Raymond Chandler wurde am 23. Juli 1888 als Sohn des Ingenieurs Maurice Benjamin Chandler und der Britin Florence Dart Chandler, geb. Thornton, in Chicago geboren. Beide waren Quäker. Der Vater stammte aus Philadelphia und die Mutter kam aus Waterford in Irland. Sein Vater verließ die Familie wegen einer anderen Frau; 1895 ließen sich seine Eltern scheiden und Chandler zog mit seiner Mutter nach England. Von 1900 bis 1905 besuchte Chandler das Dulwich College im Südwesten von London, wo er erstes Interesse an Fremdsprachen und Altphilologie entwickelte. Die folgenden zwei Jahre verbrachte er als Vorbereitung auf die Aufnahmeprüfung für den britischen Staatsdienst (Civil Service) in Frankreich, wo er eine Handelsschule in Paris besuchte, und in Deutschland mit Privatunterricht.
Im Jahr 1907 bestand Chandler die Prüfung als drittbester von insgesamt 600 Kandidaten. Er arbeitete ein halbes Jahr im britischen Marineministerium (Admiralty) und nach seinem Ausscheiden sporadisch als Aushilfslehrer im Dulwich College. Die Begegnung mit dem nur etwas älteren Richard Barham Middleton soll ihn stark beeinflusst haben, einer Karriere als Schriftsteller nachzugehen.[1] Ab 1908 arbeitete Raymond Chandler als Reporter in London für den Daily Express anschließend als freier Journalist für die liberale Abendzeitung The Westminster Gazette und die Wochenendzeitschrift The Academy, wo er Reportagen, Rezensionen, satirische Skizzen und Essays veröffentlichte. Insgesamt 27 Gedichte erschienen in dieser Zeit in Chambers’ Journal, The Westminster Gazette, The Academy und The Spectator.
1912 kehrte er in die Vereinigten Staaten zurück. Über St. Louis (Missouri) und Omaha (Nebraska) landete Chandler schließlich in Kalifornien, wo er auf einer Aprikosenplantage und in einer Firma für Sportartikel Arbeit fand. Im folgenden Jahr absolvierte er innerhalb von sechs Wochen einen auf drei Jahre angelegten Kurs für Buchhaltung. In der Molkerei Los Angeles Creamery wandte er die frisch erworbenen Kenntnisse als Buchhalter an. Im Jahr 1917 meldete Chandler sich als Freiwilliger in der kanadischen Armee bei den Canadian Gordon Highlanders, um im Ersten Weltkrieg auf Seiten der Entente zu kämpfen.
Chandler diente bis 1919 in Frankreich und England (Royal Flying Corps). 1919 kehrte er mit seiner Mutter nach Kalifornien zurück. 1924 heiratete er die 18 Jahre ältere Pearl Cecily Bowen, geborene Hurlburt, die er Cissy nannte, die damit ihre dritte Ehe einging. Bis 1932 ging er verschiedenen Beschäftigungen nach, so war er u. a. Direktor mehrerer kleiner unabhängiger Ölgesellschaften.
Wechsel zur Schriftstellerei
Chandler verlor 1932 in Folge der Weltwirtschaftskrise die lukrative Stelle bei der Ölgesellschaft und orientierte sich in der Folge völlig neu. So beschloss er, sich fortan dem Verfassen von Kriminalgeschichten zu widmen. 1933 erschien die erste Kurzgeschichte Chandlers („Blackmailers Don’t Shoot“) im Journal Black Mask, das sich als Serienprodukt für Kurzkrimis etabliert hatte. In den folgenden Jahren erschienen weitere Geschichten in ähnlichen Magazinen. Chandler erarbeitete sich hierbei gewissermaßen das Handwerk, um später größere Kriminalromane zu schreiben. Einige der als Kurzgeschichten publizierten Stoffe arbeitete er später zu Romanen um.
Der erste Roman The Big Sleep, der zur Vorlage für den gleichnamigen Film 1946 (dt. Tote schlafen fest) wurde, erschien 1939 und war ein großer Erfolg. 1943 ging Chandler als Drehbuchautor nach Hollywood, wo er zunächst mit Billy Wilder das Oscar-nominierte Drehbuch zu Double Indemnity (Frau ohne Gewissen) schrieb. Außerdem verfasste er unter anderem das ebenfalls Oscar-nominierte Drehbuch für den Alan Ladd/Veronica-Lake-Klassiker The Blue Dahlia (Die blaue Dahlie). Die Arbeit in Hollywood befriedigte Chandler jedoch nicht. Zu stark scheint das Schielen auf den Publikumserfolg Chandler eingeengt zu haben, weshalb es dann auch öfter zu Konflikten mit Regisseuren und Produzenten kam. 1951 arbeitete er für Alfred Hitchcock an Der Fremde im Zug. Die Zusammenarbeit funktionierte jedoch überhaupt nicht; Chandlers Versionen wurden – nach Hitchcocks Auffassung – immer schlechter, so dass Hitchcock schließlich kein Wort mehr mit ihm gesprochen haben soll. Stattdessen engagierte er Czenzi Ormonde, eine Schülerin von Ben Hecht, die das Drehbuch, basierend auf Hitchcocks ursprünglicher Storyline, zusammen mit Barbara Keon, einer Produktionsassistentin von Hitchcock und dessen Frau Alma Hitchcock, fast komplett neu schrieb.[2]
Im Dezember 1954 starb Chandlers Frau. Er drohte in den folgenden Monaten mehrmals mit Selbstmord. Im Februar 1955 versuchte er, sich in der Dusche zu erschießen, der Versuch schlug fehl. Daraufhin verkaufte er sein Haus in La Jolla und verbrachte mehrere Monate in London. Er kehrte auch in den folgenden Jahren mehrmals dorthin zurück und lebte abwechselnd in den USA und England. Nach dem Tod seiner Frau begann Chandler mit dem Trinken. 1956 wurde er erstmals aufgrund seines Alkoholismus ins Krankenhaus eingewiesen. In den folgenden Jahren begab er sich immer wieder in ärztliche Behandlung.
1959 erkrankte Raymond Chandler schwer. Er starb am 26. März 1959 in La Jolla, Kalifornien.
Thomas Degering (Hrsg.): Raymond Chandler – mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Rowohlt (Rowohlts Monographien #377), Reinbek bei Hamburg 1989, ISBN 3-499-50377-8.
Tom Hiney: Raymond Chandler. A Biography. Chatto & Windus, London 1997, ISBN 0-7011-6310-0.
Raymond Chandler's Shamus Town (Memento vom 1. Juni 2007 im Internet Archive) A history of Los Angeles via the locations where Raymond Chandler lived and wrote about, 1912–1946 (in Englisch); Zugriff am 9. Jan. 2021