Kunstkritik
Die Kunstkritik beschreibt, analysiert und beurteilt Kunstwerke der Bildenden Kunst aus der Gegenwart für ein kunstinteressiertes Publikum. Sie unterwirft aber auch Werke älteren Datums, z. B. die klassische Kunst, kritischer Neubewertung. Die Kunstkritik steht in einem Wechselverhältnis zum Kunstmarkt, der einen „Bedarf für Expertisen“ über die vom Kunsthandel vertriebenen Kunstwerke erzeugt.[1]
Publikationsmedien
Kunstkritiker machen es sich zur Aufgabe, mit Rezensionen und Aufsätzen Werke der Bildenden Kunst nach ästhetischen wie auch formalen Kriterien zu bewerten und einzuordnen. Ihre Kunstkritiken wurden und werden in entsprechenden Fachzeitschriften und Ausstellungskatalogen, in Buch- und Broschürenform als Monografien und auch im Feuilleton von Zeitungen sowie in Kunstmagazinen publiziert.
Geschichte
Kunstkritik (im weiteren Sinne von Kunsttheorie) kannten schon die Griechen und Römer. Bei ihnen waren die Künstler die „ersten Kunstkritiker“, z. B. Polyklet mit seinem berühmten Kanon.[2] Auch in der Renaissance waren es Künstler, die die wichtigsten Abhandlungen über die Kunst schrieben, so Leon Battista Alberti mit seinem Traktat über die Malerei (1436), der noch die Florentiner Maler im ausgehenden 15. Jahrhundert beeinflusste,[3] und Giorgio Vasari, der seinen Lebensbeschreibungen (Viten) der Künstler (1550) einen Traktat über die Kunst voranstellte.
Frankreich
Erst mit den öffentlichen Ausstellungen der Académie royale de peinture et de sculpture im Pariser Salon des 17. und 18. Jahrhunderts setzte sich eine professionelle Kunstkritik von Nicht-Künstlern (sogenannte Laienkritik) gegen das von den Akademiemitgliedern beanspruchte Beurteilungsmonopol durch. Zu den ersten Kunstkritikern gehörten die Schriftsteller Étienne La Font de Saint-Yenne und Denis Diderot. La Font des Saint-Yenne verfasste eine ausführliche Rezensionen der Salon-Aufstellung von 1746, die als selbstständige Broschüre ein Jahr später anonym in Den Haag erschien. Diderot verfasste zwischen 1759 und 1781 insgesamt neun Salon-Berichte für die Correspondance littéraire, einer von seinem Freund Friedrich Melchior Grimm im zweiwöchentlichen Turnus herausgegebenen handschriftlichen Zeitschrift, die insbesondere von adeligen Kreisen bezogen wurde.
Hundert Jahre später schrieb der avantgardistische Lyriker Charles Baudelaire als junger Schriftsteller ab 1845 ebenfalls mehrere Kritiken über die Pariser Salons mit deutlicher Parteinahme für die romantische Malerei und Ablehnung der realistischen und Freilichtmalerei.
Deutschland
In Deutschland entstand die Kunstkritik im Zeitalter der Aufklärung als ein Kulturtransfer des französischen Kunstdiskurses, insbesondere befördert durch die Zeitschriftengründungen Johann Christoph Gottscheds im Buchdruck- und Buchhandelszentrum Leipzig.[4] In Gottscheds Rezensionszeitschriften (ab 1747) nahm die Literatur zwar das Hauptgewicht ein, doch wurden in ihnen in wachsendem Maße die bildenden Künste in Form von Rezensionen kunsttheoretischer Schriften und Übersetzungen von Vorträgen aus der Pariser Académie des inscriptions et belles-lettres zunehmend thematisiert; aber nur in Ausnahmefällen bezogen sie sich direkt auf Kunstwerke.[5] Während der Zeit der Nazi-Diktatur wurde durch Joseph Goebbels ein Verbot der Kunstkritik erteilt. Unfreiwilliger Auslöser des Verbotes war August Haußleiter, der in einer Kritik zuvor einen Günstling Julius Streichers angegriffen hatte.[6] Seit dem ausgehenden 20. Jahrhundert wird die zeitgenössische Kunstkritik als eine in der Krise befindliche Gattung wahrgenommen.[7]
Preise
Siehe auch
Literatur
- Walter Benjamin: Werke und Nachlaß, Bd. 3: Der Begriff der Kunstkritik in der deutschen Romantik. Suhrkamp, Frankfurt/M. 1973, ISBN 3-518-58501-0.
- Christian Demand: Die Beschämung der Philister. Wie die Kunst sich der Kritik entledigte. zu Klampen, Springe 2003, ISBN 3-934920-32-2.
- Christian Demand: Wie kommt die Ordnung in die Kunst?. zu Klampen, Springe 2010, ISBN 978-3-86674-057-0.
- Albert Dresdner: Die Entstehung der Kunstkritik im Zusammenhang der Geschichte des europäischen Kunstlebens. EVA, Hamburg 2001, ISBN 3-86572-409-4.
- Stefan Germer, Hubertus Kohle: Spontaneität und Rekonstruktion. Zur Rolle, Organisationsform und Leistung der Kunstkritik im Spannungsfeld von Kunsttheorie und Kunstgeschichte. In: Martin Warnke, Martin Gosebruch, Peter Ganz, Nikolaus Meier (Hrsg.): Kunsttheorie und Kunstgeschichte. 1400–1900 (Wolfenbütteler Forschungen; Bd. 48). Harrassowitz, Wiesbaden 1991, S. 287–311, ISBN 3-447-03102-6.
- Dorit Kluge: Kritik als Spiegel der Kunst. Die Kunstreflexionen des La Font de Saint-Yenne im Kontext der Entstehung der Kunstkritik im 18. Jahrhundert (Kunst- und kulturwissenschaftliche Forschungen; Bd. 7). VFG, Weimar 2009, ISBN 978-3-89739-622-7 (zugl. Dissertation, Universität Koblenz 2007).
- Kunstforum International, Band 221 (Mai–Juni 2013): Zur Lage der Kunstkritik
- Harry Lehmann (Hrsg.): Autonome Kunstkritik (Ableger; Bd. 12), mit Beiträgen von Peter Bürger, Christian Demand, Jörn-Peter Hiekel, Hanno Rauterberg, Harry Lehmann und Wolfgang Ullrich, Kadmos Kulturverlag, Berlin 2012, ISBN 978-3-86599-158-4.
- Harry Lehmann: »Autonome Kunstkritik – Ein Plädoyer«, in: Weißbuch Kulturjournalismus, hg. v. W. Lamprecht, Wien: Löcker 2012, S. 358–365.
- Harry Lehmann: »Komplexität und Kritik. Eine Modellanalyse anhand von Anatoly Osmolovskys ›Rot Front – Leftover‹«, in: springerin. Hefte für Gegenwartskunst, Band XVIII Heft 3 – Sommer 2012, S. 54–57.
- Carla Lonzi: „Die Einsamkeit des Kritikers“ in: diess. Selbstbewusstwerdung. Schriften zu Kunst und Feminismus, hrsg. von Giovanna Zapperi, Berlin: b_books 2021, S. 47–52
- Stefan Lüddemann: Kunstkritik als Kommunikation. Vom Richteramt zur Evaluationsagentur. Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden 2004, ISBN 3-8244-4565-4 (zugl. Dissertation, Universität Hagen 2003).
- Niklas Luhmann: Die Kunst der Gesellschaft. Suhrkamp, Frankfurt/M. 1995, ISBN 3-518-28903-9.
- Walther Müller-Jentsch: Kunstkritik als literarische Gattung. Gesellschaftliche Bedingungen ihrer Entstehung, Entfaltung und Krise. In: Berliner Journal für Soziologie, Jg. 22 (2012), Heft 4, S. 539–568, ISSN 0863-1808.
- Johannes Thomas: Logik des Zufalls. Kunstkritik im Kontext von Moderne, Postmoderne und Antike. Essays und Analysen (Jahresring. Jahrbuch für moderne Kunst; Bd. 44). Oktagon, Köln 1997, ISBN 3-89611-039-X.
- Lionello Venturi: Geschichte der Kunstkritik (Storia della critica d’arte, 1968). Piper, München 1972, ISBN 3-492-01978-1.
- Margrit Vogt: Von Kunstworten und -werten. Die Entstehung der deutschen Kunstkritik in der Periode der Aufklärung. De Gruyter, Berlin 2010, ISBN 978-3-11-023318-6.
- Tasos Zembylas: Kunst oder Nichtkunst. Über Bedingungen und Instanzen ästhetischer Beurteilung. WUV, Wien 1997, ISBN 3-85114-315-9.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Niklas Luhmann: Die Kunst der Gesellschaft, S. 135.
- ↑ Albert Dresdner: Die Entstehung der Kunstkritik, S. 18.
- ↑ Lionello Venturi: Geschichte der Kunstkritik, S. 95.
- ↑ Margrit Vogt: Von Kunstworten und -werten. Die Entstehung der deutschen Kunstkritik in der Periode der Aufklärung. De Gruyter, Berlin 2010, S. 35f.
- ↑ Margrit Vogt: Von Kunstworten und -werten. Die Entstehung der deutschen Kunstkritik in der Periode der Aufklärung. De Gruyter, Berlin 2010, S. 40.
- ↑ August Haußleiter: Bayerische Rätsel – Eine Seite für August Haußleiter, kurze biographische Angaben unter einem Bild von ihm in Haußleiters Gastbeitrag in Der Spiegel vom 11. Oktober 1947, online unter spiegel.de.
- ↑ Walther Müller-Jentsch: Kunstkritik als literarische Gattung. Gesellschaftliche Bedingungen ihrer Entstehung, Entfaltung und Krise. In: Berliner Journal für Soziologie, Jg. 22 (2012), Heft 4, S. 559ff.
- ↑ kunstvereine.de (Memento des Originals vom 12. Oktober 2007 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.kunstvereine.de
- ↑ Österreichischer Staatspreis für Kunstkritik. Abgerufen am 28. September 2022.
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