Heinz Fischer wurde in einer sozialdemokratisch geprägten Familie geboren. Sein Vater, SektionschefRudolf Fischer, war von 1954 bis 1956 Staatssekretär im Handelsministerium der großkoalitionären Bundesregierung Raab I.[1] Er war bekennender Esperantist und viele Jahre lang Obmann der Arbeiter-Esperantisten Österreichs.[2] Rudolf Fischer lernte seine spätere Ehefrau während eines Esperanto-Kurses in Wiener Neustadt kennen.[3] Fischers Onkel Otto Sagmeister war von 1947 bis 1949 Minister für Volksernährung der Bundesregierung Figl I und von 1949 bis 1972 Generaldirektor des österreichischen Konsums.
Aufgrund des Zweiten Weltkrieges besuchte Heinz Fischer fünf Volksschulen in Wien, Niederösterreich und im Burgenland.[3] Wegen der Gefahren zu Kriegsende in Wien tauchte sein Vater um die Weihnachtszeit 1944 bei Verwandten in Türnitz unter. Seine Mutter und seine Schwester Edith fanden in der kleinen niederösterreichischen Gemeinde Loich für ein halbes Jahr Unterkunft. Heinz Fischer besuchte daher auch in diesem Ort die Volksschule.[4]
In den Jahren 1962 bis 1965 deckte er mit Hilfe einer heimlichen Vorlesungsmitschrift von Ferdinand Lacina den politischen Skandal um den antisemitischen Professor Taras Borodajkewycz an der Wiener Hochschule für Welthandel auf und veröffentlichte darüber ein Buch.[6] Neben der politischen Tätigkeit setzte Fischer auch seine akademische Laufbahn fort: 1978 wurde er habilitiert und 1994 zum Professor für Politikwissenschaft an der Universität Innsbruck ernannt.[7] Allerdings führt Fischer den Professorentitel bei keiner Gelegenheit an. In den Jahren 1996 und 1997 lehrte er als Dozent zweier Lehrveranstaltungen im Bereich der Staatswissenschaften an der Universität Wien.[8]
Wie schon einer seiner Amtsvorgänger, Adolf Schärf, wohnte Fischer auch als Staatsoberhaupt weiter in seiner Privatwohnung im 8. Wiener GemeindebezirkJosefstadt, von der aus er seinen Amtssitz im Leopoldinischen Trakt der Hofburg wie zuvor das Parlamentsgebäude zu Fuß erreichen konnte. Eine Übersiedlung in die Präsidentenvilla auf der Hohen Warte lehnte er ab.
Politische Laufbahn
Nach seinem Studium war Fischer zunächst einige Monate bei Gericht tätig und wirkte ab 1962 im Parlament als Sekretär der sozialdemokratischen Parlamentsfraktion. 1971, als Bruno Kreisky die absolute Mehrheit erreichte, wurde er in den Nationalrat gewählt, dem er mit Ausnahme der Zeit seiner Tätigkeit als Wissenschaftsminister (1983–1987, Bundesregierung Sinowatz und Vranitzky I) bis 2004 angehörte.
Im Jänner 2004 gab Fischer seine Kandidatur zum Amt des österreichischen Bundespräsidenten bekannt. Am 10. März legte er seine Parteifunktionen (u. a. Mitglied des Bundesparteivorstandes und stellvertretender Parteivorsitzender der SPÖ) nieder. Die Wahl am 25. April gewann Fischer mit 52,39 % der Stimmen, einem Vorsprung von 4,78 Prozentpunkten vor Gegenkandidatin Benita Ferrero-Waldner (ÖVP, unterstützt auch von Repräsentanten der FPÖ). Am 8. Juli 2004 wurde er als achter Bundespräsident der Zweiten Republik angelobt. Mit Amtsantritt stellte Fischer seine Parteimitgliedschaft bei der SPÖ ruhend und erklärte, als Bundespräsident über den Parteien stehen zu wollen.
Am 23. November 2009 erklärte Fischer in einem YouTube-Video seine Kandidatur zur Wiederwahl.[14] Am 25. April 2010 wurde er mit 79,3 % der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von 53,6 % für weitere sechs Jahre im Amt bestätigt.[15] Am 8. Juli 2010 wurde er in der Bundesversammlung für seine zweite Funktionsperiode angelobt.[16] Seine Amtszeit endete am 8. Juli 2016 um 11 Uhr, obwohl zur Bundespräsidentenwahl 2016 wegen der Aufhebung des zweiten Wahlgangs durch den Verfassungsgerichtshof kein gültiges Endergebnis vorlag. Fischer wurde mit einem Festakt im Parlament verabschiedet.[17][18] Im Dachgeschoß der Hofburg[19] stand dem Altbundespräsidenten dann ein „Koordinationsbüro“ mit angemessenen Räumlichkeiten und Personal zur Verfügung, für die ehrenamtliche Aufgabe, das Gedenkjahr 2018 zu moderieren.[20]
Kontroverse um Zwischenruf im Nationalrat
In der Nationalratssitzung am 15. Dezember 1989 rief Heinz Fischer während der Rede des FPÖ-Abgeordneten Siegfried Dillersberger, in der dieser die Parteienfinanzierung kritisierte, „Sieg Heil“. Die Sitzung lief ohne Ordnungsruf weiter. Fischer war an diesem Tag bereits zuvor durch mehrere Zwischenrufe bei anderen Abgeordneten aufgefallen. Während die mediale Berichterstattung damals ausblieb, wurde Fischers Zwischenruf zum Thema, nachdem der SPÖ-Abgeordnete Rudolf Edlinger in der Nationalratssitzung am 17. April 2002 ebenfalls „Sieg Heil“ während der Rede der FPÖ-Abgeordneten Helene Partik-Pablé rief. Erneut thematisiert wurde der Zwischenruf während Fischers Präsidentschaftswahlkampf 2010. Fischer, der das Parlamentsprotokoll damals nicht beanstandet hatte, gab an, er wäre falsch wiedergegeben worden.[21][22]
Ebenfalls als Wissenschaftsminister war Heinz Fischer zeitweise Mitglied des von führenden Mitgliedern der SPÖ gegründeten Club 45.
Heinz Fischer befürwortet gleichgeschlechtliche Partnerschaften und spricht sich gegen das Adoptionsverbot von Kindern für gleichgeschlechtliche Paare aus. Er geht davon aus, dass es auf diesem Gebiet in den nächsten Jahren einen Gewöhnungsprozess geben wird, der zeigt, dass dadurch kein Schaden für das Kind entsteht.[24] Er tritt dafür ein, dass gleichgeschlechtliche Paare ihre Partnerschaft auch am Standesamt eintragen dürfen und genauso wie bei verschiedengeschlechtlichen Paaren der Rechtsakt in feierlicher Form durchgeführt wird.[25] Die Abschaffung der Wehrpflicht lehnt er ab.
Im Juli 2010 stellte er die Wehr-/Zivildienstpflicht für Frauen zur Diskussion.[26][27][28]
„Frauen bekommen immer mehr Rechte, da kann man auch argumentieren, sie müssen mehr Pflichten übernehmen.“
– Bundespräsident Heinz Fischer: ORF-Pressestunde, 18. Juli 2010
Heinz Fischer publizierte mehrere Werke, unter anderem die Bücher Die Kreisky-Jahre (1993), Reflexionen (1998), Wendezeiten (2001) und Überzeugungen (2006). Im Herbst 2016 veröffentlichte er den Essay Eine Wortmeldung.
Fischer, selbst Bergsteiger, war langjähriger Präsident der österreichischen Naturfreunde. Von 1999 bis 2007 war er Präsident des Verbandes der Österreichischen Volkshochschulen und bekleidet dieses Amt seit 2019 wieder.[29][30] Fischer war Gründungsmitglied und langjähriges Vorstandsmitglied der österreichisch-chinesischen Gesellschaft, Präsidiumsmitglied der österreichisch-nordkoreanischen Freundschaftsgesellschaft, der österreichisch-jugoslawischen Gesellschaft und weiterer Gesellschaften. Er war Anfang der 1970er Jahre Mitbegründer der Österreichischen Gesellschaft für Politikwissenschaft und Gründungsmitglied der österreichischen Sektion von Amnesty International.
Als Bundespräsident übernahm er die Schirmherrschaft über nachstehende Institutionen:
Fischer war als Bundespräsident außerdem Mitglied der Arraiolos-Gruppe. Die Österreichische Post AG brachte zu seinem 70. Geburtstag mit Ersttag 7. Oktober 2008 eine Sondermarke mit seinem Bild mit dem Wert 0,55 € samt Sonderstempel heraus.[32][33]
Fischer wuchs ab seinem 4. Lebensjahr in Hietzing, dem 13. Wiener Gemeindebezirk, auf und berichtete darüber 2016 in der ORF-Dokumentation Mein Hietzing.[34]
Am 8. November 2016 wurde dem Schulcampus in Ternitz, bestehend aus der Polytechnischen Schule Ternitz, der Neuen Niederösterreichischen Mittelschule Ternitz und dem BORG Ternitz, im Beisein von Heinz Fischer die Bezeichnung Schulcampus Dr. Heinz Fischer verliehen.[35]
Vom 11. bis 14. Juni 2015 nahm er an der 63. Bilderberg-Konferenz in Telfs-Buchen in Österreich teil.[36] Fischers letzter Staatsbesuch als Bundespräsident fand am 11. April 2016 auf Schloss Lana bei Prag statt.[37]
Was seine Nachfolge betrifft, erklärte Fischer am 23. September 2016, er gebe keine Wahlempfehlung ab, werde selbst aber Alexander Van der Bellen wählen. Dieser wurde am 4. Dezember 2016 zum Bundespräsidenten gewählt und trat sein Amt am 26. Jänner 2017 an.
Überzeugungen. Eine politische Biografie. Styria, Wien 2006 (unter Mitarbeit von Alfred Reiter), ISBN 978-3-222-13195-0.
Einer im Vordergrund. Taras Borodajkewycz. Europaverlag, Wien 1966; erweitert mit dem letztgültigen Disziplinarerkenntnis gegen Borodajkewycz, Ephelant, Wien 2015, ISBN 978-3-900766-26-9.
Margit und Heinz Fischer: Erinnerungen in Bildern und Geschichten. Edition Lammerhuber, Baden bei Wien 2016, ISBN 978-3-903101-08-1.
↑ abcDr. Heinz Fischer > Werdegang. In: bundespraesident.at. 2011, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 12. Juni 2012; abgerufen am 9. Oktober 2018.
↑NÖ Pressehaus Druck- und VerlagsgmbH: Die neue NÖN, Ausgabe Pielachtal. Ausgabe Nr. 48 vom 25. November 2020, S. 22 und 23.
↑Verbandsvertretung. In: Verband Österreichischer Volkshochschulen. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 15. Februar 2021; abgerufen am 18. März 2021.Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.vhs.or.at