Eine Metagenomik-Analyse von Proben aus dem Oberflächenwasser des Yangshan-Tiefwasserhafens (洋山深水港yángshān shēnshuǐgǎng, bei Shanghai) hatte zuvor eine Reihe von viralen Contigs ergeben, von denen einige offenbar vollständige Virusgenome darstellen.[1]
Genom und Proteom
Eine Clusteranalyse zeigte, dass diese Virensequenzen in Verbindung standen zu bereits zuvor beschriebenen Viren von Archaeen-Wirten zweier Gruppen:[2]
All dies zeigt, dass sie Mitglieder dieser Virusklasse sind.
Fünf der Genome vom Yangshan-Tiefwasserhafen (YSH_462411, YSH_174770, YSH_922147, YSH_1032793 und daneben auch YSH_150918), konnten sogar als zirkulär geschlossene Contigs rekonstruiert (assembliert) werden. Man kann daher davon ausgehen, dass es sich um vollständige Virusgenome handelt.[2]
Vier dieser Viren (YSH_462411, YSH_174770, YSH_922147 und YSH_1032793) waren mit marinen Archaeen der Klasse Nitrososphaeria assoziiert.[A. 1]
Da die Archaeen dieser Klasse früher als Thaumarchaeota bezeichnet wurden, bezeichnet man diese Viren informell auch als Mathaviren (englischmathaviruses), ein Kofferwort aus maritime thaumarcaeal viruses.
Systematik
Diese vier Viren können in zwei neue Familien eingeteilt werden: YSH_462411, YSH_174770 und YSH_922147 werden in der Familie Yangangviridae zusammengefasst! YSH_1032793 wird dagegen monotypisch einer separaten Familie Yanlukaviridae zugeordnet. Alle vier zusammen sind in der neuen OrdnungJuravirales vereint.[2][1]
Die Etymologie der Namen der Ordnung und der untergeordneten Taxa ist wie folgt:[2]
Die Bezeichnung der Ordnung Juravirales leitet sich ab von litauischjūra‚Meer‘, gefolgt von der Endung ‚-virales‘ für Virusordnungen. Dies deutet an, dass es sich um eine Ordnung maritimer (im Meer vorkommender) Viren handelt, wozu auch der Yangshan-Tiefseehafen zählt.
Die Bezeichnung der Familie Yangangviridae ist eine Zusammenziehung (Portemanteau) aus Yangshan (chinesisch洋山yángshān, aus den Silbenzeichen 洋yáng, deutsch ‚Silbermünze‘ und 山shān, deutsch ‚Berg‘) und gang (港gǎng, deutsch ‚Hafen‘, vgl. kantonesisch香港heung-kóng, deutsch ‚Hongkong‘).[A. 2]
Die Bezeichnung der Familie Yanlukaviridae ist eine Zusammenziehung von ‚Yangshan‘[A. 3] und kroatischluka‚Hafen‘, gefolgt von der Endung ‚-viridae‘ für Virusfamilien.
Der Gattungsname Nohelivirus ist eine Zusammenziehung von englischno MCM helicase virus, dieser Gattung fehlt die MCM-Helikase (MCM = Minichromosome maintenance).
Der Gattungsname Senitvirus ist eine Zusammenziehung von englischsea Nitrososphaeria virus.
Der Gattungsname Mathaucavirus ist eine Zusammenziehung von englischmarine thaumarchaeal Caudoviricetes virus und zeigt an, dass es sich um Mathaviren der Klasse Caudoviricetes handelt.
Der Gattungsname Sweetvirus beruht auf der Feststellung, dass das einzige Mitglied dieser Gattung, YSH_1032793, für einen Saccharid-Transporter der SWEET-Superfamilie[6] kodiert.
Anmerkungen
↑Wenn in Metagenomik-Analysen Genome einer Organismen- oder Virenart immer zusammen mit denen einer anderen gefunden werden, dann nennt man diese Genome ‚assoziiert‘. Nur über weitere Indizien kann dann geschlossen werden, dass tatsächlich Parasitismus vorliegt, etwa eine Virus-Wirt-Beziehung, auch wenn das meist naheligt. Ein Virus könnte etwa Symbionten oder Krankheitserreger des assoziierten Organismus parasitieren, die im Metagenomik-Verfahren übersehen wurden. In seltenen Fällen könnte ein assoziiertes Virus dem zellulären Organismus auch als Nahrung gedient haben. Aus diesem Grund verwendet man in der Metagenomik lieber den neutralen Begriff ‚assoziiert‘.
↑Mit der chinesische Bezeichnung 病毒科bìngdúkē, deutsch ‚Virusfamilie‘, ‚-viridae‘ (vgl. 冠狀病毒科guàn zhuàng bìngdúkē, deutsch ‚Coronaviridae‘, 擬菌病毒科nǐ jūn bìngdúkē, deutsch ‚Mimiviridae‘) wäre der chinesische Ausdruck für diese Familie aber 洋港病毒科yáng gǎng bìngdúkē, deutsch ‚Yang-gang-viridae‘ mit zwei aufeinanderfolgenden ‚g‘, eines am Ende der ersten und eines am Anfang der zweiten Silbe.
↑Auch hier wurde das ‚g‘ der chinesischen Silbe 洋yáng abgeschnitten.