Seine musikalische Erziehung erhielt Niccolò Piccinni in Neapel,[2] 1742–1744 durch den Opernkomponisten Leonardo Leo[2] und danach bei Francesco Durante bis 1754 am Conservatorio di Sant’Onofrio. Sein Vater war Musiker, seine Mutter war die Schwester des Opernkomponisten Gaetano Latilla.[3] In Neapel debütierte er 1754 am Theatro dei Fiorentini mit seiner ersten Opera buffaLe donne dispettose. Es folgten 1756 und 1757 die Opere serieZenobia und Nitteti.[4] Am 30. Juli 1756 heiratete er seine 14-jährige Gesangsschülerin Sibilla Vincenza.[5][6]
Rom
1758 wurde Piccinni nach Rom eingeladen und hatte von hier aus seinen ersten europäischen Erfolg mit der Opera buffa La buona figliuola (La Cecchina, 1760), deren Text von Carlo Goldoni nach Richardsons Roman Pamela stammte. In Rom komponierte er weiterhin sowohl Opern im Stile der opera seria nach Texten Pietro Metastasios als auch opere buffe. 1773 kehrte er nach Neapel zurück, wo er zweiter Domkapellmeister und zweiter Organist der königlichen Kapelle wurde.[4]
Pariser Oper und der Piccinnistenstreit
Schon seit Beginn des 18. Jahrhunderts spielte sich in Paris ein öffentlich ausgetragener Streit um Stilfragen der Oper ab. Seitdem der Abbé und Kirchenjurist François Raguenet bei einer Italienreise die italienische Oper kennengelernt und 1702 in Paris öffentlich dafür Partei genommen hatte, diskutierten der königliche Hof und die Pariser Gesellschaft leidenschaftlich die Frage nach dem Vorrang der italienischen vor der französischen Oper, und umgekehrt.[7]
Fünfzig Jahre später flammte die öffentliche italienisch/französische Kontroverse im sogenannten „Buffonistenstreit“ wieder auf, nachdem eine erfolgreiche italienische Buffotruppe mit La serva padrona (Die Magd als Herrin) von Giovanni Battista Pergolesi in Paris für Begeisterung gesorgt hatte.[8]
Weitere zwanzig Jahre später verlangte das Pariser Opernpublikum – eine speziell italianisierende Partei – erneut nach einem italienischen Komponisten, der das italienische Melos vertreten sollte. Der Neapolitanische Botschafter in Paris, Domenico Caracciolo, empfahl seinen Landsmann Piccinni. Da inzwischen der französische König, Ludwig XV., gestorben war, gab es Verzögerungen, sodass aus Wien Christoph Willibald Gluck berufen wurde.[9][4]
Piccinni wurde nun selbst – nach seiner Ankunft 1776 in Paris – in den erneuten Opern-Streit, nun zwischen den „Gluckisten“ und den rivalisierenden, ihn als Aushängeschild benutzenden „Piccinnisten“ hineingezogen. Dieser Streit machte Geschichte im Zusammenhang mit der „Gluckschen Opernreform“.
„In diesem Konflikt, der unter dem Namen „Piccinnisten-Streit“ in die Musikgeschichte eingegangen ist, behielt Piccinni fast als einziger Würde und Glaubwürdigkeit. Seine Fähigkeit, sich den Erfordernissen der französischen Opernbühne anzupassen (was er übrigens in weit höherem Maße tat, als Gluck), zeugt von großem kompositionstechnischen Können und Selbstvertrauen.“
Gluck kehrte 1779 nach Wien zurück, während Piccinni in Paris blieb und als Opernleiter an der Académie royale die Leitung einer italienischen Operntruppe übernahm. Er schuf sechs Opern im Stil der französischen Tragédie lyrique, der Hauptform der französischen Oper. 1783 hatte seine Didon großen Erfolg.[11]
Als italienischer Gesangslehrer wurde Piccinni 1784 Professor an der neugegründeten École Royale de Chant et de Déclamation (königliche Schule für Gesang und Deklamation), dem heutigen Conservatoire de Paris. Nach Ausbruch der Französischen Revolution 1789 verlor er diese Stellung und kehrte nach Italien zurück, wo er abwechselnd in Venedig, Rom und Neapel lebte und Opern aufführte. Aus politischen Gründen – man unterstellte ihm Republikanismus[2] – hatte er eine vierjährige[2] Arreststrafe abzusitzen. 1798 kehrte er nach Paris zurück. Dort war Piccinni Mitglied einer Freimaurerloge, der sogenannten Philosophenloge Neuf Sœurs in Paris.[12] 1800 starb er verarmt[2] in Passy bei Paris.
In seiner Geburtsstadt Bari wurde nach seinem Tod an seinem Geburtshaus eine Gedenktafel angebracht und eine Straße („Via Piccinni“) sowie das „Conservatorio di Musica N. Piccinni“ nach ihm benannt.[13]
Im Jahr 1854 wurde in Bari das ihm zu Ehren „Teatro Piccinni“ benannte Opernhaus eröffnet.
Werke
Piccinnis Gesamtwerk ist seinem Umfang nach noch nicht erschlossen. Ausführliche Listen seiner Werke sind in MGG 2 2005, in New Grove Dictionary of Opera 1998 und in Rivista musicale italiana, viii. 75 veröffentlicht. Die in den Quellen angegebene Anzahl seiner (italienischen) Opern – sie zeigen in späteren Jahren französische und deutsche Einflüsse – schwankt zwischen 80 und 120. Weitere Vokal-Kompositionen, darunter Oratorien, gehören zur Kirchenmusik.
Sabine Ehrmann-Herfort, Ludwig Finscher, Giselher Schubert (Hrsg.): Europäische Musikgeschichte 1. Bärenreiter/Metzler Kassel 2002, ISBN 3-7618-2024-0 (Bärenreiter), ISBN 3-476-01909-8 (Metzler).
Wolfram Ensslin: Niccolò Piccinni: Catone in Utica. Quellenüberlieferung, Aufführungsgeschichte und Analyse (= Quellen und Studien zur Geschichte der Mannheimer Hofkapelle. Bd. 4). Lang, Frankfurt am Main u. a. 1996, ISBN 3-631-49810-1 (Zugleich: Heidelberg, Universität, Magisterarbeit, 1994).
Elisabeth Schmierer: Artikel Piccini, Niccolò in Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG 2), Personenteil 13, Bärenreiter Kassel, 2005 (→ hauptmaßgeblich für die Vita).
Elisabeth Schmierer: Die Tragèdies lyriques Niccolò Piccinnis. Zur Synthese französischer und italienischer Oper im späten 18. Jahrhundert (= Thurnauer Schriften zum Musiktheater. Bd. 18). Laaber-Verlag, Laaber 1999, ISBN 3-89007-497-9 (Zugleich: Berlin, Technische Universität, Habilitations-Schrift, 1996).
↑Elisabeth Schmierer: Artikel Piccini, Niccolò. in Musik in Geschichte und Gegenwart.
↑ abcdeClive Unger-Hamilton, Neil Fairbairn, Derek Walters; deutsche Bearbeitung: Christian Barth, Holger Fliessbach, Horst Leuchtmann et al.: Die Musik – 1000 Jahre illustrierte Musikgeschichte. Unipart-Verlag, Stuttgart 1983, ISBN 3-8122-0132-1, S.88.
↑The New Grove Dictionary of Opera. Vol. 3, 1998. Artikel Piccinni, (1) Niccolò, der sich auf alte Quellen stützt.
↑ abcArtikel Piccinni. In: Riemann Musik Lexikon. 2012, Bd. 4.
↑July 30, 1756 auf musicandhistory.com, abgerufen am 19. Februar 2014.
↑Piccini (Nicolo-Louis). in: Allgemeine deutsche Real-Encyklopädie für die gebildeten Stände. Band 8. Brockhaus, Leipzig 1827, OCLC311708826, S. 537. (online)
↑Wilhelm Seidel: Der Streit um die italienische und die französische Oper um 1700. In: Europäische Musikgeschichte 1. S. 320.
↑Gerhard Allroggen: Opernreform und Publizistik in Paris. (Darin: Der Buffonisten-Streit. S. 552ff). In: Europäische Musikgeschichte 1.
↑Gerhard Allroggen: Der Streit zwischen Gluckisten und Piccinnisten. In: Europäische Musikgeschichte 1. S. 568.
↑Gerhard Allroggen: Europäische Musikgeschichte 1. S. 569.