James Edwin Gunn (geboren 12. Juli1923 in Kansas City, Missouri; gest. 23. Dezember2020 in Lawrence, Kansas[1]) war ein amerikanischer Science-Fiction-Autor und -Forscher. Er galt als Pionier der wissenschaftlichen Beschäftigung mit und der akademischen Rezeption von Science-Fiction und als wichtiger Herausgeber und Kritiker in diesem Bereich.
Gunn war der Sohn von J. Wayne Gunn und Elsie Mae, geborene Hutchison. Sein Vater war Drucker und mehrere Mitglieder der Familie arbeiteten im Druck- und Verlagswesen. Von 1943 bis 1946 diente er in der United States Naval Reserve und studierte danach an der University of Kansas, wo er 1947 den Bachelor in Journalismus machte und 1951 mit einem Master in Englisch abschloss.
Im selben Jahr heiratete er Jane Frances Anderson, mit der er zwei Söhne hatte. Nach seinem Studium arbeitete er bis 1952 als Redakteur bei der Western Printing and Lithographing Company in Racine, Wisconsin und war danach eine Zeit lang freier Schriftsteller. 1955 wurde er Herausgeber der Alumni Publications der University of Kansas und begann 1958 dort als Dozent für Englisch und zugleich als Verwaltungsangestellter in der Öffentlichkeitsarbeit der Universität (bis 1970). 1974 wurde er Professor für Englisch. Zuletzt war er emeritiert.
Gunn ist ein Pionier der literaturwissenschaftlichen Forschung im Bereich der Science-Fiction. Bereits in seiner Master-Arbeit The Philosophy of Science Fiction, die 1953 in Fortsetzungen in Dynamic Science Fiction abgedruckt wurde, beschäftigte er sich mit dem Thema SF. 1969 gab er eine der ersten Universitätsvorlesungen zum Thema und 1982 begründete er das Center for the Study of Science Fiction (CSSF), das erste Forschungsinstitut seiner Art, für das er bis in seine letzten Lebensjahre beratend arbeitete.[2]
In den Jahren 1971 und 1972 war er Präsident der Autorenvereinigung Science Fiction and Fantasy Writers of America, von der er 2007 mit dem Grand Master Award geehrt wurde. Ferner war er von 1980 bis 1982 Präsident der Science Fiction Research Association.
Werk
Gunn ist Autor mehrerer Monographien über SF. Deren Themen sind die Geschichte der Science-Fiction (Alternate Worlds: The Illustrated History of Science Fiction, 1975, 1976 mehrfach ausgezeichnet), das Schreiben von SF (The Science of Science-Fiction Writing, 2000), das Lesen von SF (Reading Science Fiction, 2008), die Theorie der SF (Speculations on Speculation: Theories of Science Fiction, mit Matthew Candelaria, 2005) und er ist Autor eines SF-Lexikons (The New Encyclopedia of Science Fiction, 1988, bei den Hugo-Nominierungen 1989 auf Platz 3). Seine Isaac-Asimov-Biographie (Isaac Asimov: The Foundations of Science Fiction, 1982, überarbeitete Fassung 1996) wurde 1983 mit dem Hugo ausgezeichnet.
Zu seinen bedeutenden Arbeiten gehört auch eine von Gunn herausgegebene sechsbändige Anthologie The Road to Science Fiction (1977–1998, deutsch Wege zur Science Fiction in 12 Bänden, 1990–2001), in der die Entwicklung der Science-Fiction von den Anfängen im Gilgamesch-Epos der Sumerer, über die Vorläufer (Poe, Verne, Wells) und die Klassiker (Heinlein, Farmer, Dick) bis zur Gegenwart und in die Zukunft exemplarisch dargestellt wird. Der fünfte Band (The British Way) ist der britischen und der letzte Band (Around the World) der internationalen Science-Fiction gewidmet.
Außer diesen Einzelveröffentlichungen verfasste Gunn Hunderte von Essays, Artikeln, Einleitungsbeiträgen und Rezensionen zum Thema SF.
2017 erschien eine Autobiographie (Star-Begotten: A Life Lived in Science Fiction), in der er seinen Weg als SF-Autor und -Forscher und seinen Anteil an der Geschichte des Genres schildert.
Selbst literarisch zu schreiben begann Gunn 1947, als er ein Theaterstück verfasste, gefolgt von einigen journalistischen Beiträgen für Zeitungen und Hörfunk. 1948 wandte er sich der Science-Fiction zu und 1949 erschien eine erste Kurzgeschichte.[3] Gunn gilt damit gegenwärtig (Stand 2018) als „dienstältester“ SF-Autor. Unter den bekannten SF-Autoren war inzwischen nur noch Jack Williamson mit 78 Jahren länger aktiv.[4] Die ersten zehn seiner Kurzgeschichten erschienen unter dem aus Gunns Vornamen gebildeten Pseudonym Edwin James.
Inzwischen hat er Dutzende von Romanen und weit über 100 Kurzgeschichten verfasst, wobei die Kurzgeschichte als seine eigentliche Domäne gilt, was auch daran abgelesen werden kann, dass einige seiner Romane eher Fix-ups von Kurzgeschichten sind, zum Beispiel Station in Space (1958), The Immortals (1962) und The Listeners (1972).
In The Immortals (deutsch Der Gamma-Stoff) entdeckt man, dass ein Bestandteil des Bluts einiger weniger Menschen diese unsterblich macht. Der Effekt ist durch Bluttransfusion übertragbar, was dazu führt, dass man Jagd auf die Träger des Gamma-Stoffs zu machen beginnt, die wiederum in den Untergrund abtauchen. Die Unsterblichkeit wird zu einem Privileg weniger Millionäre, die sich in riesigen Krankenhauszentren behandeln und vor Infektionen schützen lassen – der Gamma-Stoff macht zwar unsterblich, schützt aber nicht vor Unfall und Krankheit –, während ringsum die Städte zu Slums verfallen. Man hat den Roman als eine Kritik am amerikanischen Gesundheitssystem gelesen.
The Listeners (deutsch Die Horcher) beschreibt den Verlauf der Kommunikation zwischen der Menschheit und einer außerirdischen Zivilisation. Aus der Perspektive sechs verschiedener Protagonisten – entsprechend sechs ursprünglich getrennt erschienenen Einzelerzählungen – wird der Verlauf des Kontakts erzählt, beginnend mit dem Empfang eines ersten Signals aus dem 46 Lichtjahre entfernten Doppelsternsystem der Capella. Da es 92 Jahre dauert, bis eine Rückmeldung auf eine Antwort erwartet werden kann, überspannen die Erzählungen einen langen Zeitraum, bis 2118 die Antwort von Capella eintrifft und in Empfang genommen wird von einem Computer, der sich an der Schwelle des Bewusstseins befindet.
Gunns Erzählungen wurden mehrfach für Rundfunk und Fernsehen adaptiert.
Insbesondere wurde seine Kurzgeschichtenserie The Immortals zu einer von ABC 1969 bis 1970 in 16 Folgen gesendeten Fernsehserie verarbeitet, zu der Gunn wiederum eine Romanfassung schrieb. Die in der Vorlage präsente Sozialkritik erschien nicht in der Fernsehserie, die sich auf die Jagd auf die Unsterblichen konzentrierte.
Die Erzählung The Cave of Night (1955) diente als Vorlage für die Episode Man in Orbit (1959) der Fernsehserie Westinghouse Desilu Playhouse, die auf CBS lief.
Übersetzungen von Gunns Werken liegen auf Deutsch, Französisch, Italienisch, Niederländisch, Russisch, Polnisch und Kroatisch vor.
Auszeichnungen
Gunn wurde vielfach ausgezeichnet, vor allem für seine biographischen und literaturwissenschaftlichen Arbeiten sowie als langjähriges und verdientes Mitglied des SF-Fandom.
Außerdem war er Ehrengast der Worldcon 2013 (LoneStarCon 3).
Die Serien sind nach dem Erscheinungsjahr des ersten Titels sortiert.
Dr. Russell Pearce
New Blood. 1955. (Kurzgeschichte)
Not So Great an Enemy. 1957. (Kurzgeschichte, auch als: Medic)
Deutsch: Der Heiler. In: Wulf H. Bergner (Hrsg.): Als der Wind starb. Heyne SF&F #3288, 1972. Auch als: Kein allzu großer Feind. In: Hans Joachim Alpers, Werner Fuchs: Die Fünfziger Jahre II. Edition SF im Hohenheim Verlag, 1982, ISBN 3-8147-0019-8.
The Immortals. 1958. (Kurzgeschichte, auch als: Immortal und The Immortal)
Donor (1960, Kurzgeschichte)
The Immortals. 1962. (Sammlung)
Deutsch: Der Gamma-Stoff. Goldmanns Zukunftsromane #57, 1964.
Elixir. 2004. (Kurzgeschichte)
Station in Space
The Cave of Night. 1955. (Kurzgeschichte)
Deutsch: Die Höhle der Nacht. In: Lothar Heinecke (Hrsg.): Galaxis Science Fiction, #1. Moewig, 1958. Auch als: Höhle der Nacht. In: Walter Spiegl (Hrsg.): Science-Fiction-Stories 68. Ullstein 2000 #131 (3351), 1977, ISBN 3-548-03351-2.
Hoax. 1955. (Kurzgeschichte)
The Big Wheel. 1956. (Kurzgeschichte)
Space Is a Lonely Place. 1957. (Kurzgeschichte)
Powder Keg. 1958. (Kurzgeschichte)
Station in Space. 1958. (Sammlung)
Deutsch: Science-Fiction-Stories 70. Ullstein 2000 #138 (3404), 1978, ISBN 3-548-03404-7 (enthält nur Übersetzungen der drei Amos-Danton-Geschichten Hoax, Powder Keg und Space Is a Lonely Place).
Riley and Asha: Tales from the Transcendental. (Kurzgeschichten)
The Escape of the Adastra: Asha’s Story. 2017.
Transcendental Mission: Riley’s Story. 2017.
Weighty Matters: Tordor’s Story. 2017.
Arriving at Terminal: XI’s Story. 2017.
The Ganymede Gambit: Jan’s Story. 2017.
Love and Death and the Star that Shall Not Be Named: Kom’s Story. 2017.
The Final Commandment: Trey’s Story. 2018.
The Seeds of Consciousness: 4107’s Story. 2018.
Romane
Star Bridge. 1955. (mit Jack Williamson)
Deutsch: Brücke zwischen den Sternen. Moewig (Terra Extra #177), 1968. Auch: Pabel (Utopia Classics #21), 1980.
This Fortress World. 1955.
Deutsch: Von Mauern umgeben. Pabel (Utopia Grossband #60), 1957. Auch als: Das Vermächtnis der Terraner. Bastei Lübbe Science Fiction Taschenbuch #25, 1973, ISBN 3-404-00076-5.
The Joy Makers. 1961.
Deutsch: Die Wächter des Glücks. Pabel (Utopia Zukunft #290), 1966. Auch als: Wächter des Glücks. Ullstein 2000 #136 (3389), 1966, ISBN 3-548-03389-X.
The Immortal. 1970. (Romanfassung der Fernsehserie The Immortal, die auf Gunns Kurzgeschichtenserie basiert)
The Magicians. 1976.
Deutsch: Die Tagung der Magier. Goldmann Science Fiction #23320, 1979, ISBN 3-442-23320-8.
Deutsch: Ein Ungeheuer namens Smith. In: Franz Rottensteiner (Hrsg.): Die Ratte im Labyrinth. Insel (Phantastische Wirklichkeit: Science Fiction der Welt), 1971.
A Word for Freedom. 1954.
Open Warfare. 1954.
Sine of the Magus (1954, auch als: The Magicians)
Deutsch: Die Zauberkünstler. In: Die Hexen sind unter uns. 1977.
Danger Past. 1954.
The Beautiful Brew. 1954.
Deutsch: Die Schaumgeborene. In: Die Hexen sind unter uns. 1977.
The Hedonist. 1955. (auch als: Name Your Pleasure)
Without Portfolio. 1955.
The Unhappy Man. 1955.
Shill. 1955.
Feeding Time. 1955.
Deutsch: Zeit zum Füttern. In: Herbert W. Maly (Hrsg.): Der metallene Traum. Heyne SF&F #3389, 1971, ISBN 3-453-30284-2. Auch als: Fütterungszeit. In: Die Venus-Fabrik. 1976.
Little Orphan Android. 1955.
Deutsch: Versuchsmodell. In: Die Venus-Fabrik. 1976.
The Naked Sky. 1955. (auch als The Joy Ride)
The Gravity Business. 1956.
Tsylana. 1956.
Deutsch: Neurotiker. In: Die Venus-Fabrik. 1976.
The Stilled Patter. 1956.
Deutsch: Keine Kinder. In: Die Venus-Fabrik. 1976.
Every Day Is Christmas. 1957.
Deutsch: Alle Tage ist Weihnachten. In: Die Venus-Fabrik. 1976.
Green Thumb. 1957.
Skin Game. 1958.
Deutsch: Der betrogene Betrüger. In: Die Venus-Fabrik. 1976.
Deadly Silence. 1958.
The Reason Is with Us. 1958.
The Girls Who Were Really Built. 1958. (auch als Neosho’s Choicest)
Deutsch: Die gutgebauten Mädchen. In: Thomas Landfinder (Hrsg.): Liebe 2002. Bärmeier & Nikel, 1971. Auch Fischer Orbit #22, 1973, ISBN 3-436-01687-X. Auch als Die Venus-Fabrik. In: Die Venus-Fabrik. 1976.
When the Shoe Fits. 1958. (auch als Cinderella Story)
The Last Word. 1964.
Deutsch: Das letzte Wort. In: Die Venus-Fabrik. 1976.
The Man Who Would Not. 1969. (auch als: The Power and the Glory)
Hans Joachim Alpers, Werner Fuchs, Ronald M. Hahn, Wolfgang Jeschke: Lexikon der Science Fiction Literatur. Heyne, München 1991, ISBN 3-453-02453-2, S. 505–507.
Stephen H. Goldman: Gunn, James E(dwin). In: Noelle Watson, Paul E. Schellinger: Twentieth-Century Science-Fiction Writers. St. James Press, Chicago 1991, ISBN 1-55862-111-3, S. 344–346.
Robert Reginald: Science Fiction and Fantasy Literature. A Checklist, 1700–1974 with contemporary science fiction authors II. Gale, Detroit 1979, ISBN 0-8103-1051-1, S. 925.
Robert Reginald: Contemporary Science Fiction Authors. Arno Press, New York 1974, ISBN 0-405-06332-6, S. 116 f.
Donald H. Tuck: The Encyclopedia of Science Fiction and Fantasy through 1968. Advent, Chicago 1974, ISBN 0-911682-20-1, S. 195 f.
↑Communications erschien im September in Startling Stories, Paradox wurde als erste Kurzgeschichte angenommen, erschien aber erst im Oktober in Thrilling Wonder Stories.