Als Hirnnerven werden jene Nerven bezeichnet, die direkt aus spezialisierten Nervenzellansammlungen im Gehirn entspringen, den Hirnnervenkernen, zumeist im Hirnstamm.
Die anderen Nerven des Körpers entspringen dem Rückenmark als Spinalnerven. Eine Ausnahme bildet der Nervus accessorius (XI, Nummerierung siehe Tabelle unten); dieser gilt als Hirnnerv, obwohl er zum Teil dem Rückenmark entspringt. Der Nervus olfactorius (I) und der Nervus opticus (II) sind keine peripheren Nerven, sondern Teile des Gehirns; sie werden aufgrund der traditionellen Sicht dennoch weiterhin als Hirnnerven bezeichnet. Einen Sonderfall stellt auch der Nervus terminalis (0) dar.
Die Hirnnerven als Bestandteil des Nervensystems waren bereits Galenos bekannt.[1] In klassischer Sicht gibt es ein Dutzend paariger, also jeweils beidseitig angelegter Hirnnerven. Die Nummerierung erfolgt mit römischen Zahlzeichen von rostral nach caudal, entsprechend der Austrittsstelle der Nerven am Gehirn. Die Klassifikation wurde 1788 von Samuel Thomas von Soemmerring in seiner Schrift Vom Hirn und Rückenmark eingeführt.[2] Der Pariser Forscher Mathias Marie Duval (1844–1907) führte später weitere, histologische Untersuchungen über den Ursprung der Hirnnerven durch.[3]
Durchtrittsstellen der Hirnnerven durch die Schädelknochen
Darstellung der Hirnnerven mit Lage und Verlauf an der Hirnbasis im Schema
Leitet die Signale des hinteren Zungenabschnittes zum Gehirn und innerviert die Muskeln des Rachens. Wichtig für den Schluckakt. Innerviert auch die Ohrspeicheldrüse.
sensorisch (spezielle Viszeroafferenz), sensibel, branchiomotorisch und vegetativ (parasympathisch)
Versorgt motorisch den Musculus trapezius und den Musculus sternocleidomastoideus. Der Nervus accessorius entspringt eigentlich aus dem Rückenmark (Radix spinalis). Da er jedoch parallel zum Rückenmark in die Schädelhöhle zieht und diese dann an der Schädelbasis wieder verlässt, wird er zu den Hirnnerven gezählt. Die Radix cranialis (branchiomotorisch) lagert sich an den Nervus vagus an und bildet beidseits den Nervus laryngeus recurrens.
Die Hirnnerven V, VII, IX, X und XI werden aufgrund ihrer embryologischen Entwicklung auch als Kiemenbogennerven bezeichnet. Ihre motorische Faserqualität bezeichnet man als speziell viszeromotorisch bzw. branchiomotorisch (d. h. die Muskeln versorgend, die sich aus den Kiemenbogen entwickelt haben).
Veraltete Bezeichnungen für den Nervus vestibulocochlearis (VIII) sind Nervus statoacusticus und Nervus otoacusticus.
Literatur
Hanns Christian Hopf, Detlef Kömpf (Hrsg.): Erkrankungen der Hirnnerven. Thieme, Stuttgart 2006, ISBN 3-13-140111-7.
Michael Schünke, Erik Schulte, Udo Schumacher: Prometheus LernAtlas der Anatomie. 5. Auflage. Band3: Kopf, Hals und Neuroanatomie. Thieme, Stuttgart 2018, ISBN 978-3-13-242091-5, S.112.
↑Paul Diepgen, Heinz Goerke: Aschoff: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 12.
↑Reinhard Hildebrand: Rudolf Albert Koelliker und seine wissenschaftlichen Kontakte zum Ausland. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen. Band 2, 1984, S. 101–115, hier: S. 109.