Die Parlamentswahl in Norwegen 2021 (norwegisch Bokmål: Stortingsvalget 2021, nynorsk: Stortingsvalet 2021) fand am 13. September 2021 statt. Dabei wurden 169 Abgeordnete aus 19 Wahlkreisen für das norwegische Nationalparlament Storting gewählt. Das gewählte Parlament trat am 1. Oktober 2021 zusammen, die feierliche Eröffnung fand am 11. Oktober 2021 statt.[2] Die Wahlkreise sind wegen der landesweiten Regionalreform anders als bei den vorherigen Wahlen nicht mehr deckungsgleich mit den Provinzen (Fylker).
Bei der Wahl wurden die 169 Mitglieder des Stortings für die Legislaturperiode 2021–2025 bestimmt. Die 19 Wahlkreise wurden von den vorherigen Parlamentswahlen übernommen. Erstmals waren die verwendeten Wahlkreise jedoch nicht mehr deckungsgleich mit den Fylkern, also den norwegischen Provinzen. Grund hierfür war die von 2018 bis 2020 durchgeführte Regionalreform, bei der mehrere Fylker fusioniert worden waren. Dass die Wahlkreise beibehalten werden würden, wurde im Juni 2018 vom Storting beschlossen. Lediglich bei einzelnen Kommunen, die im Rahmen der Kommunalreform verändert wurden, kam es zu Veränderungen bei der Kreiszugehörigkeit.[3][4] Dieser Fall traf beispielsweise bei der Kommune Lunner zu, die bis Ende 2019 zu Oppland gehörte, im Gegensatz zu den restlichen Gemeinden Opplands aber nicht in das neue Fylke Innlandet überging, sondern in das ebenfalls neue Fylke Viken. Lunner ging in der Folge zum Wahlkreis Akershus über.[5]
Die Anzahl der Parlamentssitze pro Wahlkreis wurde basierend auf der Fläche und Einwohnerzahl der einzelnen Wahlkreise berechnet. Diese Berechnung wird vom Kommunalministerium alle acht Jahre neu durchgeführt und beruhte für die Wahl 2021 auf den Werten vom 1. Januar 2020. Verglichen zur Wahl 2017 fiel die Mandatsverteilung etwas anders aus, da es vor allem in Akershus und Oslo zu einem größeren Bevölkerungsanstieg gekommen war.[6][7] In jedem Wahlkreis werden alle Sitze bis auf einen anhand des dortigen Wahlergebnisses bestimmt. Der verbleibende Sitz dient als Ausgleichsmandat, wodurch landesweit eine annähernd proportionale Repräsentation gewährleistet werden soll. Ausgleichsmandate werden nur an Parteien verteilt, die landesweit mindestens vier Prozent der Stimmen erhalten. Parteien, die bei den Ausgleichsmandaten nicht berücksichtigt werden, da sie Werte unter der 4-Prozent-Hürde erreichen, können über die in den Wahlkreisen gewonnenen Mandate trotzdem ins Storting einziehen.[8][9]
Tritt eine Person in mehreren Wahlkreisen gleichzeitig an und wird sie in mehr als einem gewählt, so darf sie sich aussuchen, welchen Wahlkreis sie vertritt. Vor allem kleinere Parteien, darunter auch Parlamentsparteien wie etwa die Kristelig Folkeparti und Venstre, entschieden sich dafür, in unterschiedlichen Wahlkreisen mit den gleichen Listen anzutreten.[10][11] Vereinzelt kandidierten Personen parteiintern für verschiedene Wahlkreise, obwohl die Partei dort auf unterschiedliche Wahllisten setzte. So trat etwa FrP-Politiker Jon Helgheim in Oslo an, nachdem er zuvor eine Kampfabstimmung in Buskerud verloren hatte.[12]
Am 6. März 2020 wurde bekannt gegeben, dass die Wahl auf Montag, den 13. September 2021 angesetzt werde. Die einzelnen Kommunalparlamente selbst durften entscheiden, ob zusätzlich auch am 12. September 2021, also am Sonntag, gewählt werden durfte. 159 der 356 norwegischen Kommunen entschieden sich dafür, zwei Wahltage zu haben.[14][15] Vom 10. August bis zum 10. September 2021 war zudem in allen Kommunen eine vorzeitige Stimmabgabe möglich.[16] Die Wahlen in Norwegen finden montags statt, gesetzlich vorgeschrieben ist zudem der September als Wahlmonat.[17][18] Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern sind in Norwegen keine vorgezogenen Wahlen im Grundgesetz vorgesehen. Weder die Regierung noch das Parlament kann solche anordnen.[19]
Für die vorzeitige Stimmabgabe bis zum 10. September 2021 wurden 843 Wahllokale eingerichtet. Im Ausland war bis zum 3. September 2021 die vorzeitige Wahl an 266 Orten in 123 verschiedenen Ländern möglich. 621 Wahllokale in 159 Kommunen waren am 12. September 2021 geöffnet. Am für alle Kommunen geltenden Wahltag, dem 13. September 2021, waren 1975 Wahllokale vorgesehen. Die Öffnungszeiten waren ortsabhängig, am 13. September 2021 mussten die Lokale jedoch bis spätestens 21 Uhr schließen.
Es war den Kommunen vorgeschrieben, die abgegebenen Stimmzettel doppelt auszuzählen. Die erste Auszählung musste per Hand geschehen, die zweite konnte auch maschinell erfolgen. 189 der 356 Kommunen gaben an, eine maschinelle zweite Auszählung durchzuführen.[22]
Aus der Parlamentswahl am 9. September 2013 ging am 13. Oktober 2013 die bürgerliche Regierung Solberg hervor. Es handelte sich dabei zunächst um eine Minderheitsregierung der konservativen Høyre und der rechten Fremskrittspartiet (FrP). Die Regierung war somit meist auf die Stimmen der christdemokratischen Kristelig Folkeparti (KrF) oder der sozialliberalen Venstre angewiesen.[31] Die Venstre-Partei begann im Anschluss an die Wahl im September 2017 Koalitionsverhandlungen mit der Regierung Solberg und im Januar 2018 wurde die neue Minderheitsregierung mit Beteiligung von Venstre-Politikern vorgestellt.[32][33]
Diese neue Minderheitsregierung wurde im Storting von der KrF gestützt, da im Gegensatz zur Zeit von der Wahl 2017 nicht mehr die Unterstützung von der Partei Venstre alleine ausreichte. Im November 2018 führte die KrF eine Abstimmung über die zukünftige Ausrichtung der Partei durch. Der damalige KrF-Vorsitzende Knut Arild Hareide sprach sich für eine linke Regierung unter Arbeiderpartiet-Politiker Jonas Gahr Støre aus.[34] Hareide verlor die Abstimmung, sein Parteikollege Kjell Ingolf Ropstad nahm die Verhandlungen mit der Regierung auf und wurde später neuer KrF-Vorsitzender. Im Januar 2019 wurde schließlich das neue Regierungsteam vorgestellt, wobei die Regierung nun erstmals eine Mehrheit im Parlament hatte.[35][36]
Bei den landesweiten Kommunal- und Fylkestingswahlen im September 2019 gehörte die Senterpartiet zu den Wahlgewinnern. Die Regierungsparteien sowie die Arbeiderpartiet mussten hingegen einen Stimmenverlust hinnehmen.[37][38] Im Januar 2020 kündigte schließlich die FrP ihren Austritt aus der Regierung Solberg an, nachdem es zum Streit über die Rückholung einer mutmaßlichen IS-Anhängerin gekommen war. Am 24. Januar wurde das neue Kabinett vorgestellt und somit erneut eine Minderheitsregierung mit Beteiligung von Høyre, Venstre und KrF gebildet.[39]
Parteien und Kandidaten
Teilnehmende Parteien
Die Wahllisten mussten bis zum 31. März 2021 von den Parteien eingereicht werden, bis zum 1. Juni 2021 musste von staatlicher Seite entschieden werden, ob die Einreichungen den Wahlgesetzen entsprechen.[40] Insgesamt wurden 361 Listen von 25 Parteien in den 19 Kreisen zugelassen. Auf den Listen waren 5174 Kandidierende gelistet, aufgrund von Mehrfachaufstellung standen dahinter jedoch nur 4152 Personen. Hinter den 5174 Listenplätze wurden 2052 Frauen und 3117 Männer geführt. Angeführt wurden die Listen in 241 Fällen von Männern, in 120 Fällen von Frauen. Als Durchschnittsalter wurde bei den Männern ein Alter von 50 und bei den Frauen ein Alter von 46 Jahren berechnet.[22] Folgende Parteien traten in allen Wahlkreisen an, manche davon stellten in mehreren Wahlkreisen die gleiche Liste:[41]
Die Arbeiderpartiet trat in allen Wahlkreisen mit unterschiedlichen Parteilisten an. Der Parteivorsitzende Jonas Gahr Støre wurde auf dem ersten Platz der Arbeiderpartiet-Liste in Oslo aufgestellt.
Die Partei Høyre trat in allen Wahlkreisen mit unterschiedlichen Parteilisten an. Die Ministerpräsidentin und Parteivorsitzende Erna Solberg wurde auf den ersten Platz der Høyre-Wahlliste in Hordaland gewählt.
Die Fremskrittspartiet trat in allen Wahlkreisen mit unterschiedlichen Parteilisten an. Die Parteivorsitzende Sylvi Listhaug, die im Mai 2021 zur Nachfolgerin von Siv Jensen gewählt wurde, wurde auf den ersten Platz der FrP-Wahlliste in Møre og Romsdal gewählt.
Die Senterpartiet trat in allen Wahlkreisen außer Vest- und Aust-Agder mit unterschiedlichen Parteilisten an. Der Parteivorsitzende Trygve Slagsvold Vedum wurde auf den ersten Platz der Senterpartiet-Wahlliste in Hedmark gewählt.
Die Sosialistisk Venstreparti (SV) trat in allen Wahlkreisen mit unterschiedlichen Wahllisten an. Der Parteivorsitzende Audun Lysbakken wurde auf den ersten Platz der SV-Wahlliste in Hordaland gewählt.
Die Partei Venstre trat nicht in allen Wahlkreisen mit unterschiedlichen Parteilisten an. Die Parteivorsitzende Guri Melby wurde auf den ersten Platz der Venstre-Wahlliste in Oslo gewählt.
Die Kristelig Folkeparti (KrF) trat nicht in allen Wahlkreisen mit unterschiedlichen Parteilisten an. Der Parteivorsitzende Kjell Ingolf Ropstad etwa wurde auf die ersten Plätze der KrF-Wahllisten in Vest-Agder und Aust-Agder gewählt.
Die Miljøpartiet De Grønne (MDG) trat nicht in allen Wahlkreisen mit unterschiedlichen Parteilisten an. Die Parteivorsitzende Une Aina Bastholm wurde auf den ersten Platz der MDG-Wahlliste in Akershus gewählt. Bei der Wahl 2017 zog Bastholm für Oslo in das Storting ein.
Die Partei Rødt trat in allen Wahlkreisen mit unterschiedlichen Parteilisten an. Der Parteivorsitzende Bjørnar Moxnes wurde auf den ersten Platz der Rødt-Wahlliste in Oslo gewählt.
Am 16. August 2021 strahlte NRK1 eine ebenfalls während der Arendalsuka veranstaltete Diskussionsrunde aller neun Parteivorsitzenden der Parlamentsparteien aus. Als Moderator war Fredrik Solvang im Einsatz. Es folgten in den Wochen darauf weitere Wahlsendungen. Zu diesen gehören unter anderem Einzelinterviews mit allen Parteivorsitzenden der größeren Parteien (Partilederutspørring) sowie die von Ingerid Stenvold moderierte Sendereihe Din stemme.[42]
Am 31. August 2021 strahlte TV2 eine in Bergen stattfindende Diskussionsrunde aller neun Parteivorsitzenden der Parlamentsparteien aus.[43] Am 8. September 2021 folgte dort eine zweite Runde. Diese wurde in der Deichmanske bibliotek in Oslo abgehalten.[44]
Am 10. September 2021 fand die letzte Debatte zwischen den neun Parteivorsitzenden beim NRK statt. Die Diskussionsrunde in Bodø moderierten Fredrik Solvang und Atle Bjurstrøm.[45]
Zu Kritik führten die mehrfach umgesetzten Pläne, Diskussionen zwischen den drei als Statsminister-Kandidaten geltenden Parteivorsitzenden Solberg, Støre und Vedum zu veranstalten. Wegen der von Arbeiderpartiet und Senterpartiet angestrebten Regierungszusammenarbeit wurde dies zum Teil als „2 gegen 1“ empfunden.[46][47]
Ergebnisse
Wahlbeteiligung
Insgesamt waren bei der Wahl 3.891.736 Personen wahlberechtigt. Insgesamt wurden 3.003.290 gültige Stimmen abgegeben. Die Wahlbeteiligung lag bei 77,2 %.[48] Damit war die Wahlbeteiligung um einen Prozentpunkt geringer als bei der Wahl 2017, wo sie bei 78,2 % lag.[49] 194.191 Personen wählten am Sonntag, dem 12. September 2021 in einer der 159 Kommunen, die auch am Sonntag eine Stimmabgabe ermöglichten. Insgesamt gaben 1.645.913 Wählende und damit 47,28 % der Stimmberechtigten bereits vor dem eigentlichen Wahltag am Montag, dem 13. September 2021, ihre Stimme ab. Im Wahlkreis Oslo war der Anteil mit 54,34 % am höchsten.[50]
Die Parteien Arbeiderpartiet, Høyre, Senterpartiet, Fremskrittspartiet, Sosialistisk Venstreparti, Rødt und Venstre erreichten jeweils über vier Prozent. Damit wurden sie auch bei der Verteilung der Ausgleichsmandate berücksichtigt. Knapp unter die vier Prozent fielen die beiden Parteien Miljøpartiet De Grønne (MDG) und Kristelig Folkeparti (KrF). Beide Parteien waren damit von Ausgleichsmandaten ausgeschlossen, erzielten aber trotzdem jeweils drei Mandate in einzelnen Wahlkreisen.[48] Weit unter die vier Prozent fiel die Partei Pasientfokus, die nur im einwohnerärmsten Wahlkreis Finnmark angetreten war, dort aber ein Mandat erreichen konnte.[51]
Ministerpräsidentin Erna Solberg räumte noch am Wahlabend ihre Niederlage ein.[52] Als ihr Nachfolger wurde Jonas Gahr Støre ausgemacht, dessen Arbeiderpartiet gegenüber dem dritten Kandidaten Trygve Slagsvold Vedum (Senterpartiet) ein deutlich besseres Ergebnis erzielte.[53] Støre erklärte, eine Regierung aus Arbeiderpartiet, Senterpartiet und Sosialistisk Venstreparti (SV) zu bevorzugen. Er sagte zudem aus, auch ein Gespräch mit den Parteien Rødt und Miljøpartiet De Grønne zu suchen.[54] Der Vorsitzende der Senterpartiet, Trygve Slagsvold Vedum, erklärte nach der Wahl, dass eine Regierung aus Arbeiderpartiet und Senterpartiet die beste Möglichkeit sei, er aber die Gespräche mit den anderen Parteien abwarte.[53]
Es kam in der Folge nach der Wahl zunächst zu Sondierungsgesprächen zwischen Arbeiderpartiet, Senterpartiet und SV. Die SV verkündete am 29. September 2021, dass sie sich nicht an einer Regierung beteiligen werde. Der SV-Vorsitzende Audun Lysbakken erklärte, dass es in mehreren Fragen und insbesondere im Bereich der Ölpolitik keine Einigung gegeben habe.[55] Die Parteien Arbeiderpartiet und Senterpartiet verständigten sich darauf, die Verhandlungen ohne die SV weiterzuführen.[56] Am 8. Oktober 2021 verkündeten Støre und Vedum, dass sie eine Einigung zur Regierungsbildung bestehe.[57]
Am 14. Oktober 2021 wurde Støre zum neuen Statsminister ernannt und er präsentierte die Regierung Støre.[58]
Umfragen
Umfragen vor der Wahl
September-Umfragen
1. bis 12. September 2021; im Vergleich zur Wahl 2017
↑Reinhard Wolff: Neue Regierung in Norwegen: Drei Frauen sind am Ruder. In: Die Tageszeitung: taz. 15. Januar 2018, ISSN0931-9085 (taz.de [abgerufen am 30. April 2020]).
↑Olav Garvik, Stig Arild Pettersen: kommunestyre- og fylkestingsvalget 2019. In: Store norske leksikon. 18. September 2019 (snl.no [abgerufen am 30. April 2020]).
↑Hanne Skartveit, Tone Sofie Aglen, Astrid Meland: VGs dom: Erna Solberg er debattens vinner. In: VG. 8. September 2021, abgerufen am 10. September 2021 (norwegisch (Bokmål)).
↑Mats Rønning: Støre:– Dette er min deal. In: NRK. 10. September 2021, abgerufen am 10. September 2021 (norwegisch (Bokmål)).