Die Liste der Herzöge der Normandie enthält alle mittelalterliche Herrscher des historischen französischen Herzogtums Normandie von deren Entstehung vom Jahr 911 an bis zu ihrer Integration in die französische Krondomäne im Jahr 1204, sowie die mit ihr apanagierten Prinzen des königlichen Hauses.
Die Liste der Herzöge beginnt mit dem Wikingerführer Rollo, der sich 911 taufen und von König Karl III. dem Einfältigen Land am Unterlauf der Seine um Rouen als Lehen zugewiesen bekam. Welche Titel die ersten beiden Normannenfürsten allerdings trugen, ist nicht eindeutig auszumachen, da zu ihnen keine zeitgenössische Urkunden erhalten sind. Von mittelalterlichen Geschichtsschreibern wurden sie rückwirkend jedoch freilich als Herzöge bezeichnet. Richard I. Ohnefurcht wird in den zwei erhaltenen an ihn ausgestellten Urkunden (968, 990) unterschiedlich als Markgraf(marchio),Fürst der Normannen(princeps Normannorum) und als Graf(comes) betitelt. Das Kartular der Abtei Saint-Père-en-Vallée bei Chartres nennt ihn bereits Herzog (dux), aber erst im Urkundenverkehr seines Sohnes Richard II. dem Guten ist dieser Titel (Normannorum dux), neben vielen anderen, erstmals im Jahr 1006 für den offiziellen Gebrauch belegt. Von da an blieb bis 1204 der Herzogstitel gleichberechtigt neben anderen in Gebrauch. In von der Kanzlei der französischen Könige ausgehenden Urkunden wurden die Normannenfürsten fast ausschließlich als Grafen bezeichnet.
Anführer eines Normannenheers, das plündernd durch den Norden des westfränkischen Regnums zog und im Juli 911 bei Chartres von einer Koalition unter Robert von Neustrien, Richard dem Gerichtsherrn und Ebalus Manzer geschlagen wurde. Darauf wurde ihm im Vertrag von Saint-Clair-sur-Epte von König Karl III. dem Einfältigen das Land um Rouen zugewiesen, um das die Normandie erstand.
Nahm im Machtkampf zwischen den Karolingern und Kapetingern Partei für letztere und nahm König Ludwig IV. gefangen. War Schutzherr des jungen Hugo Capet, dessen Wahl zum König er 987 unterstützte.
Setzte sich mit der Unterstützung König Heinrichs I. in harten Kämpfen gegen Konkurrenten durch. Schuf eine straff geführte und zentralisierte Hofverwaltung und emanzipierte sich erfolgreich von der Oberhoheit des französischen Königs. Beanspruchte die Nachfolge Eduards des Bekenners auf den englischen Thron, führte 1066 die Invasion auf der britischen Insel (Wilhelm der Eroberer) und besiegte in der Schlacht bei Hastings seinen Rivalen Harald II. Im Anschluss unterwarf er das angelsächsische Königreich und begründete das „anglo-normannische Reich“.
Rebellierte gegen seinen Vater, worauf ihm die Nachfolge auf den englischen Thron verwehrt wurde, konnte als ältester Sohn aber das normannische Herzogtum übernehmen. Nahm von 1096 bis 1100 am ersten Kreuzzug teil, wofür er in seiner Abwesenheit die Regierung in der Normandie seinem Bruder, König Wilhelm II. Rufus, übertrug. Nach seiner Rückkehr unterlag er im Machtkampf um den englischen Thron gegen seinen jüngsten Bruder Heinrich Beauclerc. Von diesem wurde er schließlich in der Schlacht bei Tinchebray 1106 geschlagen und in die Gefangenschaft geführt, in der er die letzten Lebensjahre verbrachte.
Vereinte 1106 das Reich seines Vaters und verteidigte es gegen die Ansprüche seines Neffen Wilhelm Clito. Besiegte diesen und den König von Frankreich 1119 in der Schlacht von Brémule.
Designierter Erbe seines Vaters. Im Zuge eines vertraglichen Ausgleichs zwischen dem Vater und dem französischen König huldigte William Ætheling 1120 gegenüber König Ludwig VI. „so wie einst Rollo [zu Karl III.] geschworen hat“.[1] Kurz darauf starb er beim Untergang des weißen Schiffs, woraufhin Heinrich seine Tochter Matilda „die Kaiserin“ zur Erbin bestimmte.
Stephan Étienne de Blois (* 1097; † 25. Oktober 1154)
1135–1144
Neffe des Vorgängers
Usurpierte den anglo-normannischen Thron gegen seine Cousine Matilda und löste damit einen Bürgerkrieg (the Anarchy) aus. 1144 wurde die Normandie von Matildas Ehemann erobert.
Graf von Anjou. Eroberte während des Krieges gegen Stephan die Normandie und wurde von den normannischen Großen als Herzog anerkannt. Überließ das Herzogtum 1150 seinem Sohn.
Durch Huldigung an König Ludwig VII. im Sommer 1151 als Herzog anerkannt. Begründete durch seine Ehe mit Eleonore von Aquitanien das „angevinische Reich“. Befand sich im ständigen Kampf gegen seine Söhne und den französischen König.
Huldigte mit Zustimmung des Vaters 1160 als Herzog der Normandie gegenüber Ludwig VII., ohne vom Vater an der tatsächlichen Macht beteiligt zu werden. 1170 zum Mitkönig des Vaters in England gekrönt. Starb beim Aufstand gegen diesen.
Huldigte bereits 1188 dem König Philipp II. August für die Normandie, konnte aber erst nach dem Tod des Vaters die Herrschaft übernehmen. Führte den dritten Kreuzzug (1190–1192) an und geriet in Gefangenschaft des römisch-deutschen Kaisers. Behauptete sich anschließend erfolgreich gegen den französischen König im Kampf um seine kontinentalen Besitzungen. Starb bei der Unterwerfung einer seiner Vasallen.
Johann Ohneland Jean sans Terre (* 24. Dezember 1167; † 19. Oktober 1216)
1199–1204
Bruder des Vorgängers
Unter ihm brach das angevinische Reich zusammen. Per Gerichtsurteil wurde er von Philipp II. August all seiner Besitzungen in Frankreich für verlustig erklärt. Am 1. Juni 1204 kapitulierte Rouen, in das der französische König wenig später einzog und die Vereinigung der Normandie mit der königlichen Domäne vollzog. Johann Ohneland akzeptierte diesen Verlust im Waffenstillstandsvertrag von Thouars vom 13. Oktober 1206.[2]
Ende der anglo-normannischen Personalunion nach 138 Jahren durch Vereinigung der Normandie mit der französischen Krondomäne im Juni 1204. Im Vertrag von Paris (1259) leistete König Heinrich III. von England einen endgültigen Erbverzicht auf die Normandie.[3]
Apanagierte Herzöge aus königlichem Haus
Bild
Name Alternativnamen (Lebensdaten)
Regierungszeit
Verwandtschaft
Anmerkungen
Johann der Gute Jean le Bon (* 16. April 1319; † 8. April 1364)
1332–1350
Sohn von König Philipp VI.
Bestieg 1350 als Johann II. den französischen Thron.
Karl der Weise Charles le Sage (* 21. Januar 1338; † 16. September 1380)
1355–1364
Sohn von König Johann II.
Bestieg 1364 als Karl V. den französischen Thron.
Zwischen den Jahren 1418 und 1450 war die Normandie von England okkupiert, dessen Könige einen Anspruch auf den französischen Thron erhoben (siehe Hundertjähriger Krieg).
Tauschte 1469 die Normandie gegen die Guyenne ein.
Endgültige Vereinigung der Normandie mit der Krondomäne.
weitere Verwendung des Titels:
Louis Charles de Bourbon (1785–1795), Sohn von König Ludwig XVI. und Dauphin von Frankreich, 1785 mit dem Titel duc de Normandie ausgestattet
Duke of Normandy
Wilhelm der Eroberer hatte 1066 eine Personalunion zwischen der Normandie und England begründet, die heute als „anglo-normannisches Reich“ bekannt ist und die 1153 zum „angevinischen Reich“ der Plantagenets erweitert wurde. Diese Union wurde 1204 durch König Philipp II. August von Frankreich durch Besetzung der Normandie beendet. Vom alten Herzogtum verblieben lediglich die normannischen Kanalinseln bis heute im Besitz der englischen (und heute britischen) Krone.
Der englische Titel eines Duke of Normandy existiert formal nicht mehr, seitdem Heinrich III. 1259 endgültig und für alle seine Nachkommen darauf verzichtet hat. Der britische Monarch herrscht heute in seiner Funktion als König des Vereinigten Königreiches über die Kanalinseln. Dennoch ist es aus Tradition üblich, den britischen Monarch auf den Kanalinseln als „Duke of Normandy“ (oder „Our duke, the King (Queen)“, bzw. „The King (Queen), our duke“) anzusprechen. Auch Königin Elisabeth II. bevorzugte übrigens die männliche Form duke.
Reginald L. Poole: Henry II, Duke of Normandy, in: The English Historical Review Vol. 42 (1927), 569–572
Walther Kienast: Der Herzogstitel in Frankreich und Deutschland (9. bis 12. Jahrhundert), in: Historische Zeitschrift Bd. 203 (1966), S. 532–580
C. Warren Hollister: Normandy, France and the Anglo-Norman „Regnum“, in: Speculum 51 (1976), S. 202–242
Einzelnachweise
↑„…tandem conventum fuit et Willelmus filius Henrici Regis Anglorum Normanniam teneret de Rege Franciæ, et hommagium sibi faceret, sicut Rollo primus Normanniæ Dux jure perpetuo promiserat.“ Siehe Ex anonymi Blandiniensis appendicula ad Sigibertum, in: Recueil des Historiens des Gaules et de la France 14 (1877), S. 16. Siehe Hollister, S. 226.
↑Rigord, Gesta Philippi Augusti, hrsg. in: Recueil des Historiens des Gaules et de la France 17 (1878), S. 60
↑Heinrich III. von England hatte dieser Bedingung bereits am 8. Mai 1258 zugestimmt. Siehe Calendar of Patent Rolls 1247–1258 (CPR), S. 663.