Der Intel Itanium 2 ist ein 64-Bit-Mikroprozessor (CPU) mit EPIC-Befehlssatz (eine VLIW-Architektur) von Intel. Der VLIW-Befehlssatz ermöglicht es, bis zu drei Maschinenbefehle zu bündeln; diese Bündel werden dann gleichzeitig in einem Arbeitszyklus ausgeführt. Er ist der verbesserte Nachfolger des Intel-Itanium-Prozessors, dessen Ursprünge auf eine gemeinsame Entwicklung von Hewlett-Packard (HP) und Intel zurückgehen. Wie der Itanium nutzt auch der Itanium 2 den eigenen nativen IA-64-VLIW-Befehlssatz. Die Befehle der älteren x86-Prozessor-Architektur können ebenfalls, aber nur in einem langsamen Firmware-Emulationsmodus, ausgeführt werden. Daneben bestehen Erweiterungen zur leichteren Migration der Hewlett-Packard PA-RISC-Prozessor-Architektur. Im Vergleich zu seinen Vorgängern wartet der Itanium 2 mit zahlreichen Funktionen aus dem Großrechnerbereich auf, hierzu gehören zum Beispiel spezielle Fähigkeiten aus den Bereichen Fehlertoleranz und Virtualisierung.
Der im Juli 2002 auf den Markt gebrachte McKinley-Kern behebt als erster Itanium 2 einige der größten Mankos des alten Intel Itanium (Merced-Kern). So wurden die hohen Latenzzeiten der L1- und L2-Caches gesenkt und mit der Integration des L3-Cache auf dem Die auch dessen Latenz verbessert. Der verhältnismäßig langsame Front Side Bus wurde von 64 auf 128 Bit verbreitert und von 266 auf 400 MHz beschleunigt. Auch wurde die Ausführungsgeschwindigkeit der x86-Emulation erhöht. Die Architektur des Itanium 2 ist prinzipiell mit der des Itanium identisch.
Etwa ein Jahr später wurde die zweite Revision des Itanium-2-Designs veröffentlicht (Madison-Kern). Neu im Portfolio waren Prozessoren mit 1,5 GHz bei 6 MiB Cache, 1,4 GHz mit 4 MiB und 1,3 GHz mit 3 MiB. Die 1,5 GHz-Version erreichte damals die höchsten SpecFP- und SpecInt-Werte eines in Serie gefertigten Einzelprozessors.
Mit dem Deerfield-Kern wurde im dritten Quartal 2003 eine stromsparende Version mit 1 GHz und 1,5 MiB L3-Cache auf den Markt gebracht. Mit einer maximalen thermischen Verlustleistung („Thermal Design Power“, TDP) von 62 W zielt er besonders auf Cluster, bei denen geringer Stromverbrauch und gute Kühlung wichtig sind.
Probleme
Der Itanium war seinerzeit das zweitteuerste Computerprojekt der Geschichte, gleich hinter der IBM 360. Trotz der Geldmengen, die in das Projekt investiert wurden, galt die Zukunftsfähigkeit des Produkts bereits vor seiner Einstellung als unsicher, wobei es zwei Hauptprobleme gab:
Zum einen zeigen sich die theoretischen Vorteile des VLIW-Designs in Sachen verminderter Chip-Komplexität nicht am tatsächlichen Prozessor. Der Itanium 2 hat über 221 Millionen Transistoren, die zusammen 130 Watt an Leistung benötigen. Durch die Notwendigkeit eines größeren L3-Caches wird sich die Transistorzahl weiter erhöhen. Intel versuchte, dafür an anderer Stelle Schaltkreise zu sparen. Allerdings ist die IA-64-Architektur auch nie auf diesen Vorteil fixiert gewesen, da mit dem Ziel, für jeden Datentyp eine große Anzahl an Registern zu bieten, um Speicherbandbreite einzusparen, eine große Anzahl Transistoren ganz bewusst Teil des Konzepts ist.
Die Entwicklung eines Compilers, der dem Itanium erlaubt, sein Potenzial auszuspielen, hat sich als schwierig erwiesen, ist aber für eine hohe Leistung unabdingbar. Obwohl in dieser Richtung ständige Verbesserungen erreicht werden, gilt die Portierung von Software auf die Itanium-Architektur mit Augenmerk auf die Geschwindigkeitsoptimierung als besonders schwierig.
Zu den Rivalen IBM mit der konkurrierenden Power-Architektur und Sun mit der SPARC-Architektur kam eine weitere Konkurrenz für Intels Itanium-Architektur aus dem Hause AMD hinzu: die AMD64-Architektur und in Folge auch aus dem eigenen Hause die Intel 64-Architektur (auch x86-64 oder EM64T Netburst-Architektur) der aktuellen Pentium- und Xeon-Prozessoren. Sie folgt AMDs und Intels früherer Vorgehensweise, eine einzelne Architektur nach und nach zu erweitern, erst vom 16-Bit-8086 zum 32-Bit-80386 und neueren Modellen, ohne die Abwärtskompatibilität zu opfern. AMD64 erweiterte die 32-Bit-x86-Architektur durch 64-Bit-Register und Kompatibilitätsmodi für alte 32-Bit- und 16-Bit-Software. Die Auslieferung von AMD64-Systemen begann Mitte 2003 und entwickelte sich sehr erfolgreich, Intel integrierte daher ab 2004 ebenfalls die x86-64-Erweiterungen in eigene Systeme.
Ein Misserfolg des Itanium 2 würde auch einen Rückschlag für Hersteller wie Hewlett-Packard bedeuten. HP hat seine hauseigene CPU-Architektur PA-RISC zugunsten des Itanium 2 eingestellt. HP und SGI liefern neben Itanium auch zusätzlich AMD64-Systeme aus, sowohl mit Xeon- wie auch Opteron-CPUs. Im Supercomputingbereich sind inzwischen sehr viele Systeme x86- und AMD64-basierend.
Leistungsvergleich mit Power7 und Xeon
Nach Messungen („Benchmarks“) aus dem Jahre 2010 mit Itanium 9350 liegt die CPU im SPEC-Vergleich CINT-2006-Rate und CFP-2006-Rate sehr deutlich hinter der aktuellen Power7-Familie von IBM und ebenfalls hinter den aktuellen Xeon-CPUs von Intel (zur besseren Vergleichbarkeit wurden die Power7-Testergebnisse auf 8 Rechenkerne normiert[2]).
Server
CPU
Clk / L3 pro CPU
CPUs/Cores
Datum
CINT/CFP-2006-Rate
HP Integrity BL860c i2
Intel Itanium 9350
1.73 GHz/24 MiB
2 / 8
März 2010
134/136 (+94/+58 %)
IBM BladeCenter PS702 Express
IBM Power7
3.00 GHz/32 MiB
1 / 8 (estim.)
April 2010
260/215 (+94/+58 %)
Fujitsu PRIMERGY BX620 S5
Intel Xeon E5540
2.53 GHz/08 MiB
2 / 8
Sep. 2009
214/166 (+60/+22 %)
Gateway GW2000h-GW170h F1
Intel Xeon E5570
2.93 GHz/08 MiB
2 / 8
2010
253/237 (+89/+74 %)
Weitere Entwicklung
Am 10. Februar 2010 wurde der nächste Itanium-Meilenstein mit dem Codenamen Tukwila vorgestellt, an dem viele Ingenieure des abgebrochenen Alpha-EV8-Projekts mitarbeiteten. Obwohl der neue Prozessor eine bis zu fünfmal höhere Leistung als sein Vorgänger bieten soll, werden als herausragendes neues Feature nicht die Geschwindigkeit, sondern die Eignung für missionskritische Anwendungen herausgestellt.[3] Innerhalb eines Zeitraums von 90 Tagen wollte HP erste Tukwila-basierte Server präsentieren, für diesen Termin wurden auch erste Benchmarks mit dem neuen Prozessor erwartet. Tukwila ist als monolithischer Quad-Core-Prozessor angelegt, der dank Hyper-Threading über acht logische Kerne verfügt.[4] Die Anbindung an das System übernimmt nun kein Front Side Bus mehr, sondern erstmals zu benachbarten CPUs, zum Arbeitsspeicher und zum Chipsatz hin eine QPI[5]-basierte Verbindung. Allein zum Speicher hin wird ein integrierter Vierkanal-Speichercontroller für DDR3-Speicher eingesetzt, der dank „Double Device Data Correction“ auch tolerant gegenüber zwei aufeinanderfolgenden Fehlern sein soll.[4] Jedem Prozessorkern steht ein 32-KiB L1-Cache und ein 768 KiB großer L2-Cache zur Verfügung, dazu kommt ein L3-Cache mit pro Core max. 6 MiB Größe. Tukwila wird in 65-nm-Strukturbreite gefertigt und erreicht mit 24 MiB L3-Cache eine Die-Fläche von 699 mm² bei 2,049 Milliarden Transistoren. Es gibt Versionen mit 130 bis 185 Watt TDP, im Vergleich zu den Vorgängern aber mit deutlich höheren Taktraten von bis zu 1,86 GHz.[6] Daneben will Intel ab dem Tukwila auf eine so genannte „common platform“ setzen, die auch künftige Xeon-CPUs auf Nehalem-Basis einbezieht. So sollen in Zukunft x86- und IA-64-Prozessoren denselben Chipsatz verwenden können.
Auch wenn Intel bereits zwei weitere Tukwila-Nachfolger namens Poulson (2012 erschienen) und Kittson (2014) erwähnt hatte[4], gilt die Zukunft der Itanium-Serie inzwischen nicht mehr als unbegrenzt gesichert. Da sich die Modellpflege und -verbesserung seit 2007 immer wieder erheblich verzögert hatte, sind inzwischen mehrere große Hardwarehersteller vom Itanium abgerückt.[7] Zu den großen Herstellern, die – Stand 2009 – Itanium-basierte Lösungen anbieten, zählen laut Itanium Solutions Alliance HP (mit 90 % Marktanteil) sowie in kleinerem Umfang Fujitsu, NEC, Hitachi und SGI. Zudem wird die Leistung der verfügbaren Itanium-CPUs mittlerweile (Stand 2009) zum Beispiel von Intels eigenen nehalem-basierten Xeon-Prozessoren in vielen Punkten erreicht oder gar übertroffen. Gleiches gilt analog auch für die IBM-Power-6-Generation, die schon seit 2009 mit (lieferbaren) Multicore-CPUs und Taktfrequenzen von über 4 GHz aufwartet und ebenfalls seit 2010 durch eine weiter leistungsgesteigerte Power-7-Generation (45 nm, 8 Cores, 4 GHz) erweitert wurde. Auch ist fraglich, ob das Itanium-Projekt für Intel aus finanzieller Sicht überhaupt noch sinnvoll ist.
Red Hat hat bekanntgegeben, dass die Version 6 von Red Hat Enterprise Linux nicht mehr für Itanium umgesetzt werden soll.[8]
Auch Microsoft verabschiedete sich laut Blog der Windows Server Division[9] vom Itanium. Microsoft lässt die reguläre Kunden-Unterstützung für Intels Itanium-Architektur voraussichtlich zum 9. Juli 2013 auslaufen („extended support“ bis 10. Juli 2018). Windows Server 2008 R2, SQL Server 2008 R2 und Visual Studio 2010 sollen die letzten Produkte des Softwareriesen sein, die für Intels Hochverfügbarkeitsprozessor entwickelt wurden. Als Grund wird die Leistungsfähigkeit der aktuellen x64 (AMD64 und Intel 64)-Plattform genannt, die mittlerweile auch den TPC-E-Benchmark (OLTP) mit 3.141,76 Transaktionen pro Sekunde („tpsE“) anführt und somit laut Microsoft ihre Eignung auch für geschäftskritische Bereiche unter Beweis stellt.
Ebenso hat Oracle am 22. März 2011 bekanntgegeben, die Weiterentwicklung von Software für Itanium zu beenden,[10] was jedoch eine Klage von HP nach sich zog, aus der HP letztlich auch als Sieger hervorging. HP war der Ansicht, dass Oracle aufgrund von Verträgen langfristig dazu verpflichtet sei, Itanium zu unterstützen.[11]
Am 12. Mai 2017 wurden die letzten Itanium-Prozessoren von Intel veröffentlicht. Die Itanium 9700 sollen bis 2025 unterstützt werden und stellen lediglich ein Taktupgrade gegenüber den Itanium 9500 dar.[12]