Als Sohn der Großfürstin Katharina, der späteren Kaiserin Katharina II. (Katharina die Große), wurde er von ihrem Gemahl Großfürst Peter, dem späteren Kaiser Peter III., als legitimer Nachkomme anerkannt. Peter war, anders als im Falle anderer Kinder, zeitlebens überzeugt, dass Paul sein leiblicher Sohn sei. Es gibt Vermutungen, Paul sei das Kind von Sergei Wassiljewitsch Graf Saltykow gewesen, doch gibt es dafür bis heute keinerlei Beweise. Paul wurde sofort nach der Geburt von seiner Mutter getrennt und wuchs am Hof seiner Großtante, der Kaiserin Elisabeth Petrowna, auf. Sie beabsichtigte zeitweilig sogar, ihn an Peters Stelle zum Erben zu machen.
Nach dem Sturz und der Ermordung Peters III. 1762 lebte Paul mit seiner Familie auf Schloss Gattschina mit eigenem Hofstaat und einer kleinen Armee, einem Geschenk seiner Mutter. Gewalt, die er in seiner Kindheit erlitten hatte, und die Entfremdung von der Mutter machten ihn reizbar und misstrauisch gegenüber seiner Umgebung. 1773 zwang ihn seine Mutter, auf sein väterliches Erbe, das Herzogtum Schleswig-Holstein-Gottorf, zu verzichten.
Am Todestag Katharinas der Großen, dem 17. November 1796, erklärte sich der 42-jährige Paul zum Kaiser. Am 5. April 1797 erließ er, wohl aus Hass auf seine Mutter, die ihn zeitlebens gedemütigt hatte, ein Dekret, das nur noch männliche Nachkommen zur Thronfolge zuließ. Am 17. April erfolgte seine offizielle Krönung.
Wie von einer fixen Idee besessen verfügte er in allen Dingen das genaue Gegenteil dessen, was zur Zeit seiner Mutter angeordnet worden war, und schloss zugleich in vielen Punkten an die Pläne seines Vaters Peter III. an, die dieser aufgrund seiner Ermordung nicht hatte umsetzen können: Er amnestierte die durch den Geheimen Staatsrat Verurteilten, befreite die politischen Gefangenen und schaffte die Wehrpflicht ab. Er schränkte die Macht der Grundbesitzer über die Leibeigenen ein und begrenzte deren Pflichtarbeit für die Landbesitzer auf drei Tage je Woche. In der Armee ließ der (genau wie schon Peter III.) als Bewunderer preußischer Bräuche bekannte Paul wieder die Soldatenzöpfe einführen, die zuvor von Grigori Potjomkin abgeschafft worden waren. König Friedrich II. von Preußen, dem viel am Wohlwollen des künftigen Zaren lag, verlieh schon dem Thronfolger Paul 1771 den höchsten preußischen Orden, den Schwarzen Adlerorden[1].
Aus Dankbarkeit für die Zuflucht in Russland setzten 1798 die Ritter des Malteserordens ihren GroßmeisterHompesch ab und erklärten den Kaiser Paul zum Großmeister (de facto, nicht de jure); nach dessen Ermordung (1801) wurde 1803 wieder ordnungsgemäß ein römisch-katholischer Großmeister gewählt.
Vor seinem Schloss ließ Paul das Reiterstandbild Peters des Großen mit der Inschrift „Dem Urgroßvater vom Urenkel“ aufstellen. Aufgrund zahlreicher Morddrohungen ließ sich Paul zur eigenen Sicherheit ein massives Hochsicherheitsschloss bauen (die heutige Michaelsburg). Als Standort wurde eine kleine Insel zwischen den Flüssen Fontanka, Moika und zwei Kanälen ausgewählt.
Nach sechs Jahren Bauzeit wurde der Palast am 1. November 1800 der offizielle Wohnsitz der Familie des Kaisers. Das moderne Schloss mit seinen Zugbrücken, Wachen, den vielen Räumen, Gängen, Ebenen und zahlreichen Sicherheitsanlagen half Paul jedoch nicht. In der Nacht des 11. Märzjul. / 23. März1801greg. fiel Paul I. einem Attentat von Verschwörern aus Kreisen des Adels (Mörder Subow, von der Pahlen, Graf Bennigsen) zum Opfer: Sie erdrosselten ihn mit seiner eigenen Schärpe, nachdem er sich geweigert hatte, seine Abdankung zu unterschreiben. Die Absetzung, nicht jedoch der Mord, soll mit dem stillen Einverständnis von Pauls Sohn Alexander geschehen sein, der nach der Tat als Alexander I. auf den Thron kam. Nach der Ermordung des Kaisers zog seine Familie ins Winterpalais zurück.
1773 schloss er seine erste Ehe mit der deutschen Prinzessin Wilhelmina Luisa von Hessen-Darmstadt (1755–1776), die nach der Annahme des russisch-orthodoxen Glaubens Natalja Alexejewna hieß. Sie starb bereits am 15. Apriljul. / 26. April 1776greg., zwei Tage nach der Geburt ihres ersten Kindes.
Am 7. Oktoberjul. / 18. Oktober 1776greg. heiratete er die deutsche Prinzessin Sophie Dorothee von Württemberg (1759–1828), die nach der Annahme des russisch-orthodoxen Glaubens Maria Fjodorowna hieß. Sie brachte zehn Kinder zur Welt: vier Söhne und sechs Töchter, unter ihnen die späteren Kaiser Alexander I. und Nikolaus I.:
Alexander I. (* 23. Dezember 1777; † 1. Dezember 1825), Kaiser von Russland und König von Polen ⚭ Louise, Prinzessin von Baden
Konstantin (* 8. Mai 1779; † 27. Juni 1831) ⚭ Juliane, Prinzessin von Sachsen-Coburg-Saalfeld
Alexandra (* 9. August 1783; † 16. März 1801) ⚭ Joseph, Erzherzog von Österreich
Helene (* 24. Dezember 1784; † 24. September 1803) ⚭ Friedrich Ludwig, Erbprinz von Mecklenburg-Schwerin
Maria (* 16. Februar 1786; † 23. Juni 1859) ⚭ Carl Friedrich, Großherzog von Sachsen-Weimar-Eisenach
Anna (* 18. Januar 1795; † 1. März 1865) ⚭ Wilhelm II., König der Niederlande
Nikolaus I. (* 6. Juli 1796; † 2. März 1855), Kaiser von Russland und König von Polen ⚭ Charlotte, Prinzessin von Preußen
Michail (* 8. Februar 1798; † 9. September 1849) ⚭ Charlotte, Prinzessin von Württemberg
Archivinformationen
Pauls Briefe an seine erste Schwiegermutter, Karoline von Pfalz-Zweibrücken (zusammen mit Briefen seiner ersten Frau an ihre Mutter), werden im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt aufbewahrt.[3] Darüber hinaus sind im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt auch die Briefe Pauls an seinen ersten Schwiegervater, Ludwig IX., Landgraf von Hessen-Darmstadt (zusammen mit Briefen seiner ersten Frau an ihren Vater), aufbewahrt.[4]
Valentin Zubov: Zar Paul I. Mensch und Schicksal. K. F. Koehler, Stuttgart 1963.
Bernhard A. Macek: Haydn, Mozart und die Großfürstin. Eine Studie zur Uraufführung der „Russischen Quartette“ op. 33 in den Kaiserappartements der Wiener Hofburg. Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebsges.m.b.H., Wien 2012, ISBN 3-901568-72-7.
Elena Palmer: Peter III. Der Prinz von Holstein. Sutton, Erfurt 2005, ISBN 3-89702-788-7.