Little DorritLittle Dorrit (in Übersetzungen meist: Klein Dorrit[1]) ist ein Roman von Charles Dickens, der zuerst als Fortsetzungsroman von 1855 bis 1857 veröffentlicht wurde. Im Mittelpunkt der Erzählung steht Amy Dorrit, das jüngste Kind der Familie Dorrit, geboren und aufgewachsen im Schuldgefängnis Marshalsea in London. In dieser Institution war auch Dickens’ Vater eingesperrt gewesen. Little Dorrit begegnet Arthur Clennam, der nach 20-jähriger Abwesenheit in die Heimat zurückgekehrt ist und ein neues Leben beginnen möchte. Der Roman befasst sich in Form einer Satire mit den Mängeln von Staat und Gesellschaft, insbesondere auch mit der Institution des Schuldgefängnisses, in dem Schuldner eingesperrt sind, bis ihre Schulden bezahlt sind, während sie selbst nicht arbeiten dürfen. In dem Roman wird das Fehlen sozialer Sicherheit kritisiert, ebenso die Arbeits- und Lebensbedingungen der Industriearbeiter, ferner die Bürokratie des britischen Schatzamtes, das im Gewand des fiktiven „Circumlocution Office“ erscheint, eines Amtes für „Umschweife und Patentanmeldungen“.[2] In der Form der Satire behandelt Dickens die Klassenstruktur der britischen Gesellschaft seiner Zeit. Zusammenfassung der Handlung1. Teil: ArmutDer Roman beginnt in Marseille „vor dreißig Jahren“ (also etwa 1826). Der berüchtigte Mörder Rigaud erzählt seinem Zellengenossen John Baptiste Cavalletto, wie er seine Frau umgebracht hat. Arthur Clennam wird derweil mit einer Gruppe von Reisenden in Marseilles in Quarantäne festgehalten. Bei dieser Gelegenheit lernt er neue Freunde kennen. Arthur hat 20 Jahre zusammen mit seinem Vater in China gelebt. Sie haben dort die Geschäfte betrieben, die der Familie Clennam gehören. Der Vater ist in China gestorben, Arthur fährt nun nach London, um seine Mutter zu besuchen. Auf dem Sterbebett hatte der Vater ihm eine geheimnisvolle Botschaft mitgegeben, indem er „deine Mutter“ murmelte und ihm eine Taschenuhr übergab. Im Gehäuse der Uhr befindet sich ein altes Stück Seidenpapier mit den mit Perlen darauf gestickten Buchstaben „DNF“ (als Abkürzung für „Do Not Forget“, dt.: „Nicht vergessen!“). Die unerbittliche Mrs Clennam, die jetzt einen Rollstuhl nutzte, weigert sich, die Bedeutung dieser Botschaft zu erklären. Das führt zu einer Entfremdung zwischen Mutter und Sohn. In London ist William Dorrit inzwischen seit mehr als zwanzig Jahren Gefangener im Marshalsea-Schuldgefängnis. Er hat drei Kinder: Edward, Fanny und Amy. Amy, genannt Little Dorrit, wurde im Schuldgefängnis geboren. Ihre Mutter starb, als Amy acht Jahre alt war. Ihr Onkel, Williams älterer Bruder Frederick, wohnt mit Amys Schwester Fanny in Freiheit. William Dorrits erwachsene Kinder können das Gefängnis nach Belieben betreten und verlassen. Little Dorrit bringt sich und ihren Vater mit Näharbeiten außerhalb des Schuldgefängnisses durch. Dem Vater gegenüber erwähnt sie das nicht, da dieser seine finanzielle Situation verdrängt und verleugnet. Ebenso wenig erwähnt sie ihm gegenüber die Tatsache, dass er das Gefängnis nicht verlassen darf. William Dorrit gefällt sich in der Rolle des „Vaters des Marshalsea“, von den übrigen Insassen wird er allgemein respektiert. Arthur teilt seiner Mutter mit, dass er das Familiengeschäft nicht übernehmen will. Daraufhin entscheidet sich Mrs. Clennam für Jeremiah Flintwinch als Teilhaber. Arthur erfährt, dass seine Mutter Little Dorrit als Näherin beschäftigt. Sie legt dabei eine für sie ungewöhnliche Freundlichkeit an den Tag. Arthur fragt sich, ob das junge Mädchen etwas mit dem Geheimnis der Taschenuhr zu tun haben mag. Arthur folgt dem Mädchen bis zum Marshalsea-Gebäude. Er versucht, über das Circumlocution Office etwas über die Schulden von William Dorrit herauszufinden, jedoch vergeblich. In dem Gebäude dieser Behörde trifft er den erfolgreichen Erfinder Daniel Doyce. Dieser sucht einen Teilhaber und Wirtschaftskundigen für seine Fabrik; Clennam findet sich bereit, diese Rolle zu übernehmen. Amy Dorrit verliebt sich in Arthur, der jedoch davon nichts bemerkt. Arthur trifft seine ehemalige Verlobte Flora Finching, deretwegen er nach China geschickt wurde. Diese ist jetzt eine unattraktive Witwe, stets in Begleitung der Tante ihres verstorbenen Mannes. Ihrem Vater, Mr. Casby, gehören zahlreiche Mietshäuser. Mr. Pancks treibt für ihn die Mieten ein. Der unermüdliche Pancks macht eine Entdeckung: William Dorrit ist der bisher unbekannte Erbe eines enormen Vermögens, das es ihm ermöglichen würde, dem Schuldgefängnis zu entkommen und das Ansehen der ganzen Familie zu verbessern. 2. Teil: ReichtumDie Familie Dorrit, nunmehr wohlhabend, beschließt, man müsse eine Europa-Tour machen, den Kontinent bereisen. Sie reisen über die Alpen und lassen sich eine Zeit lang in Venedig und schließlich in Rom nieder. Die Dorrits zeigen ihren neuen Reichtum und ihre gesellschaftliche Stellung stolz vor, über die Vergangenheit reden sie nicht gern mit ihren neuen Bekannten. Little Dorrit hat Mühen, sich in die neue Rolle hineinzufinden und neue Orte und Ansichten schön zu finden. Ihre Schwester Fanny dagegen macht sich rasch die Regeln der guten Gesellschaft zu Eigen. Sie wird von Edmund Sparkler umworben, der schon in London in ihrer Zeit der Armut um sie war, nun jedoch einen Neuanfang wagt und mit der Zustimmung seiner Mutter rechnen kann. Während einer Gesellschaft, die die Familie in Rom gibt, erkrankt Mr. Dorrit und stirbt. Dessen ängstlicher Bruder Frederick stirbt noch am selben Abend. Amy Dorrit, nunmehr ganz allein, kehrt nach London mit der frischvermählten Fanny und deren Ehemann, dem etwas verblödeten Edmund Sparkler, zurück. Merdle, Edmund Sparklers Stiefvater, geht mit seinem Finanzinstitut bankrott, er begeht Selbstmord. Der finanzielle Zusammenbruch reißt die Ersparnisse der Dorrits, der Firma von Doyce und Clennam, von Arthur Clennam und von Pancks mit in den Abgrund. Der nun überschuldete Arthur Clennam wird im Marshalsea eingesperrt, er wird dort krank. Nachdem Amy nach London zurückgekehrt ist, pflegt sie ihn wieder gesund. Cavalletto findet heraus, dass sich der schurkische Rigaud unter dem Namen Blandois in London aufhält. Er bringt ihn zu Arthur Clennam. Dieser schickt den unerwünschten Mann zu seiner Mutter, die inseriert hatte, um ihn zu finden. Rigaud alias Blandois versucht, Mrs. Clennam mit seinen Kenntnissen über ihre Vergangenheit zu erpressen. Mrs. Clennam hatte Arthur aufgezogen und seiner Mutter verboten, ihn zu sehen. Mrs. Clennam fühlt sich berechtigt, auf diese Weise andere zu bestrafen, die sie verletzt hatten. Arthurs leibliche Mutter war gestorben, als Arthur nach China reiste. Sie lebte zusammen mit Flintwinchs Zwillingsbruder im Ausland. Clennams reicher Onkel, geplagt von Schuldgefühlen, hat testamentarisch Arthurs leibliche Mutter und deren jüngste Tochter als Erben eingesetzt bzw., falls es keine Tochter gibt, das jüngste Kind seines Bruders. Der Wohltäter war Frederick Dorrit, der freundliche Musiker, der mit Arthurs leiblicher Mutter befreundet war, die Begünstigte ist seine Nichte, Amy Dorrit. Blandois hinterließ im Marshalsea eine Abschrift des Dokuments für Little Dorrit. Mrs. Clennam weiß von dieser Erbschaft, verheimlicht sie aber zunächst gegenüber Amy, auch erzählt sie Arthur nichts über seine leibliche Mutter. Nicht bereit, der Erpressung nachzugeben und von Schuldgefühlen geplagt, erhebt sich die im Rollstuhl steifgewordene Frau und geht wankend aus dem Haus, um Little Dorrit im Marshallsea das Geheimnis zu offenbaren. Sie bittet Amy um Vergebung, die ihr freigebig gewährt wird. Auf dem Heimweg stürzt Mrs. Clennam, sie kann weder sprechen noch die Gliedmaßen bewegen. Ihr Haus stürzt ein und begräbt Rigaud unter sich. Affery wird verschont, sie hatte das Haus verlassen, um ihre Herrin zu suchen; Jeremiah hatte London fluchtartig verlassen mit so viel Geld, wie er in der Eile an sich raffen konnte. Amy entschließt sich, nichts davon Arthur zu erzählen; nachdem er genesen ist, bittet sie ihn, die Kopien zu verbrennen. Auf der Suche nach den Originalen befragt Mr. Meagles auch Miss Wade. Diese hat die Dokumente in Verwahrung, was sie ihm gegenüber jedoch ableugnet. Jedoch entweicht Tattycoram mit den Dokumenten nach London und übergibt sie Mr. Meagles, der sie an Amy weiterreicht. Mr. Meagles spürt dann noch Arthurs Teilhaber Daniel Doyce auf. Dieser kehrt als erfolgreicher und wohlhabender Mann zurück. Er begleicht Arthurs Schulden, was diesen aus dem Schuldgefängnis befreit. Arthur hat wieder ein Vermögen, seine geschäftliche Stellung an der Seite von Doyce ist gesichert. Arthur und Amy heiraten. Nebenstränge der HandlungDer Roman Little Dorrit beinhaltet zahlreiche Nebenstränge. In einer Nebenhandlung treten Arthur Clennams Freunde auf, die freundliche Meagles-Familie, deren Mitglieder darüber aufgebracht sind, dass die Tochter Pet den Künstler Henry Gowan heiratet; sie sind auch darüber verärgert, dass ihre Dienerin und Pflegetochter von der undurchsichtigen Miss Wade abgeworben wurde, die wiederum mit dem Verbrecher Rigaud gut bekannt ist. Miss Wade, die ehemalige Geliebte Gowans, war von diesem sitzen gelassen worden. Ein anderer Nebenstrang handelt vom Italiener John Baptist Cavalletto. Dieser war in Marseilles der Zellengenosse Rigauds gewesen. Er saß dort eine Strafe für ein geringeres Vergehen als dieser ab. Er kommt nach London, wo er zufällig Clennam trifft. Dieser bürgt für ihn und erlaubt es ihm damit, ein Gewerbe für Holzschnitzarbeiten aufzubauen und im Bleeding Heart Yard, einem Wohnviertel, akzeptiert zu werden. Er revanchiert sich, indem er nach Blandois/Rigaud fahndet. Bei dieser Gelegenheit werden die Geheimnisse von Mrs. Clennam aufgedeckt. Ein anderer wichtiger Nebenstrang stellt in Form einer Satire die britische Bürokratie dar, hier in Gestalt des Circumlocution Office, dessen Spezialität das Verhindern von sinnvollen Aktivitäten ist. Die Figuren des Romans
Zum Hintergrund des RomansDas Vorbild für die Romanfigur Little Dorrit (Amy) war Mary Ann Cooper (geborene Mitton), die Dickens manchmal bei ihrer Familie besuchte.[3] Die Familie wohnte in The Cedars, einem Haus an der damaligen Hatton Road im Westen von London. Das Grundstück befindet sich heute unter dem östlichen Rand des Flughafens Heathrow.[4] Motive des Romans, RezeptionSo wie einiges andere im Spätwerk von Dickens hat auch dieser Roman manche Wendungen in der Wertschätzung durch die Kritik erlebt. Es wurde nachgewiesen, dass der Roman eine kritische Darstellung des damaligen britischen Schatzamtes beinhaltet, ebenso eine Kritik an den schweren Fehlern, die dazu führten, dass 360 britische Soldaten in der Schlacht von Balaklava das Leben verloren.[5] Eingesperrtsein – sowohl im wörtlichen wie im übertragenen Sinn – ist eines der Hauptthemen des Romans. Eingesperrt sind Clennam und die Meagles in der Quarantäne in Marseille, Rigaud sitzt wegen Mord im Gefängnis, Mrs. Clennam ist an ihr Haus gefesselt, die Dorrits sind im Marshalsea eingeschlossen und die meisten der Figuren des Romans sind in den starren Klassenschranken des damaligen England gefangen. Tschaikowski war von dem Roman hingerissen.[6] Die US-amerikanische Literaturkritikerin Anne Stevenson nennt den Roman eine wunderbare Lektüre, einen „tragisch-komisch-satirisch-poetischen“ Roman, der eine Allegorie der Liebe darstelle. Sie lobt die Darstellung der Hauptfiguren (Arthur Clenham, Mr. Dorrit, Little Dorrit), sie kritisiert jedoch die Nebenfiguren, die nur Marionetten eines Puppenspielers seien, der sie mit formelhaften Wendungen ausstattet. Schon die Namen dieser Figuren bezeichneten ihr Wesen und ihr Verhalten: der energiegeladene Mr. Pancks kämmt seine Haare hoch und schnauft wie ein Dampfboot; Mr. Sparkler schwadroniert ständig von „verdammt feinen Damen, die keinen Unsinn an sich haben“; Mr. Flintwinch mit seinem schiefen Hals und seiner schiefsitzenden Krawatte schraubt sich in Ecken hinein.[7] EditionsgeschichteLittle Dorrit wurde zuerst in neunzehn Fortsetzungen veröffentlicht, wobei jede Folge aus 32 Seiten mit zwei Illustrationen von Hablot Knight Browne (unter seinem Pseudonym Phiz) versehen war. Die Fortsetzungen kosteten jeweils einen Shilling mit Ausnahme der letzte Folge, diese kostete zwei Shilling. Es folgt eine Liste der Fortsetzungen:
1857 erschien der Roman bei Bradbury and Evans als Buch. AdaptationenDer Roman Little Dorrit ist fünf Mal verfilmt worden; die ersten drei Filme wurden 1913, 1924 und 1934 gedreht. In der deutschen Verfilmung von 1934 Kleine Dorrit spielten in den Hauptrollen Anny Ondra als Little Dorrit und Mathias Wieman als Arthur Clennam. Regie führte Karel Lamač.[8] 1988 wurde der Roman im Vereinigten Königreich unter dem Titel Little Dorrit (im deutschsprachigen Raum unter dem Titel Klein Dorrit) verfilmt. Regie führte Christine Edzard; in den Hauptrollen traten Alec Guinness als William Dorrit und Derek Jacobi als Arthur Clennam auf sowie mehr als 300 weitere britische Schauspieler und Schauspielerinnen. Die fünfte Adaptation war eine Fernsehserie, die von BBC und WGBH-TV (Boston) produziert wurde. Das Drehbuch stammte von Andrew Davies; in den Hauptrollen spielten Claire Foy (als Little Dorrit), Andy Serkis (als Rigaud/Blandois), Matthew Macfadyen (als Arthur Clennam), Tom Courtenay (als William Dorrit), Judy Parfitt (als Mrs Clennam) und Alun Armstrong (als Jeremiah/Ephraim Flintwinch). Die Serie wurde von Oktober bis Dezember 2008 in Großbritannien ausgestrahlt, im April 2009 in den USA in der Reihe Masterpiece von PBS und in Australien auf ABC1 TV im Juni und Juli 2010. 2001 strahlte BBC Radio 4 eine Hörspielbearbeitung in Form von fünf einstündigen Folgen aus. Der Erzähler war Ian McKellen.[9] Little Dorrit ist die Folie für Peter Ackroyds Erstlingsroman The Great Fire of London (1982). Dickens’ Roman inspirierte die Künstlerin Monica McKelvey Johnson zu ihrem Webcomic The Adventures of Dorrit Little by artist.[10] Einzelnachweise
WeblinksWikisource: Little Dorrit – Quellen und Volltexte (englisch)
Im Internet erhältliche Texte des Romans: Karte zum Roman |