Jüngere Arbeiten der Kulturgeographie ermitteln den ländlichen Raum funktional-genetisch[1] und können so den ländlichen Raum als endogene Raumkategorie ohne Abstützung auf andere Raumtypen identifizieren. Dieser Definitionsansatz ist deutlich trennschärfer als die Einteilung des BBR.
Bei der funktional-genetischen Definition werden typische ländliche Strukturelemente bestimmt, wie z. B. ein das Erscheinungsbild bestimmender Agrarsektor oder eine ökologische Ausgleichsfunktion, die der Einteilung als ländliche Region zugrunde liegen. Durch die Betrachtung von Entwicklungspfaden lassen sich ländliche Regionen nicht nur in ihrer qualitativen Entwicklung betrachten. Es entsteht so auch die Möglichkeit, ländliche Regionen mit charakteristischen Raumstrukturen näher zu beschreiben, z. B. Militärfolgelandschaft oder Kulturverlustlandschaften. Des Weiteren bietet die kulturgeographische Aufnahme des ländlichen Raums durch einen Strukturdiamant eine Grundlage für raumgestaltendes Eingreifen, z. B. durch regionale Raumplanungsvorhaben.
Die Siedlungen des ländlichen Raums sind mit ihrem Umfeld funktional eng verknüpft. Sie müssen nicht in Physiognomie und Grundriss zwingend vom Wirtschaftssektor geprägt sein. Als Siedlung wird jeglicher menschliche Wohn- und Arbeitsplatz mitsamt all seinen Gebäuden, Infrastruktureinheiten (Straßen, Wege, Plätze), Gärten und Höfen, Erholungsflächen und Freizeitzonen, sowie Sonderwirtschaftsflächen verstanden.
Flächenverantwortung für die Kulturlandschaften Österreichs – Ressourcentank für die Bevölkerung
Verbindende Elemente wie die geringere Bevölkerungsdichte, spezifische sozioökonomische Strukturen und soziale Lebensweisen, die sich generell von jenen der städtischen Regionen unterscheiden
2014 wurde der Begriff des hyper-ländlichen Raums[5] aufgebracht. Dieser Begriff beschreibt Gebiete, die sehr weit von der nächsten größeren Stadt entfernt sind (geografische Abgeschiedenheit), wo finanzielle Mittel fehlen, Dienstleistungen und Infrastrukturen sich zurückziehen und Orte durch Landflucht sterben (geringe Bevölkerungsdichte).[6][7] In dem Artikel werden 250 Gebiete als hyper-ländlicher Raum in einer Karte gezeigt, die 26 % der Landfläche Frankreichs betreffen.[5]
Vereinigte Staaten
In den Vereinigten Staaten werden als ländlicher Raum (englischrural area) Flächen bezeichnet, die sich nicht in Städten befinden.[8]
84 Prozent der Einwohner der USA leben in städtischem Gebiet (Urbanisierung), das aber nur zehn Prozent der Fläche des Landes beansprucht.[9][10] Das United States Census Bureau, das Landwirtschaftsministerium der Vereinigten Staaten und das Office of Management and Budget (OMB) sind zusammengekommen, um ländliche Räume genau zu definieren. Das United States Census Bureau definierte einen ländlichen Raum dabei im Zusammenhang mit der Bevölkerungsdichte, während das Landwirtschaftsministerium der Vereinigten Staaten einen ländlichen Raum als einen nicht städtischen Raum bezeichnete.[11]
Kanada
Laut der OECD leben mehr als 50 Prozent der kanadischen Bevölkerung in „ländlichen Gemeinschaften“ (englischrural communities), welche eine Bevölkerungsdichte unter 150 Einwohner pro km² aufweisen. Diese Definition hat sich in Kanada über die Zeit geändert und wird heute als Räume außerhalb von Siedlungen mit 1.000 oder mehr Einwohnern pro km² definiert.
Indien
Die National Sample Survey Organisation (NSSO) definiert einen ländlichen Raum in Indien wie folgt:
Einen Raum mit bis zu 400 Einwohner pro km²;
mindestens 75 % der männlichen Einwohner arbeiten in der Landwirtschaft[12]
Pierre Antoine Barthelemy, Claude Vidal, EUROSTAT: Der ländliche Raum der Europäischen Union. Report online, ec.europa.eu
Bernd Belina, Andreas Kallert, Michael Mießner, Matthias Naumann (Hrsg.): Ungleiche ländliche Räume. Widersprüche, Konzepte und Perspektiven. transcript, Bielefeld 2022, ISBN 978-3-8376-6013-5Open Access.
Gerhard Henkel: Der Ländliche Raum. Gegenwart und Wandlungsprozesse seit dem 19. Jahrhundert in Deutschland. 5., aktualisierte, ergänzte und neu bearbeitete Auflage. Gebr. Borntraeger, Stuttgart 2020 (Standardwerk zum Ländlichen Raum).
↑Timon Hoppe: Der ländliche Raum im 21. Jahrhundert – Neubewertung einer unterschätzten Raumkategorie. Verlag BOD, Norderstedt 2010, ISBN 978-3-8391-4522-7.
↑ÖROK, 2002, Österreichisches Raumentwicklungskonzept 2001, S. 130 ff.