Die Lebensmittelmikrobiologie ist ein Zweig der Mikrobiologie und befasst sich mit den Wechselwirkungen zwischen Mikroorganismen und Lebensmitteln. Sie gehört zu den systemorientierten, angewandten Wissenschaften und hat als empirische Wissenschaft eine sehr lange Entwicklungsgeschichte, beginnend mit dem Übergang der Menschheitsentwicklung von den Jägern und Sammlern zu sesshaften Gesellschaften mit dem Bedarf zur Lagerung und entsprechenden Zubereitung von Lebensmitteln.
Mikroorganismen können im Zusammenhang mit Lebensmitteln als nützlich oder als schädlich angesehen werden. Nützlich sind sie, wenn sie zur Herstellung von Lebensmitteln dienen, selbst als Lebensmittel dienen oder für die Biotechnologie oder Lebensmittelanalytik eingesetzt werden. Schädlich sind sie, wenn sie Lebensmittel verderben oder wenn pathogene Mikroorganismen durch Lebensmittel übertragen werden. Das Mindesthaltbarkeitsdatum wird mit einem Haltbarkeitstest bestimmt.
Weichwerden von Gemüse durch Bakterien, die Pektinasen, Hemicellulasen oder Cellulasen bilden und damit die Mittellamellen der Pflanzengewebe auflösen, zum Beispiel Erwinia carotovora
Rote Flecken auf Backwaren durch Bildung von Serratia marcescens-Kolonien („Wunder der blutenden Hostie“)
Mikrobielle Lebensmittel-Vergiftungen
Bei Stoffwechseltätigkeit, Wachstum und Vermehrung in Lebensmitteln (und zum Teil auch erst im Darm) bilden einige Mikroorganismen Toxine. Beispiele für toxinbildende Mikroorganismen:
Staphylococcus aureus und andere Staphylokokken (Gram-positive, kugelförmige Bakterien) bilden Enterotoxine, welche nach Aufnahme mit den Lebensmitteln zu Erbrechen und Durchfall führen.
Clostridium botulinum (Gram-positives, endosporenbildendes, anaerobes Bakterium, verursacht Botulismus). Das Botulinum-Toxin gehört zu den stärksten bekannten Giften, hat aber wegen der Funktion als Inhibitor der Nervenweiterleitung in starker Verdünnung auch einen anderen Nutzen gefunden, nämlich als "Verjüngungsdroge" Botox.
Clostridium perfringens (Gram-positives, Endosporen-bildendes, anaerobes Bakterium) kann neben seiner Funktion als Erreger des Wundbrandes/Gasbrandes auch Gastroenteritis verursachen, wobei die Toxine erst beim Wachstum und der Sporenbildung im Darm gebildet werden.
Bacillus cereus (Gram-positives, Endosporen-bildendes, aerobes Bakterium) kann sowohl ein Erbrechenstoxin (im Lebensmittel) als auch ein Diarrhoe-Toxin (im Darm) produzieren.
Vergiftung von als Lebensmittel verwendeten Meerestieren durch toxische Algen, wie Gonyaulax catenella und G. tamarensis (Dinophyceae), oder durch toxinbildende Bakterien
Lebensmittel als Überträger pathogener Mikroorganismen
pathogene Stämme des Darmbakteriums Escherichia coli wie EPEC (enteropathogen), EHEC (enterohämorrhagisch), EIEC (enteroinvasiv), ETEC (enterotoxisch); (die jeweils beiden letzten Buchstaben EC stehen für Escherichia coli)
Campylobacter jejuni, häufigster bakterieller Erreger von Gastroenteritiden, u. U. Nervenschädigung durch Autoimmunerkrankung (Guillain-Barré-Syndrom, GBS) als Spätfolge
die verschiedene Krankheiten verursachen, besonders Picorna-, Reo-, Arena-, Arbo-, Noro- und Adeno-Viren
Humanpathogene Krankheitserreger in und auf Pflanzen
Humanpathogene Krankheitserreger (beispielsweise aus dem Kot von Wildtieren stammend) können in Pflanzen allgemein über Wurzeln, Stängel, Blätter, Sprossen und Früchte eindringen, diese infizieren und sich dort vermehren (siehe auch Zwischenwirte). Fraß oder Saugstiche von Insekten können ebenso Eintrittspforten sein[3].
Laut einer Pressemeldung des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR)[4] können im aufgeschnittenen Zustand längere Zeit gelagerte Wassermelonen gefährliche Krankheitserreger wie Salmonellen, Listerien oder EHEC (Enterohämorrhagische Escherichia coli) übertragen. Wird die Außenschale bei der Produktion, beim Transport oder bei der Lagerung mit Krankheitserregern verunreinigt, so können diese Erreger beim Aufschneiden das säurearme Fruchtfleisch infizieren und werden sich bei zu warmer oder zu langer Lagerung relativ schnell vermehren. „Zum Schutz vor Infektionen sollten Verbraucher vorgeschnittene Melonen deshalb rasch verzehren oder kühlen.“ Schwangere, Kleinkinder, alte und kranke Menschen sollten auf den Verzehr aufgeschnittener Melone, die mehrere Stunden bei Raumtemperatur aufbewahrt wurde, vorsorglich verzichten.[4]
Im Jahr 2011 erkrankten nach dem Verzehr von verunreinigten Cantaloupe-Melonen in den USA mindestens 147 Menschen an einer Infektion durch Listeria monocytogenes, in der Folge starben 33 Menschen und eine Schwangere erlitt eine Fehlgeburt[4]. Der Verzehr von importierten Wassermelonen Ende 2011 löste in Deutschland, dem Vereinigten Königreich und in Irland einen Salmonellen-Ausbruch aus[4].
Maßnahmen gegen schädliche Wirkungen von Mikroorganismen
Beispiele für die Verhinderung oder Verzögerung von mikrobiellem Verderb von Lebensmitteln:
Sterilisation durch Erhitzen, zum Beispiel Dosenkonserven
Verminderung der Mikroorganismen-Konzentration durch Erhitzen (Pasteurisieren, und ähnliche Verfahren)
Abtöten aller Mikroorganismen oder Verminderung der Mikroorganismen-Konzentration durch Bestrahlung mit Gammastrahlung, Ultraviolettstrahlung
Johannes Krämer, Alexander Prange: Lebensmittel-Mikrobiologie, 8. Aufl., UTB Uni-Taschenbücher 1421, 2023, ISBN 978-3-8252-5854-2
James M Jay, Martin J. Loessner, David A. Golden: "Modern Food Microbiology", 7. Aufl., Springer Verlag, 2005, ISBN 0-387-23180-3
Gunther Müller, Herbert Weber: Mikrobiologie der Lebensmittel – Grundlagen, 8. Aufl. Behr’s Verlag, Hamburg, 1996, ISBN 3-86022-209-0
Thomas J. Montville, Karl R. Matthews: Food microbiology: an introduction, ASM Press, Washington DC, 2004, ISBN 1-55581-308-9
Michael P. Doyle, Larry R. Beuchat, Thomas J. Montville, Karl R. Matthews: Food microbiology: fundamentals and frontiers, ASM Press, Washington DC, 2001, ISBN 1-55581-208-2
W. Holzapfel: Lexikon Lebensmittel-Mikrobiologie und -Hygiene, 3. Aufl., Behr’s Verlag, Hamburg, 2004, ISBN 3-89947-048-6
Jürgen Baumgart (Hrsg.) u. a. Autoren: Mikrobiologische Untersuchung von Lebensmitteln, 3. Aufl. Behr’s Verlag, Hamburg, 1993, ISBN 3-86022-114-0
Heribert Keweloh: Mikroorganismen in Lebensmitteln, 2. Aufl., Pfanneberg-Verlag, Haan-Gruiten, 2008, ISBN 3-8057-0527-1
Eugene Bessems, Desinfektionsmittel für die Lebensmittel- und Veterinärhygiene. Behrs Verlag, 2003, ISBN 3-89947-091-5
↑Dorian Leger, Silvio Matassa, Elad Noor, Alon Shepon, Ron Milo, Arren Bar-Even: Photovoltaic-driven microbial protein production can use land and sunlight more efficiently than conventional crops. In: Proceedings of the National Academy of Sciences. 118. Jahrgang, Nr.26, 29. Juni 2021, ISSN0027-8424, S.e2015025118, doi:10.1073/pnas.2015025118, PMID 34155098 (englisch, pnas.org).
↑Irene Esteban Cuesta: Untersuchungen zur endogenen mikrobiellen Kontamination von Melonen (Cucumis Melo), Veterinärwissenschaftliches Department der Tierärztlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München, Lehrstuhl für Lebensmittelsicherheit, München 2016, PDF-Datei