Pieper studierte von 1923 bis 1928 an den Universitäten Berlin und Münster Philosophie, Rechtswissenschaft und Soziologie. Ein für ihn entscheidender Lehrer war Erich Przywara.[1] Seine Promotion erfolgte im Februar 1928.[2] Anschließend arbeitete er als Assistent bei Johann Plenge.
Nach Tätigkeiten als Soziologe und freier Schriftsteller war Pieper ab 1946 zugleich Professor an der Pädagogischen Hochschule in Essen (bis 1972) und ordentlicher Professor für philosophische Anthropologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster. Er lehrte dort von 1946 als Privatdozent und als Professor von 1950 bis 1972. Nach seiner Emeritierung hielt er bis 1996 Vorlesungen.[3]
Piepers Ansichten wurzeln – wie sein Ideenfundus – vor allem in der ScholastikThomas von Aquins sowie in der Lehre Platons. In sechzig Jahren Arbeit als Philosoph und Schriftsteller hat Pieper das Ziel verfolgt, die Weisheitstradition des Abendlandes in klarer Sprache zu vermitteln und ihre bleibende Aktualität aufzuzeigen. In den 1960er Jahren versuchte er mit den drei Fernsehspielen Der Tod des Sokrates, Platons Gastmahl und Kümmert euch nicht um Sokrates, die Gestalt des antiken Denkers einer breiten Öffentlichkeit nahezubringen.
Josef Pieper heiratete im April 1935 Hildegard Münster. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor, darunter der Sozialwissenschaftler Michael Pieper.[4]
Rolle im Nationalsozialismus
Der Philosoph Kurt Flasch sieht in einer Schrift Piepers aus dem Jahr 1934 eine Unterstützung der nationalsozialistischen Sozialpolitik. Flasch schränkt jedoch ein, dass bei Pieper „nur in seiner Denkwelt der Jahre 1933 und 1934“ Versuche sichtbar würden, auf diesem Gebiet als „Brückenbauer“ zwischen Katholizismus und dem NS-Staat zu wirken.[5] Pieper habe in der Frühphase des NS-Regimes „die ethisch richtige Absicht des Nationalsozialismus klar[gestellt] und [...] den zögernden Katholiken die gleichgerichtete Soziallehre der Enzyklika Quadragesimo anno von 1929“ erklärt und so an seiner Wirkungsstätte Münster in Gemeinschaft mit den vorgenannten Gelehrten dazu gedient, „den Münsteraner Katholiken die Distanz zum Nationalsozialismus aus[zu]reden“.
Mit Schmaus und Lortz habe Pieper darin übereingestimmt, dass „Hitler und der Papst [...] dieselben Hauptfeinde“ hätten, namentlich „rechts den Liberalismus, dieses Erbübel der Moderne, das der gegenwärtigen Krise zugrunde liege, und links den Bolschewismus, vor dem Hitler uns gerettet habe“. „Er, Pieper, beweise den katholischen Christen die identische Zielsetzung Hitlers und des Papstes.“ So heißt es in Piepers Buch Das Arbeitsrecht des Neuen Reiches und die Enzyklika Quadragesimo anno (1934): „Die sehr weitreichenden, in einzelnen Punkten erstaunlichen Übereinstimmungen zwischen dem Richtbild der Enzyklika und den sozialpolitischen Zielen und Verwirklichungen des nationalsozialistischen Staates sollen deswegen so nachdrücklich verdeutlicht werden, damit den katholischen Christen außerhalb der NSDAP die Brücke sichtbar werde, die das Gedankengut der christlichen Soziallehre verbindet mit der nationalsozialistischen Sozialpolitik, dem Kernstück der Innenpolitik des dritten Reiches.“[6]Hans Maier schrieb in einer Rezension, dass Flasch in seiner Schrift über Pieper die Vermutung widerlege, dass dieser ein „Wegbereiter des Nationalsozialismus“ gewesen sei. Pieper habe dem NS-Staat „keine Anstöße, keine Anregungen“ gegeben, sich aber anfänglich von nationalsozialistischen Versuchen täuschen lassen, den kriminellen Charakter dieses Staates zu verbergen.[7]
Laut Hans Maier habe sich Pieper rasch von seinem Text bzw. von seiner positiven Bewertung der NS-Sozialpolitik distanziert.[8] In seinem ebenfalls 1934 erschienenen Werk über die Kardinaltugend der Tapferkeit warnte Pieper unter Bezugnahme auf die Verhältnisse in Deutschland bereits vor einem „zerstörerischen Gegenschlag eines Irrationalismus“, der „dem Primat des […] Geistes selbst […] den Krieg erklärt“ habe.[9] Außerdem kritisierte Pieper den von den Nationalsozialisten betriebenen „Umbau der Gesellschaft in eine Gemeinschaft“. Wegen der in seinen Schriften zunehmend sichtbar werdenden Ablehnung des Nationalsozialismus wurde Pieper schließlich mit einem Publikationsverbot belegt. Der Philosoph Fernando Inciarte ordnet Pieper daher als einen Gegner des Nationalsozialismus ein, der jedoch nicht die Grenze zum offenen Widerstand überschritten und deshalb „die Ehre, als Oppositioneller zu gelten, niemals für sich in Anspruch genommen“ habe. Die Schriften Piepers hätten aber nachweislich Oppositionelle wie Dietrich Bonhoeffer beeinflusst.[10]
1999 wurde in Münster eine Straße nach Josef Pieper benannt.[12]
Die Bischöflich Münstersche Fachschule für Sozial- und Gesundheitswesen, die in Rheine-Bentlage in einem 1910 im Salinenpark errichteten ehemaligen Kinderheim residiert, wurde 2000 zu Ehren des Namensträgers in Josef-Pieper-Schule umbenannt.[13]
Josef Pieper Stiftung
Die 1991 gegründete Josef-Pieper-Stiftung pflegt das Lebenswerk Josef Piepers. Alle fünf Jahre verleiht sie den Josef-Pieper-Preis für Philosophie. Der Vorstand besteht aus Hanns-Gregor Nissing, Berthold Wald und Ulrich Schulze. Dem wissenschaftlichen Beirat gehören Stephan Herzberg, Walter Mesch, Thomas Möllenbeck und Cornelius Pieper an.[14]
Schriften
Originalausgaben
Die ontische Grundlage des Sittlichen nach Thomas von Aquin. Dissertation, Münster 1928
Was heißt philosophieren? Vier Vorlesungen. Kösel, München 1948
Über das Ende der Zeit. Eine geschichtsphilosophische Meditation. Kösel, München 1950
Über die Gerechtigkeit. Kösel, München 1953
Thomas-Brevier. Lateinisch-Deutsch. Zusammengestellt, verdeutscht und eingeleitet von J. P. Kösel, München 1956
Glück und Kontemplation. Kösel, München 1957
Hinführung zu Thomas von Aquin. Zwölf Vorlesungen. Kösel, München 1958
„Scholastik“. Gestalten und Probleme der mittelalterlichen Philosophie. Kösel, München 1960
Über den Glauben. Ein philosophischer Traktat. Kösel, München 1962
Zustimmung zur Welt. Eine Theorie des Festes. Kösel, München 1963
Unaustrinkbares Licht. Das negative Element in der Weltansicht des Thomas von Aquin. Kösel, München 1963, Zweite Auflage (Die erste Auflage erschien unter dem Titel Philosophia negativa, Kösel, München 1953)
Verteidigungsrede für die Philosophie. Kösel, München 1966
Tod und Unsterblichkeit. Kösel, München 1968
Über die Liebe. Kösel, München 1972
Noch wußte es niemand. Autobiographische Aufzeichnungen 1904–1945. Kösel, München 1976
Über den Begriff der Sünde. Kösel, München 1977
Noch nicht aller Tage Abend. Autobiographische Aufzeichnungen 1945–1964. Kösel, München 1979
Buchstabier-Übungen. Aufsätze – Reden – Notizen. Kösel, München 1980
Helmut Kuhn: Die Weisheit der Alten in unserer Zeit. Zum 70. Geburtstag von Josef Pieper. In: Philosophisches Jahrbuch. 81, 1974, S. 350–361.
Paul Breitholz, Markus van der Giet (Hrsg.): Josef Pieper. Schriftenverzeichnis 1929–1989. Kösel, München 1989.
Die Wahrheit und das Gute. Zwei Tagungen der Josef-Pieper-Stiftung. LIT, Berlin 1999, ISBN 3-8258-2370-9.
Bernard N. Schumacher: Rechenschaft über die Hoffnung. Josef Pieper und die zeitgenössische Philosophie. Matthias-Grünewald, Ostfildern 2000, ISBN 3-7867-2278-1.
Wissen und Weisheit. Zwei Symposien zu Ehren von Josef Pieper (1904–1997). LIT, Berlin 2005, ISBN 3-8258-8527-5.
Bernard N. Schumacher (Hrsg.): A Cosmopolitan Hermit. Modernity and Tradition in the Philosophy of Josef Pieper. CUA Press, Washington D.C. 2009, ISBN 978-0-8132-1708-6.
Berthold Wald: Josef Pieper (1904–1997). In: Jürgen Aretz, Thomas Brechenmacher, Stefan Mückl (Hrsg.): Zeitgeschichte in Lebensbildern. Katholische Persönlichkeiten des 20. und 21. Jahrhunderts, Band 13. Aschendorff Verlag, Münster 2022, ISBN 978-3-402-26678-6, S. 163–178.
Albert-Henri Kühlem: Josef Piepers „Denkübung“ im Glauben. Aschendorff Verlag, Münster 2017, ISBN 978-3-402-12006-4.
↑Flasch, Kurt, Katholische Wegbereiter des Nationalsozialismus, Frankfurt a. M. 2021, ISBN 978-3-465-02706-5, S. 15.
↑Pieper, Josef, Das Arbeitsrecht des Neuen Reiches und die Enzyklika Quadragesimo anno, Münster 1934, S. 3.
↑Hans Maier: Ordnung, Führung, Bindung, Süddeutsche Zeitung, 15. November 2021, S. 9.
↑Hans Maier: Ordnung, Führung, Bindung, Süddeutsche Zeitung, 15. November 2021, S. 9.
↑Josef Pieper: Vom Sinn der Tapferkeit, Leipzig 1934, S. 17.
↑Fernando Inciarte: Über Josef Pieper. In: Hans M. Baumgartner, Klaus Jacobi, Henning Ottmann (Hrsg.): Philosophisches Jahrbuch, 105. Jahrgang, Band 1, Baden-Baden 1998. S. 238–240, hier: S. 239.
↑Preisträger. In: www.kath-akademie-bayern.de. Abgerufen am 27. Juli 2020.