Nachdem die Pfalz 1816 zum Königreich Bayern gekommen war, wurden die Kantone, teilweise mit geändertem Gebietsstand, zunächst beibehalten und waren Teile der Verwaltungsstruktur bis 1852.
Nach amtlichen Tabellen aus den Jahren 1798 und 1811 gehörten zum Kanton Mutterstadt folgende Gemeinden, die verwaltungsmäßig Mairies zugeteilt waren (Ortsnamen in der damaligen Schreibweise);[1][2] die Einwohnerzahlen (Spalte „EW 1815“) sind einer Statistik von 1815 entnommen;[3] die Spalte „vor 1792 zugehörig“ nennt die landesherrliche Zugehörigkeit vor der französischen Inbesitznahme.[4]
Von der französischen Direktorialregierung wurde 1798 die Verwaltung des Linken Rheinufers nach französischem Vorbild reorganisiert und damit u. a. eine Einteilung in Kantone übernommen. Die Kantone waren zugleich Friedensgerichtsbezirke. Von 1798 bis 1800 amtierte Gutmann als Friedensrichter für den Kanton in Oggersheim. Der ehemalige katholische Geistliche Joseph Igna(t)z übte von 1800 bis 1812 in Mutterstadt das Amt des Friedensrichters aus. Ihm folgte von 1812 bis 1815 der vereidigte Kantonsdolmetscher Karl Friedrich Koch aus Bouxville im Departement Bas Rhin (Unterelsaß) mit Sitz in Oggersheim. Der Kanton Mutterstadt gehörte zum Arrondissement Speyer im Departement Donnersberg. Der Kanton gliederte sich in 17 Gemeinden, die von zwölf Mairies verwaltet wurden.[2]
Aufgrund der auf dem Wiener Kongress getroffenen Vereinbarungen kam das Gebiet im Juni 1815 zu Österreich. Die gemeinschaftliche österreichisch-bayerische Verwaltung wurde vorerst beibehalten. Am 14. April 1816 wurde zwischen Österreich und Bayern ein Staatsvertrag geschlossen, in dem ein Austausch verschiedener Staatsgebiete vereinbart wurde. Hierbei wurden die linksrheinischen österreichischen Gebiete zum 1. Mai 1816 an das Königreich Bayernabgetreten.[6]
Der bayerische Kanton Mutterstadt gehörte im neu geschaffenen Rheinkreis zunächst zur Kreisdirektion Frankenthal.[7][8] Nach der Untergliederung des Rheinkreises in Landkommissariate (1818) gehörte der Kanton Mutterstadt zum Landkommissariat Speyer.[9] Als Friedensrichter residierte Wilhelm Wolff in Oggersheim und Mutterstadt, von 1816/1817 bis 1845. In seiner Amtszeit 1825 wurde das alte Kantonsgefängnis in Oggersheim durch das neue Gefängnis in Mutterstadt ersetzt. Sein Nachfolger Carl Joseph Falciola (1805–1866) aus Lauterecken hatte von 1846 bis 1860 seinen Sitz in Mutterstadt. In den Revolutionsjahren 1848/1949 war Falciola mit der Aufklärung der Revolutionsgeschehnisse befasst u. a. in Rheingönheim durch Zeugenverhöre.
Das Rentamt, eine zu örtlichen Einnehmereien übergeordnete Finanzbehörde mit einem Rentamtsbezirk, blieb in Oggersheim. Vorsteher des Rentamts war der Rentmeister. Für zehn Jahre von 1817 bis 1827 war dies Samuel Erdmann, sein Nachfolger für kurze Zeit im Jahr 1828 vermutlich Peter Anton Bötz. Von 1828 bis 1859 war für 31 Jahre Philipp Heinrich Joseph Pauli (1828–1881) Rentmeister.
Zum bayerischen Kanton Mutterstadt gehörten nach 1817 insgesamt 17 Gemeinden:[9][10][11]
In einer 1836 erstellten Statistik wurden im Kanton Mutterstadt 18.269 Einwohner gezählt, davon waren 6.783 Katholiken, 10.712 Protestanten, 215 Mennoniten und 558 Juden.[10]
Im Jahr 1852 wurde für den Kanton Mutterstadt nun als Distriktsgemeinde, ebenso für alle anderen Kantone in der Pfalz, zur überörtlichen Planung und Verwaltung (u. a den Unterhalt der Distriktsstraßen) ein Distriktsrat- und ausschuss, besetzt aus Vertretern der Kantonsgemeinden eingeführt.[12]
Literatur
Theodor Karst: Das kurpfälzische Oberamt Neustadt an der Haardt. Speyer 1960. (Veröff. zur Gesch. von Stadt und Kreis Neustadt an der Weinstr, Bd. 1.)
Ders.: Die Oberschultheißerei Oggersheim. Pfalzgräflich-kurpfälzische Territorialpolitik und Verwaltung im Gebiet von Stadt und Kreis Ludwigshafen. Ludwigshafen am Rhein 1968. (Pfälz. Familien- und Wappenkde., 5. Beih.)
Einzelnachweise
↑Vollständige Sammlung der Verordnungen und Beschlüsse des Bürger Regierungs-Kommissärs und der Central-Verwaltungen der vier neuen Departemente auf dem linken Rheinufer, Band 1, Ausgabe 2, Wirth, 1798, S. 62, 66 (Google Books)
↑ abStatistisches Jahrbuch für das Departement von Donnersberg, 1811, S. 184 (Google Books)
↑Statistisches Jahrbuch für die deutschen Länder zwischen dem Rhein, der Mosel und der französischen Grenze: auf das Jahr 1815, Kupferberg, 1815, S. 140 (Google Books)
↑ abWilhelm von der Nahmer: Handbuch des Rheinischen Particular-Rechts, Band 3, Sauerländer, Frankfurt 1832, S. 291, 342, 346, 394 (Google Books)
↑F. W. A. Schlickeysen: Repertorium der Gesetze und Verordnungen für die königl. preußischen Rheinprovinzen, Trier: Leistenschneider, 1830, S. 13 ff. (dilibri.de)
↑Münchener Vertrag vom 14. April 1816 in G. M. Kletke: Die Staats-Verträge des Königreichs Bayern ... von 1806 bis einschließlich 1858, Regensburg, Pustet, 1860, S. 310 (Google Books)
↑W. Tielcke: Schütz´s allgemeine Erdkunde, Band 16, Wien: Doll, 1831, S. 134 ff. (Google Books)
↑Philipp August Pauli: Gemälde von Rheinbaiern, Frankenthal: Enderes u. Hertter, 1817, S. 44 (Google Books)
↑ abHeinrich Berghaus: Hertha: Zeitschrift für Erd-, Völker- und Staatenkunde, Band 2, Cotta, Stuttgart 1825, s. 660 (Google Books)
↑ abMichael Frey: Versuch einer geographisch-historisch-statistischen Beschreibung des kön. bayer. Rheinkreises, Zweiter Theil, Speier: Neidhard, 1836, S. 177 ff. (Google Books)
↑Amtsblatt der Königl. baierischen Regierung des Rheinkreises vom 26. November 1817: Bekanntmachung vom 17. November 1817, Kantonal-Eintheilung des Rheinkreises (bavarica.digitale-sammlungen.de)
↑Distrikts- u. Landraths-Gesetz vom 28. Mai 1852, Beck, 1856, S. 3 (Google Books)