Marcel Dupré wurde in Rouen als Sohn von Albert Dupré (1860–1940) und Marie-Alice Chauvière geboren. Der Vater, Schüler von Alexandre Guilmant, war Musiklehrer am Lycée Corneille und Organist an der Kirche St-Ouen de Rouen. Die Mutter war Pianistin und als solche Schülerin von Aloys Klein. 1893 erhielt Marcel Dupré den ersten Musikunterricht von seinem Vater. Drei Monate später spielte er zum ersten Mal öffentlich bei einer Hochzeit in Elbeuf die Orgel. 1896 wurde Louis Vierne in Saint-Valéry-en-Caux Zeuge seines Orgelspiels.[1] 1898 wurde er Organist an der Kirche St-Vivien in Rouen.[2]
1902 begann Dupré sein Studium am Pariser Konservatorium, wo er zunächst unter anderem Klavier bei Louis Diémer, später auch Orgel bei Alexandre Guilmant und Komposition bei Charles-Marie Widor studierte. 1906 wurde er von Widor zu seinem Stellvertreter an St. Sulpice ernannt. 1914 gewann er den Grand Prix de Rome mit seiner KantatePsyché. 1916 bis 1920 vertrat er Louis Vierne an der Orgel der Kathedrale Notre Dame de Paris. Im Jahre 1920 führte er im Pariser Konservatorium in zehn Konzerten sämtliche Orgelwerke von Johann Sebastian Bach auswendig auf; ein Jahr später wiederholte er diese Konzertreihe, ebenfalls auswendig, im Palais du Trocadéro.
Am 30. Mai 1971 spielte Dupré seine letzte Messe in St. Sulpice. Am Nachmittag desselben Tages verstarb er friedlich um 17.50 Uhr in seinem Haus in Meudon.[3]
Marcel Dupré wurde auf dem Cimetière des Longs–Réages in Meudon beigesetzt (Abtl. D/0814).
Weitere Reisen in die Vereinigten Staaten 1923, 1924, 1929, 1933, 1937, 1958.
1939: Weltreise nach Australien (25 Konzerte) und Amerika (60 Konzerte).[4]
Werk
Kompositionen
Duprés Gesamtwerk umfasst rund einhundert Werke für Klavier, Orgel, Orchester, Chor und Kammermusik, wobei einige Jugendwerke bisher nicht veröffentlicht wurden. Sein kompositorischer Schwerpunkt war jedoch die Orgel. Einige seiner Orgelwerke waren ursprünglich Improvisationen, die Dupré später in Kompositionen umarbeitete, wie etwa op. 18 (15 Versets), op. 23 (Symphonie-Passion), op. 29 (Le Chemin de la croix) und op. 57 (Choral et Fugue).
Diese Ausgaben, die im Pariser Verlag S. Bornemann erschienen sind, zeichnen sich durch genaueste Bezeichnung mit Finger- und Fußsätzen aus. Sie waren ursprünglich, besonders die Bach-Ausgabe, für die eigene Praxis konzipiert. Dupré spielte das Gesamtwerk Bachs auswendig in Konzerten. Daher die genaue Bezeichnung des Textes. Dazu kommt, dass – im Gegensatz zur heutigen, auf historischer Praxis beruhenden Auffassung – für Dupré das strenge Legato die durchgängige Artikulationsart beim Spiel der Bachschen Orgelwerke war. Dies erklärt die vielen Substitutionsfingersätze (für die stummen Fingerwechsel auf einer Taste), die die Ausführung des Legatospiels gewährleisten sollen.[5]
„Dupré verabscheute es, Schallplatten einzuspielen. Schon in früheren Jahren und selbst nach der Einführung der Magnettonbandtechnik, die immerhin einige Erleichterungen durch die Schnittmöglichkeiten bot, hat er es nie gerne getan. [...] Ganz besonders haßte er es, Abschnitte wiederholen zu müssen.“
Im Musiksaal des ehemaligen Wohnhauses in Meudon, 40 boulevard Anatole France, das Dupré von 1925 bis 1971 bewohnte, steht seine Salon-Orgel. Das Instrument wurde von Aristide Cavaillé-Coll[8] für Duprés Lehrer Alexandre Guilmant geplant und nach der Geschäftsübergabe 1898 von seinem Nachfolger Charles Mutin[9] erbaut und 1899 in Guilmants Villa in Meudon aufgestellt. Die Orgel hatte zunächst 28 Register auf drei Manualen und Pedal mit mechanischen Trakturen. 1926 erwarb Dupré das Instrument und ließ es in seiner Wohnung von Mutin aufstellen. Im Jahre 1934 ließ er das Instrument elektrifizieren und nach seinen Vorgaben durch Joseph Beuchet (Nachfolger von Mutin und Cavaillé-Coll) erweitern: es wurden ein viertes Manualwerk (Solo) mit sechs Registern, sowie zahlreiche Koppeln und Kombinationen hinzugefügt. Außerdem wurde – dies ist eine Besonderheit des Instrumentes – der Manualumfang von zunächst 61 Tasten (C–c4) um eine Oktave erweitert, sodass jedes Manual nun 6 Oktaven (C–c5) umfasst. Das Instrument hat 34 Register (ca. 2.200 Pfeifen) auf vier Manualwerken und Pedal. Das Instrument steht heute unter Denkmalschutz[10]. Der Klang der Orgel wurde durch Rolande Falcinelli auf drei Langspielplatten mit Werken von Marcel Dupré dokumentiert.
Lynn Cavanagh. The rise and fall of a famous collaboration: Marcel Dupré and Jeanne Demessieux.The Diapason (Juli 2005), S. 18–21.
Lynn Cavanagh. Marcel Dupré's “dark years”: unveiling his occupation-period concertizing.Intersections: Canadian Journal of Music 34, Nr. 1–2 (2014), S. 33–57.
Bruno Chaumet. Marcel Dupré, Souvenirs. Association des Amis de l’Art de Marcel Dupré, Paris 2006.
Robert Delestre: L’œuvre de Marcel Dupré. Éditions „Musique Sacrée“, Paris 1952.
Marcel Dupré. Marcel Dupré raconte... Bornemann, Paris 1972. (dt. unter dem Titel: Marcel Dupré: Erinnerungen: Marcel Dupré raconte. Übersetzt und kommentiert von Hans Steinhaus. Verlag Merseburger, Berlin/Kassel 1981. Edition Merseburger 1195. (Veröffentlichung der Gesellschaft der Orgelfreunde; 79). ISBN 3-87537-180-1.)
Rolande Falcinelli: Marcel Dupré, 1955: Quelques œuvres. Alphonse Leduc, Paris 1955.
Bernard Gavoty: Marcel Dupré. Les grands Interprètes. Éditions René Kister, Genf 1955.
Michael Murray: French Masters of the Organ. Yale University Press, New Haven 1998.
Michael Murray: Marcel Dupré: The Work of a Master Organist. Northeastern University Press, Boston 1985.
Michael Murray: Marcel Dupré: Leben und Werk eines Meisterorganisten. Übersetzt von Hans Uwe Hielscher. Edition Günter Lade, Langen bei Bregenz 1993, ISBN 3-9500017-3-5.
Annie Puthod. Marcel Dupré, L’organiste et ses élèves. Mémoire de maîtrise, Paris-IV-Sorbonne, 1973.
Graham Steed. Dupré and Demessieux: The master and the pupil.The American Organist 13 (März 1979), S. 36–37.
Graham Steed: The Organ Works of Marcel Dupré. Pendragon Press, Hillsdale, NY 1999.
Vincent Warnier: Marcel Dupré (1886–1971). In: Renaud Machart and Vincent Warnier (Hg.): Les grands organistes du XXe siècle. Buchet-Chastel, Paris 2018, S. 73–80.
↑Die negative Beurteilung der Ausgaben Duprés durch heutige Organisten als überladen und nicht im Sinne der historischen Aufführungspraxis verkennt ihren ursprünglichen Sinn als persönliches Arbeitsmaterial des Künstlers und die zeitgebundene Dimension des Spiels von Marcel Dupré, das wie das Spiel der anderer großer Interpreten der Vergangenheit unter historischen Gesichtspunkten gesehen und beurteilt werden muss. Das gilt auch für deren Ausgaben klassischer Musik (vergleiche z. B. die Ausgaben von Hans von Bülow, Ferruccio Busoni, Eugen d’Albert, Alfred Cortot, Karl Straube u. a., die natürlich nicht den Anforderungen entsprechen, die man heute an eine Urtext-Ausgabe stellt, aber die Geschichte der Interpretation klassischer Instrumentalmusik wesentlich mitbestimmten).
↑Michael Murray: Leben und Werk eines Meisterorganisten, S. 249