In der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt bestand seit 1617 das Geheime Ratskollegium, das seit dem 18. Jahrhundert auch als Geheimes Ministerium auftrat als (dem Landgrafen nachgeordnete) Regierung. Daneben bestanden der Lehenhof und die Rentkammer. Diese waren nach dem Kollegialitätsprinzip organisiert.
Mit einem Organisationsedikt vom 12. Oktober 1803 wurde die Regierung neu aufgestellt.[Anm. 1] Neu war die Einteilung in Ministerien („Ministerialdepartments“):
des Äußeren und des Großherzoglichen Hauses,
des Inneren (zu dem auch die Justiz zählte) und
der Finanzen.
Daneben bestand eigenständig das Kriegsministerium.
Neu war weiterhin, dass diese Spitzenbehörden nicht mehr kollegial geleitet wurden, sondern durch einen Spitzenbeamten. Dessen durchgängige Bezeichnung als „Minister“ setzte sich aber erst im Laufe des 19. Jahrhunderts durch.
Mit Verordnung vom 28. Mai 1821[2] wurde festgelegt, dass die Regierung (nun als „Staats-Ministerium“ oder „Gesamt-Ministerium“ bezeichnet) von einem Präsidenten der vereinten Ministerien geleitet wurde. Die Aufgabe wurde zusätzlich von einem der Minister wahrgenommen. Das Kriegsministerium war weiterhin organisatorisch getrennt und blieb dies auch bis zum Ende. Karl du Bos du Thil führte ab 1829 nicht mehr den Titel eines Präsidenten der vereinten Ministerien, sondern den eines Dirigierenden Staatsministers.
Die Märzregierung
Am 14. März 1848 führte die Märzrevolution zur Ernennung des Märzministeriums. Organisatorisch war wesentlich, dass das Justizressort aus dem Innenresort herausgelöst wurde. Der Titel des Dirigierenden Staatsministers wurde am 9. September 1848 in Präsident des Gesamt-Ministeriums geändert. Auch wurde das Kollegialitätsprinzip wieder gestärkt, indem ein gemeinsamer Vortrag beim Großherzog bei wesentlichen Sachfragen eingeführt wurde.
1852 wurde die Bezeichnung Ministerpräsident für den Vorsitzenden des Gesamt-Ministeriums eingeführt. Die Reichsgründung führte 1870/71 dazu, dass in großem Umfang Aufgaben an das Deutsche Reich abgegeben wurden. In der Folge wurde zum 1. Januar 1872 das Kriegsministerium[3] und 1874 auch das Außenministerium abgeschafft[4], verbleibende Restaufgaben auf die anderen Häuser verteilt. Die bisher vom Außenminister wahrgenommenen Aufgaben eines Ministers des Großherzoglichen Hauses nahm nun der Ministerpräsident wahr.[5]
Die Verordnung vom 12. März 1879[6] legte fest, dass das Staatsministerium, geleitet durch den Präsidenten des Staatsministeriums, nur noch zwei Ministerien hatte: Ein vereinigtes Innen- und Justizressort und das Finanzministerium. 1898 wurden Innen- und Justizressort wieder getrennt.[7]
Die Minister trugen vielfach zunächst den Titel eines Direktors ihres Ressorts. Um sie herauszuheben, konnte der Großherzog ihnen den Titel eines Präsidenten oder gar eines Ministers des Ressorts verleihen. Dies waren lediglich Titel. Die Kompetenzen der Minister waren davon unabhängig. In den folgenden Ministerlisten sind daher die Minister unabhängig von ihrer jeweiligen Titulatur aufgeführt.
Soziale Herkunft der Minister
Mit Ausnahme der Kriegsminister, die alle hohe Offiziere waren, entstammten die Minister überwiegend der Beamtenschaft. Die Literatur spricht daher von einer Beamtenregierung. Typisch für den Lebenslauf waren die Herkunft aus einer Beamtenfamilie, das Studium der Rechtswissenschaften – in der Regel an der Landesuniversität, der Ludewigs-Universität in Gießen – und eine Beamtenkarriere, die mit der Berufung zum Minister gipfelte. Minister sind vor ihrer Ernennung als Minister üblicherweise nicht als Politiker, etwa in den Landständen, in Erscheinung getreten. Georg Kempf stellt diesbezüglich eine Ausnahme dar. Nur ein relativ kleiner Teil der Minister stammte aus dem Adel, hatten auch Beamtenkarrieren hinter sich und wurden nicht primär des Adels wegen als Minister berufen. Eine Ausnahme stellten die Märzminister dar. Hier überwog der Anteil der Adligen und es fehlte an Verwaltungserfahrung. Eine Reihe von Ministern wurde aufgrund ihrer Verdienste nobilitiert.
Insgesamt gab es während der fast 100 Jahre zwischen 1820 und 1918 lediglich 37 Minister. Grund hierfür ist, dass die Amtszeiten der Minister relativ lang waren, die Minister vielfach mehrere Ressorts verantworteten und die Zahl der Ministerien immer gering war.
1821 wurde die Rechtsgrundlage für den Staatsrat des Großherzogtums Hessen geschaffen, der 1823 eingerichtet wurde. Für die Regierung sollte er beratend tätig sein. Außerdem hatte er die Funktion eines obersten Verwaltungsgerichts. Seine faktische Bedeutung darüber hinaus war gering. 1875 wurde im Großherzogtum eine moderne Verwaltungsgerichtsbarkeit geschaffen und der Staatsrat bei dieser Gelegenheit abgeschafft.
1874 wurde das Außenministerium abgeschafft.[11] Die Angelegenheiten des Großherzoglichen Hauses wurden vom Ministerpräsidenten wahrgenommen.
Innenministerium
Das Großherzoglich Hessische Ministerium des Innern und der Justiz war die Oberbehörde für die Regierungen der drei Provinzen Oberhessen, Starkenburg und Rheinhessen sowie der Landratsbezirke und später der Kreisämter. 1848 wurde das Justizministerium ausgegliedert. Das Innenministerium war für die Schulen und anderen Bildungseinrichtungen, die Kirchen, die Wohltätigkeitsorganisationen und die öffentliche Gesundheitspflege verantwortlich. Ab 1875 kam die Zuständigkeit für das Gendarmeriecorps, 1877 für die Berg- und Eichungsbehörden und 1879 erneut das Justizministerium wieder hinzu, das 1898 zum zweiten Mal verselbständigt wurde.[12]
Dem Finanzministerium war 1821 bis 1879 als Oberbehörde die Obersteuerdirektion Darmstadt nachgeordnet. Es war zugleich auch die Eisenbahnaufsichtsbehörde für das Großherzogtum. Zum 6. September 1891 wurde dafür im Ministerium eine eigene Abteilung gebildet.[13]
Das Ministerium wurde zunächst als Oberkriegskolleg, ab dem 4. Juli 1821 als Kriegs-Ministerialdepartment[16] und ab dem 14. Mai 1823 als Kriegsministerium bezeichnet.
Das Kriegsministerium des Großherzogtums Hessen hatte in mehrfacher Weise eine Sonderrolle inne. Zum einen war es organisatorisch vom Gesamt-Ministerium getrennt. Der Minister berichtete direkt an den Großherzog. Zum anderen waren die Minister durchgehend hohe Offiziere und Adlige und nicht bürgerliche Beamte wie in den anderen Ressorts. Nach der Gründung des Kaiserreichs und dem Abschluss der Militärkonvention vom 13. Juni 1871 mit Preußen ging die hessische Armee zum 1. Januar 1872 in der preußischen auf.[17] Daraufhin wurde zum gleichen Datum auch das hessische Kriegsministerium aufgelöst.[18]
Das Kriegsministerium war in drei Sektionen unterteilt:
Die erste Sektion beschäftigte sich mit rein militärischen Fragen: Formation, Dienst und Übung der Truppe, Offizierspersonalien, Rapportwesen, Militärbildungsanstalten und Militärordenssachen
Die zweite Sektion war verantwortlich für die Militärpolizei und -Disziplin, Militär-Strafgesetzgebung, Militärgerichte, -Strafanstalten, Desertationsprozesse, Militär-Witwen und Waisenanstalten, das Invalideninstitut, Militär-Kirchen und Schulwesen
Die dritte Sektion kümmerte sich um die Kriegskasse, stellte den Etat auf, verwaltete das Militärbauwesen und nahm die Rechnungsprüfung vor.
Konrad Cosack: Das Staatsrecht des Großherzogthums Hessen. Mohr, Freiburg und Leipzig 1894.
Eckhart G. Franz: Hessen-Darmstadt 1820-1935. In: Klaus Schwabe (Hrsg.): Die Regierungen der deutschen Mittel- und Kleinstaaten. 1815–1933. (= Deutsche Führungsschichten in der Neuzeit. Band 14 = Büdinger Forschungen zur Sozialgeschichte. Band 18). Boldt, Boppard am Rhein 1983, ISBN 3-7646-1830-2
Dagobert Karenberg: Die Entwicklung der Verwaltung in Hessen-Darmstadt und Ludewig I. (1790–1830). 1964.
↑Das Edikt wurde damals gedruckt veröffentlicht, dann aber offensichtlich nie wieder, so dass es heute nur in Archiv-Beständen greifbar ist (Franz/Fleck/Kallenberg: Großherzogtum Hessen, S. 696).
↑Ferdinand Scheyrer: Geschichte der Main-Neckar-Bahn. Denkschrift zum fünfzigsten Jahrestag der Eröffnung des Betriebs der Main-Neckar-Bahn am 1. August 1846. Darmstadt 1896. Reprint: Verlag Wolfgang Bleiweis, Schweinfurt 1996. ISBN 3-928786-46-6, S. 94.