Sowohl Reichpietsch als auch seine Eltern waren neuapostolische Christen.[1] Im Alter von 18 Jahren hatte er sich 1912 freiwillig zur Marine gemeldet. Unter dem Eindruck des Krieges, unter anderem als Teilnehmer der Skagerrakschlacht, verbunden mit den Schikanen der Offiziere und der mangelhaften Verpflegung – Mannschaften wurden schlechter versorgt als die Offiziere – wandelte er sich zum Kriegsgegner.
Reichpietsch wurde verhaftet und am 26. August 1917 als „Haupträdelsführer“ wegen „vollendeten Aufstandes“ zusammen mit Köbis, Sachse, Weber und Beckers in einem Kriegsgerichtsverfahrenzum Tode verurteilt. Reichpietsch hatte bereits zuvor insgesamt vierzehn Disziplinar- und Feldkriegsgerichtsstrafen wegen verschiedener Delikte, darunter Unpünktlichkeit, Fernbleiben vom Dienst, Ungehorsam und Diebstahl, erhalten. Das gegen ihn verhängte Todesurteil war eines von 150 während des gesamten Krieges im Deutschen Reich, von denen aber nur 48 vollstreckt wurden.[2]
Die gegen Sachse, Weber und Beckers verhängten Todesurteile wurden in Zuchthausstrafen von je 15 Jahren umgewandelt. Am 5. September 1917 wurden die Todesurteile gegen Max Reichpietsch und Albin Köbis auf dem Schießplatz Wahn bei Köln vollstreckt. Heute befindet sich dort die Luftwaffenkaserne Wahn.
Wilhelm Dittmann, links-sozialdemokratischer Politiker und Mitglied des Reichstags, beurteilte das Gerichtsverfahren in seiner späteren Schrift Die Marine-Justizmorde von 1917 und die Admirals-Rebellion von 1918[3] als einen „militärischen Willkürakt aus politischen Motiven“.
Die auf dem Gelände der Luftwaffenkaserne Wahn gelegenen Grabstätten von Max Reichpietsch und Albin Köbis sind bis heute für den normalen Publikumsverkehr unzugänglich. Für den Besuch der Gräber ist eine Erlaubnis der Bundeswehr sowie eine damit einhergehende Registrierung erforderlich. Die Bundesregierung begründete die Besuchsrestriktionen, reagierend auf eine Anfrage der Partei Die Linke, im Oktober 2007 mit der Stellungnahme, die politischen Motive der Matrosen sowie die Vorgänge des Jahres 1917 seien in der deutschen Militärgeschichtsschreibung noch nicht ausreichend erforscht.[4]
Politische Verwendung
Die Neuapostolische Kirche (NAK) in der DDR (namentlich 'leitende Amtsträger') propagierte gegenüber den staatlichen Organen die Tatsache, dass sowohl Albin Köbis als auch Max Reichpietsch neuapostolisch und Anhänger der revolutionären Antikriegsbewegung waren, als Existenzberechtigung im real existierenden Sozialismus.[5]
Erinnerung
Theodor Plivier widmete seinen Roman Des Kaisers Kulis. Roman der deutschen Flotte 1930 Alwin Köbis’ und Max Reichpietsch.
In Köln-Porz-Wahn wurden Mitte der 1990er-Jahre zwei Straßen nach Albin Köbis und Max Reichpietsch benannt. Dort gedachten zum hundertsten Jahrestag 2017 der DGB, das Friedensbildungswerk und die SJD/Falken der Erschießung am 5. September.[6]
In der Luftwaffenkaserne in Köln-Porz-Wahn befindet sich auf dem Militärfriedhof ein Gedenkstein mit den Reliefbildern von Max Reichpietsch und Albin Köbis. In Porz-Wahn gab es während der Weimarer Republik (KPD, Rotfrontkämpferbund, …) Gedenkveranstaltungen mit tausenden Teilnehmern und in der Bundesrepublik Kundgebungen und Demonstrationen zur Gedenkstätte. Die letzten größeren am 30. März 1991 (PI-DAP, DKP, AL, …) und am 4. September 1993 (Antifaschistische Ortsgruppe Porz, AABO) mit je 300–500 Teilnehmern.
In Leipzig ist eine Straße in Reudnitz nach Reichpietsch benannt.
Im Weimarer Ortsteil Schöndorf gibt es eine Max-Reichpietsch-Straße.
Im Rostocker Ortsteil Markgrafenheide sind zwei Straßen nach Köbis und Reichpietsch benannt.
In Schwerin ist die Max-Reichpietsch-Straße nach ihm benannt.
In Greifswald, an der ehemaligen „GST-Hochsee-Yachten-Station“ Greifswald-Wieck, der späteren GST-Marineschule „August Lütgens“, trugen zwei Hochsee-Yachten seinen Namen: 1. Die YawlMax Reichpietsch (I), 80 m² Segelfläche, war dort von 1954 bis 1958 stationiert und wurde anschließend nach Wismar verlegt. 2. Die Segeljacht der 8-CR-Klasse Max Reichpietsch (II) gehörte von 1958 bis 1962 zum Greifswalder GST-Schulschiffsbestand und kam anschließend nach Ückermünde, Betriebsberufsschule „Max Reichpietsch“" der VEB Nachrichtenelektronik Greifswald.
In Berlin-Grünau findet jährlich ein „Max Reichpietsch Albin Köbis Gedächtnis Pokal“ statt – im Jahr 2018 zum 65. Mal.[10] Hierbei handelt es sich um eine Segelregatta auf dem Müggelsee.
Literatur
Illustrierte Geschichte der Deutschen Revolution. Internationaler Arbeiter-Verlag, Berlin 1929, S. 158–159 (Reprint: Verlag Neue Kritik, Frankfurt 1970, ISBN 3-8015-0073-X) mit Fotografie.
Nicolas Offenstadt: Die „Roten Matrosen“ von 1917. Albin Köbis und Max Reichpietsch, Helden der DDR. In: Emmanuel Droit, Nicolas Offenstadt (Hrsg.): Das rote Erbe der Front. Der Erste Weltkrieg in der DDR. DeGruyter, Berlin / Boston 2022, ISBN 978-3-11-071073-1, S. 117–164.
Christoph Regulski: Lieber für die Ideale erschossen werden, als für die sogenannte Ehre fallen. Albin Köbis, Max Reichpietsch und die deutsche Matrosenbewegung 1917. Marix-Verlag, Wiesbaden 2014, ISBN 978-3-86539-378-4.