige Sohn Kaiser Leopolds, Joseph, wurde König von Ungarn. Prinz Eugen, der den Gegenstoß bei Mohács persönlich geführt hatte, wurde dafür reichlich belohnt: Im Januar 1688 erfolgte die Ernennung zum Feldmarschallleutnant und er wurde in den Orden vom Goldenen Vlies aufgenommen.
Nach der erfolgreichen Zweiten Schlacht bei Mohács 1687 hieß das Ziel im darauf folgenden Jahr Belgrad – die Stadt zwischen Donau und Save, die seit 1521 in osmanischem Besitz war. Unter dem Kommando von Max Emanuel, dem Kurfürsten von Bayern, begann die Belagerung Anfang August 1688. Nur einen Monat später, am 6. September 1688, wurde die Stadt unter enormen Verlusten auf beiden Seiten eingenommen. Die kaiserlichen Truppen eroberten Niš am 24. September 1689, Widin am 14. Oktober 1689 und rückten bis Bankja (jetzt eine Vorstadt Sofias), Kjustendil und Pernik im Osten und Skopje und Priština im Süden vor (befreit im Oktober 1689).[7] Die Bevölkerung „stieg aus den Gebirgen ein und hieß die Deutschen als Befreier von ihrer sklavischen Lage willkommen.“[8]
Französischer Angriff im Westen und osmanische Gegenoffensive
Bereits 20 Tage nach der Einnahme Belgrads marschierten Truppen König Ludwigs XIV. in das Rheinland ein und eröffneten den Pfälzischen Erbfolgekrieg. Das Reich befand sich nun in einem Zweifrontenkrieg. Trotz dieser ungünstigen strategischen Entwicklung entschloss man sich am Kaiserhof im Juni 1689, die Waffenstillstandsverhandlungen mit der Hohen Pforte einzustellen und gleichzeitig den größten Teil des kaiserlichen Heeres nach Westen zu verlagern.
Durch diese Ereignisse konnten die Osmanen im Jahre 1690 Belgrad zurückerobern. Ludwig Wilhelm von Baden konnte 1691 in der Schlacht bei Slankamen mit unterlegenen Kräften einen vorerst letzten Erfolg erreichen. Er, wie andere bedeutende Heerführer, wurde nunmehr im Westen benötigt. Der neue Oberbefehlshaber August der Starke konnte ihn nicht ersetzen. Immerhin gelang es bei allen Rückschlägen, die Lage zu stabilisieren und Kaiser und Reich konnten sich sowohl im Westen wie im Südosten behaupten.
Die Kaiserlichen waren mit Serben und anderen Christen vom Balkan verbündet. Als die osmanische Gegenoffensive in Gang kam, flohen etwa 60.000 Menschen vom Balkan in die habsburgischen Gebiete in Ungarn. Dort wurden sie mit bestimmten Privilegien zur Verteidigung der Militärgrenze nach Süden angesiedelt. In ihre alten Siedlungsgebiete, etwa auf dem Amselfeld, wanderten muslimische Albaner ein. Diese Wanderungswelle war eine Ursache für die Konflikte in der Region bis ins 21. Jahrhundert hinein.[9]
Nachdem 1697 der Pfälzische Erbfolgekrieg beendet worden war, kehrte Prinz Eugen, in der Zwischenzeit zum Feldmarschall befördert (1693), auf den osmanischen Kriegsschauplatz als Oberbefehlshaber der Armee in Ungarn zurück. Er sammelte die Truppen aus Oberungarn und Siebenbürgen bei Peterwardein, um den osmanischen Vorstoß aufzuhalten. Nach der Vereinigung mit den Truppen umfasste die kaiserliche Armee zwischen 50.000 und 55.000 Mann.[10] Den ganzen August hindurch spielten sich jedoch nur taktische Manöver zwischen den Streitmächten im Großraum Peterwardein ab. Anfang September brachen die Osmanen die taktischen Geplänkel ab und zogen der Theiß entlang nach Norden, um sich der Festung Szegedin zu bemächtigen. Der kaiserliche Feldmarschall folgte nun, fast auf gleicher Höhe, der osmanischen Streitmacht. Der Sultan gab den Plan zur Erstürmung Szegedins deswegen auf; er beabsichtigte nun, die Theiß bei Zenta zu überqueren und sich nach Temesvár ins Winterlager zurückzuziehen. Als Prinz Eugen die Absicht des Feindes erkannte, entschloss er sich sofort zum Angriff, überraschte die Osmanen am 11. September 1697 während der Flussüberquerung und fügte ihnen eine vernichtende Niederlage zu.
Es war ein vollständiger und umfassender Sieg, und von nun an war der Name Prinz Eugen in ganz Europa zu einem Begriff geworden. Der nach Temesvár fliehende Sultan verlor an die 25.000 Mann, wohingegen die Verluste der Truppen des Kaisers 28 Offiziere und 401 Mann an Toten betrugen.[11] Eine schlimmere Niederlage hatte das Osmanische Reich auf dem europäischen Kontinent noch nicht erlebt.
Der Überfall auf Sarajevo
Der Sieg bei Zenta wurde von den Kaiserlichen nicht entscheidend strategisch genutzt, denn für eine Belagerung der Festung Temesvár war das Jahr schon zu weit fortgeschritten. Bevor man ins Winterlager zog, sollte den bereits angeschlagenen Türken noch ein weiterer Schlag versetzt werden. Prinz Eugen beschloss, mit einem Teil seiner Armee einen Überfall auf Bosnien durchzuführen. Sein Ziel war Sarajevo. Der Einfall begann am 13. Oktober 1697 von Esseg aus (heute: Osijek, Kroatien). Bereits zehn Tage später wurde, trotz der unwegsamen Route mitten durch bosnisches Bergland, das 250 km entfernte Sarajevo erreicht. Kaiserliche Parlamentäre, die die Übergabeaufforderung Eugens überbringen sollten, wurden beschossen, noch ehe sie die Stadt erreichten, und so wurde der Befehl zum Angriff auf die unbefestigte Stadt erteilt. Am nächsten Tag notierte Eugen in sein Kriegstagebuch:
„Man hat die Stadt völlig niedergebrannt und auch die ganze Umgebung. Unsere Trupps, die den Feind verfolgten, haben Beute eingebracht, und auch Frauen und Kinder […].“[12]
Das Kriegsjahr 1698 verlief ohne größere Gefechte, da es in der kaiserlichen Kriegskasse wieder an Geld mangelte: Im Sommer 1698 blieb der Sold für die Armee aus, weswegen zwei Dragonerregimenter meuterten und ihre Offiziere als Geiseln nahmen. Prinz Eugen zeigte keinen Pardon für die Meuterer: 12 wurden erschossen, 20 gehängt und die Übrigen mussten spießrutenlaufen.[14] (Über die genauen Opferzahlen bei den „Spießrutenläufern“ ist nichts bekannt).
Aufgrund der Meuterei, der schlechten Finanzlage, und weil sowohl der Kaiser als auch die Hohe Pforte den Frieden suchten, kam es unter der Vermittlung Englands zu den Friedensgesprächen bei Karlowitz. Karlowitz lag zwischen der von kaiserlichen Truppen gehaltenen Festung Peterwardein und der osmanischen Festung Belgrad. Auf einer Anhöhe bei Karlowitz wurde ein hölzerner Rundbau mit vier verschiedenen Eingängen errichtet. Damit sollte sichergestellt sein, dass alle vier Delegationen gleichzeitig an den Verhandlungstisch treten konnten. Am 26. Jänner 1699[15] kam es schließlich zwischen dem Kaiser, Polen und Venedig einerseits sowie dem Osmanischen Reich andererseits zum Friedensschluss: Siebenbürgen wurde mit Ungarn wiedervereint, Ungarn wurde Österreich bzw. den Habsburgern zuerkannt. Venedig erhielt die Peloponnes. Bis auf das Banat waren nun alle osmanischen Eroberungen des 16. Jahrhunderts wieder verloren, und das Haus Österreich wurde eine europäische Großmacht.[16] Russland schloss einen Waffenstillstand auf zwei Jahre.
Folgen
Die Leiden der Bevölkerung waren schwer und das Verhalten gegenüber den gegnerischen Soldaten hart. Vielfach wurde kein Pardon gegeben. Der informelle Verhaltenskodex bei der Kriegführung zwischen europäischen Mächten wurde regelmäßig auch von habsburgischer Seite verletzt. Es wurde den Kaiserlichen sogar vorgeworfen, dass die Vernichtung ganzer osmanischer Heere etwa bei Slankamen oder Zenta über das militärisch Sinnvolle hinausging.[17]
Im Frieden von Karlowitz musste sich das Osmanische Reich erstmals von einer christlichen Macht Friedensbedingungen diktieren lassen, die weitreichende Folgen für die ganze Region hatten: Die Dreiteilung Ungarns, eine direkte Folge der ersten Schlacht von Mohács 1526, war nun zugunsten der Habsburger beendet. Lediglich das Banat von Temesvár blieb als letztes Stück des alten Königreichs Ungarn noch osmanisches Gebiet, musste aber nach einem weiteren Türkenkrieg (1. Türkenkrieg Karls VI. 1716–1718) ebenfalls an das Habsburgerreich abgetreten werden.
Walter Hummelberger: Die Türkenkriege und Prinz Eugen. In: Herbert St. Fürlinger (Hrsg.): Unser Heer. 300 Jahre Österreichisches Soldatentum in Krieg und Frieden. Fürlinger, Wien 1963.
Herbert Röhrig (Hrsg.): Hannoversche Rotröcke in Griechenland. Das Tagebuch des Fähnrichs Zehe in den Türkenkriegen 1685–1688 (= Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens, Bd. 84). Lax, Hildesheim 1975.
István Bariska, Ibolya Felhő, János J. Varga (Hrsg.): Buda expugnata 1686. Europa et Hungaria, 1683–1718. A török kiuzésének hazai levéltári forrásai. Budapest Fováros Levéltárának, Budapest 1986–1987, 3 Bände, ISBN 963-7323-00-7 (umfassende Quellenpublikation aus den Beständen der europäischen Archive und den Handschriften in Bibliotheken).
Richard Schmitt, Peter Strasser: Rot-weiß-rote Schicksalstage. Entscheidungsschlachten um Österreich. NP-Buchverlag, St.Pölten/Wien/Linz 2004, ISBN 3-85326-354-2.
János J. Varga: Die Beteiligung Kurbayerns und des fränkischen Reichskreises am Großen Türkenkrieg 1683–1699. In: Ungarn-Jahrbuch. Zeitschrift für interdisziplinäre Hungarologie, Jg. 27 (2004), S. 321–329.
↑Thomas Winkelbauer: Ständefreiheit und Fürstenmacht. Länder und Untertanen des Hauses Habsburg im konfessionellen Zeitalter. Teil 1. In: Herwig Wolfram (Hrsg.): Österreichische Geschichte 1522–1699. Wien 2003, S. 164.
↑Richard F. Kreutel: Karamustapha vor Wien. Das türkische Tagebuch der Belagerung. Graz 1955.
↑Ernst Trost: Prinz Eugen von Savoyen. 2. Auflage. Wien/München 1985, S. 47.
↑Johannes Burkhardt: Vollendung und Neuordnung des frühmodernen Reiches 1648–1763. Stuttgart 2006, S. 151f.
↑История на България, С., 1983, т. 4, S. 234, изд. на БАН.
↑История на България, С., 1983, т. 4, S. 234, изд. на БАН, zitiert nach La Sacra Lega contro la potenza ottomana. Raconti veridici brievemente descritti da Don Simpliciano Bizozeri. Milano 1690, S. 401.
↑Johannes Burkhardt: Vollendung und Neuordnung des frühmodernen Reiches 1648–1763. Stuttgart 2006, S. 153f.
↑Walter Hummelberger: Die Türkenkriege und Prinz Eugen. In: Herbert St. Fürlinger (Hrsg.): Unser Heer. 300 Jahre Österreichisches Soldatentum in Krieg und Frieden. Wien/München/Zürich 1963, S. 88.
↑„War die Habsburger Monarchie eine Großmacht?“, siehe dazu: Karl Vocelka: Glanz und Untergang der höfischen Welt. Representation, Reform und Reaktion im Habsburgischen Vielvölkerstaat. In: Herwig Wolfram (Hrsg.): Österreichische Geschichte 1699–1815. Wien 2004, S. 79–84.
↑Johannes Burkhardt: Vollendung und Neuordnung des frühmodernen Reiches 1648–1763. Stuttgart 2006, S. 155.
↑Manfried Rauchensteiner, Manfred Litscher (Hrsg.): Das Heeresgeschichtliche Museum in Wien. Graz/Wien 2000, S. 10–15.