Schon als Kind war er aufgrund seiner katholischen Erziehung antipreußisch eingestellt und skeptisch gegenüber den Nationalsozialisten. Früh missfiel ihm, dass aus den Schulen die Kreuze entfernt wurden. Im Jahre 1936 legte Boeselager sein Abitur im Aloisiuskolleg des Jesuitenordens in Bad Godesberg ab. Zunächst wollte er Rechtswissenschaft studieren, um in den Auswärtigen Dienst gehen zu können. Sein Großvater riet ihm wegen der Nazis ab und empfahl ihm stattdessen, in die Armee einzutreten.[3] 1936 trat Boeselager in das Reiter-Regiment 15 in Paderborn ein und wurde am 1. September 1938 zum Leutnant befördert.
Als seinen ihn durchs Leben begleitenden und von Kindheit an prägenden Wahlspruch nannte er das lateinische Sprichwort Etiam si omnes, ego non (frei übersetzt: Auch wenn alle mitmachen, ich nicht). Es ist auch die Inschrift eines 1648 erbauten Fachwerkhauses unterhalb seiner Burg Kreuzberg,[4] das Boeselager zu seinem Alterssitz gemacht hatte.[3]
Das Attentat auf Hitler
Als Ordonnanzoffizier von GeneralfeldmarschallGünther von Kluge an der Ostfront eingesetzt, erfuhr er 1941 erstmals von der systematischen Ermordung von "Juden und Zigeunern".[4] Durch Begegnungen mit hohen SS- und Parteiführern wuchs seine Überzeugung darüber, wie gewissenlos die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei mit Menschenleben umging. 1942 lernte er Henning von Tresckow bei dessen täglichem Lagevortrag in der besetzten Sowjetunion kennen und schloss sich seiner Widerstandsgruppe an.
Am 13. März 1943 war Freiherr von Boeselager als Offizier der Wehrmacht an einem versuchten Attentat auf Hitler beteiligt. Als sich bei einem Frontbesuch Hitlers die Möglichkeit für ein Attentat ergab, meldeten sich Philipp, sein Bruder Georg und sechs weitere Anwesende freiwillig für die Ausführung. Hitler sollte erschossen werden. Generalfeldmarschall von Kluge erfuhr jedoch von diesem Plan und verbot ihn, zumal auch Himmler nicht mit anwesend war und man bürgerkriegsähnliche Verhältnisse zwischen Heer und SS befürchtete.
Im Infanterieregiment 11 hatte von Boeselager während des Zweiten Weltkrieges eine heerestechnische Versuchseinheit aufgebaut und sich somit verschiedene deutsche und erbeutete Sprengstoffe besorgen können. Hieraus traf er nach Versuchen eine Auswahl für zwei Bomben, die Hitler im Flugzeug nach einem Besuch an der Ostfront töten sollten. Fabian von Schlabrendorff verbrachte die als Cognacflaschen getarnten Bomben in das Flugzeug Hitlers. Das Attentat scheiterte, wie Boeselager sagte, da die Zünder im unbeheizten Gepäckraum des Flugzeugs eingefroren waren. Er selbst sei äußerst überrascht gewesen von der Nachricht der sicheren Landung von Hitlers Flugzeug in der Wolfsschanze.
Zusammen mit seinem Bruder Georg gehörte er zu den Verschwörern des Attentats vom 20. Juli 1944. Philipp von Boeselager war Kommandeur des Reiter-Regiments 31 der 3. Kavallerie-Brigade mit sechs Schwadronen (1200 Mann), die am 18. Juli 1944 mit den Pferden zunächst in Richtung Brest-Litowsk ritten. Von dort sollten sie mit Lastkraftwagen nach Warschau fahren und von da aus mit Flugzeugen zum „führerlosen“ Berlin fliegen, um die beiden Teile des Reichssicherheitshauptamtes zu besetzen. Als er durch seinen Bruder Georg[5] mit dem Code „Zurück in die alten Löcher“ gewarnt wurde und vom Scheitern des Anschlages auf Hitler erfuhr, ließ er nach 200 km sofort kehrtmachen, um wieder zu den alten Stellungen zurückzukehren und unbemerkt zu bleiben. Er überlebte, weil „Tresckow Selbstmord verübte und Widerstandskämpfer Fabian von Schlabrendorff auch unter Folter keine Namen preisgab“.[4]
Nach 1945
Nach dem Zweiten Weltkrieg studierte Freiherr von Boeselager Jura und Volkswirtschaft in Köln und absolvierte ein Forstpraktikum. 1948 heiratete er Rosa Maria Gräfin von Westphalen zu Fürstenberg (1924–2014),[6] mit der er vier Kinder bekam, und zog auf die Burg Kreuzberg in Altenahr.
Jahrzehntelang leitete er den Forstbetrieb der Familie in Kreuzberg an der Ahr. In der Folgezeit engagierte sich Freiherr von Boeselager in verschiedenen Organisationen und Gremien der deutschen Forstwirtschaft und bekleidete hohe Ämter in der forstlichen Interessenvertretung. Dabei machte er sich auf herausragende Weise um Wald und Waldbesitz verdient, was sich in vielen hohen Auszeichnungen und Ehrenmitgliedschaften spiegelte. Die Entwicklung der deutschen Forstwirtschaft nach dem Krieg ist untrennbar mit seinem Namen verbunden.
1952 war er Gründungsvorsitzender des Waldbauvereins Ahrweiler, dem er bis zu seinem Tod vorstand. 50 Jahre lang hatte er zudem das Amt des stellvertretenden Vorsitzenden des Waldbesitzerverbandes von Rheinland-Pfalz inne. Auch auf Bundesebene betätigte er sich forstpolitisch. Von 1968 bis 1988 war er Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände (AGDW), dem Bundesverband der privaten und kommunalen Waldbesitzer in Deutschland.[2] Außerdem führte er als erster Vorsitzender den Absatzfonds der deutschen Forstwirtschaft – heute Holzabsatzfonds (HAF). Er brachte auf den Weg, dass der Wirtschaftsbereich „Holz“ 1969 Teil des Absatzfonds der deutschen Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft und die Forstwirtschaft fest in der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) verankert wurde.[1]
Besonderes Anliegen waren ihm die Selbstverwaltung des bäuerlichen Waldbesitzes sowie die Erhaltung und Stärkung des privaten und kommunalen Waldeigentums. Da es ihm stets darum ging, den Waldbesitz in seiner breiten Eigentumsstreuung zu bewahren, unterstützte er auch die Forderungen nach einer Rückgabe der im Zuge der Bodenreform zwischen 1945 und 1949 enteigneten und später in Staatsbesitz befindlichen Waldflächen an die ursprünglichen Eigentümer.[2]
In den 1950er-Jahren gehörte er zum Personalgutachterausschuss, der über die Einstellung ehemaliger Wehrmachtoffiziere in die Bundeswehr entschied. In der Bundeswehr diente Philipp Freiherr von Boeselager später als Oberstleutnant der Reserve.
Er gehörte auch zu den Gründungsmitgliedern des WWF Deutschland.
Bereits am 13. März 1946 wurde Boeselager in den Malteserorden aufgenommen und gehörte mit zu den Gründern des Malteser Hilfsdienstes. Auch die von der Deutschen Assoziation des Ordens durchgeführten Krankenwallfahrten nach Lourdes gehen auf seine Initiative zurück und er war lange Jahre als Lourdes-Kommissar des Ordens tätig.[7] Boeselager hatte zuletzt im Malteserorden den Rang eines Ehren- und Devotions-Großkreuz-Bailli in Obedienz. Sein Sohn Albrecht setzt diese Tradition fort.
Freiherr von Boeselager war ein gefragter Zeitzeuge und berichtete in Schulen und bei vielen öffentlichen Anlässen über seine Erfahrungen und Ansichten. Er gab zahlreichen Fernseh- und Radiosendern sowie Zeitungen und Zeitschriften Interviews, u. a. auch der Jungen Freiheit, sowie in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung drei Wochen vor seinem Tod.[8] Außerdem unterschrieb er den Appell für Pressefreiheit der Jungen Freiheit anlässlich der Leipziger Buchmesse.[9]
Als gläubiger Katholik setzte er sich für den Schutz des ungeborenen Lebens gegen Abtreibung ein. Aus Protest gegen den „Abtreibungskompromiss“ trat er 1993 aus der CDU aus – wie er schrieb, „in Konsequenz der zentralen Ziele – wie des Rechts auf Leben –, für deren Wiederherstellung die Männer des 20. Juli hingerichtet worden sind“.[10]
„Was auch in der Schule ertragen werden muss von den Lehrern, man muss von Kind an Zivilcourage üben, das ist entscheidend wichtig und nicht, dass man sich nur duckt.“
„Die Nationalsozialisten standen mit ihrer Anmaßung, über ‚lebensunwertes‘ Leben zu richten – seien es Behinderte, ‚Fremdrassige‘ oder sozial Andersartige –, in geistiger Tradition der atheistisch-jakobinischen Französischen Revolution und der blutigen kommunistischen Herrschaft seit 1917. Und sie finden ihre Nachfolger in allen Heutigen, soweit diese danach streben, menschliches Leben zu relativieren. Seit 1976, seit der Novellierung des Paragraphen 218, sind in Deutschland laut Dunkelziffer vermutlich bis zu acht Millionen ungeborene Kinder dieser neuen Hybris zum Opfer gefallen. Eine ethische Katastrophe unerhörten Ausmaßes!“
Tim Pröse: Philipp Freiherr von Boeselager (1917–2008). In: Ders.: Wir Kinder des 20. Juli: gegen das Vergessen: die Töchter und Söhne des Widerstands gegen Hitler erzählen ihre Geschichte. Heyne, München 2024, ISBN 978-3-453-21875-8, S. 177–193.
Philipp von Boeselager. „Wir wollten Hitler töten.“ Ein letzter Zeuge des 20. Juli erinnert sich. Hanser, München 2008, ISBN 978-3-446-23101-6 (Ungekürzte Taschenbuch-Ausgabe 2011 bei dtv, München, ISBN 978-3-423-34634-4).
Der 20. Juli 1944. Ein Zeitzeuge berichtet. Philipp Freiherr von Boeselager. Interview: Hans Sarkowicz. Hörbuch. (Doppel-CD.) Audiobuch, Freiburg i. Br. 2004, ISBN 3-89964-046-2.
Philipp Freiherr von Boeselager 80 Jahre. In: Holz-Zentralblatt. 123. Jahrgang, Folge 107/1997, S. 1524, ISSN0018-3792.
↑Wolfgang Schmid: Der Boeselager-Wettkampf. In: www.pzaufkl.de, 15. November 2005, archiviert vom Original am 22. August 2014; abgerufen am 19. Januar 2009.
↑ abVeit Scherzer: Ritterkreuzträger 1939–1945. Die Inhaber des Eisernen Kreuzes von Heer, Luftwaffe, Kriegsmarine, Waffen-SS, Volkssturm sowie mit Deutschland verbündete Streitkräfte nach den Unterlagen des Bundesarchivs. 2. Auflage. Scherzers Militaer-Verlag, Ranis/Jena 2007, ISBN 978-3-938845-17-2, S. 231.
↑N.N.: Bundesverdienstkreuz für Freiherr von Boeselager. In: AFZ/Allgemeine Forst Zeitschrift für Waldwirtschaft und Umweltvorsorge. 44. Jahrgang, Heft 27/1989, S. 725