SMAD ist eine Weiterleitung auf diesen Artikel. Die intrazellulären Proteine findet man unter SMAD-Protein. Eine weitere Bedeutung findet sich bei Nanopartikel.
Formale Grundlage der SMAD war der Befehl Nr. 1 des Obersten Befehlshabers der sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland vom 9. Juni 1945. Er folgte interalliierten Abmachungen aus der Endphase des Zweiten Weltkriegs, nach denen jede Besatzungsmacht innerhalb ihrer Besatzungszone eine autonome Militärregierung einzurichten hatte. Die SMAD war dem Rat der Volkskommissare (ab 1946 Ministerrat der UdSSR) und damit Josef Stalin direkt unterstellt.[1]
Als sichtbarstes Zeichen ihrer Regierungshoheit erließ die SMAD von 1945 bis 1949 zahlreiche schriftliche Befehle an eigene und deutsche Dienststellen. Daneben regierte sie aber auch auf eher informeller Ebene mittels mündlicher, nur selten dokumentierter Weisungen und Kommentare oder auch nur durch die nicht zu übersehende Präsenz ihrer Mitarbeiter in den deutschen Verwaltungsstellen.
Obwohl die SMAD über ein beträchtliches Gestaltungspotenzial verfügte, waren ihre Kompetenzen innerhalb des stalinistischen Herrschaftssystems begrenzt. So war die SMAD verschiedenen sowjetischen Dienststellen unterstellt, die mitunter konkurrierende Konzepte verfolgten. Daneben verfügten einzelne SMAD-Mitarbeiter wie Wladimir Semjonow (politischer Berater der SMAD) und Sergei Tjulpanow (Leiter der Propagandaabteilung) über besondere Beziehungen zum sowjetischen Staatsapparat oder zur KPdSU. Auch auf personalpolitischer Ebene wurde Moskau aktiv: Der populäre Marschall Schukow wurde bereits nach einigen Monaten an der SMAD-Spitze durch seinen Stellvertreter Marschall Sokolowski ersetzt.
Das Verhältnis der Militärregierung zum sowjetischen Ministerium für Staatssicherheit (MGB) und anderen sowjetischen Organen, die oft unabhängig von ihr in der SBZ operierten, war ambivalent. Einerseits wussten leitende Besatzungsoffiziere das vorhandene Drohpotenzial geschickt zu nutzen, um bei Verhandlungen mit deutschen Dienststellen ihre Vorstellungen durchzusetzen. Andererseits beklagten sich SMAD-Mitarbeiter wiederholt darüber, dass die sowjetischen Geheimdienste mit ihrem Vorgehen die materielle und politische Aufbauarbeit der Militärregierung in Deutschland gefährdeten.
Es bleibt festzustellen, dass die SMAD zunächst – wie die übrigen alliierten Militärregierungen in Deutschland – den Wiederaufbau des Landes innerhalb der von der eigenen Regierung vorgegebenen Rahmenbedingungen umzusetzen versuchte. Die anscheinend willkürlichen massenhaften Verhaftungen und die politische Verfolgung waren nicht das Ergebnis der SMAD-Politik, obwohl die Militärregierung diese Realität für ihre Interessen zu nutzen wusste und sicherlich nicht wenige Besatzungsoffiziere einer allgemeinen Bestrafung der „Deutschen“, die nicht an individuelle Kriterien gebunden war, positiv gegenüberstanden.
Die SMAD kritisierte mehrfach aus sachorientiertem Eigeninteresse Exzesse bei den Verfolgungsmaßnahmen, die erkennbar über die Bestrafung von NS- und Kriegsverbrechern hinausgingen.
Anfang Juli 1945 setzte die sowjetische Militärregierung deutsche Provinzial- und Länderverwaltungen ein. Diese erhielten das Recht
„Gesetze und Verordnungen, die Gesetzeskraft haben, auf den Gebieten der gesetzgebenden, richterlichen und vollstreckenden Gewalt zu erlassen, wenn sie den Gesetzen und Befehlen des Kontrollrates oder den Befehlen der sowjetischen Militärverwaltung nicht widersprechen.“[3]
Diese formale Eigenständigkeit der deutschen Verwaltung war jedoch eingeschränkt. Zum einen behielt die sowjetische Besatzungsmacht sich eine übergeordnete Gesetzgebungskompetenz vor, zum anderen waren die Provinzial- und Länderverwaltungen mit Kommunisten besetzt worden. Als die Gesetzgebungskompetenz später auf die neu gewählten Landtage überging, blieb es auch weiterhin bei einem von den sowjetischen Behörden vorgezeichneten Entscheidungsrahmen. Aus formaler Sicht war zwar keine sowjetische Zustimmung zu Landesgesetzen erforderlich, aber über die SED und über die „Blockausschüsse der antifaschistisch-demokratischen Parteien“ konnte die Militärregierung eine politische Steuerung vornehmen.
Zentralverwaltungen
Die SMAD ordnete mit Befehl Nr. 17 vom 27. Juli 1945 den Aufbau sogenannter Deutscher Zentralverwaltungen (DZVs) innerhalb der SBZ an, „zwecks Entwicklung der Wirtschaft und Wiederherstellung des Verkehrs- und Nachrichtenwesens, der Gesundheitsfürsorge und Volkserziehung“. Diese Zentralverwaltungen sollten die SMAD entlasten und gleichzeitig den Aufbau eines sozialistischen Staats auf deutschem Gebiet vorbereiten; einige davon, wie etwa die Zentralverwaltung für Justiz, gingen 1949 bei Gründung der DDR nahtlos in Ministerien über. Zunächst entstanden bis zum Herbst 1945 elf solcher Zentralverwaltungen: für Verkehrswesen, Nachrichtenwesen, Brennstoffindustrie, Handel und Versorgung, Industrie, Landwirtschaft, Finanzen, Arbeit und Sozialfürsorge, Gesundheitswesen, Volksbildung, Justiz. Durch weitere SMAD-Anordnungen bildeten sich bis Mitte 1947 fünf weitere Zentralverwaltungen: für deutsche Umsiedler (aufgelöst 1948), Statistisches Zentralamt, Zentrale Deutsche Kommission für Sequestrierung und Beschlagnahme, Deutsche Zentralverwaltung des Innern, Deutsche Verwaltung für Interzonen- und Außenhandel.[4]
Am 11. Juni 1947 gingen diese Behörden in der Deutschen Wirtschaftskommission auf.[5]
Bei diesen Behörden handelte es sich um „Hilfsorgane“ der SMAD.[6]
Neben Befehlen (russischприказыprikazy) des jeweiligen Chefs gab es u. a. Befehle des Stellvertreters und weiterer Stellen, Stabsbefehle (приказы по штабуprikazy po štabu), Anweisungen (приказанияprikazanija) und Direktiven (директивыdirektivy). All diese Dokumentengruppen wurden jahresweise eigens nummeriert, ggf. nochmals separat nach vorangestellter Null für „geheim“ und Doppelnull für „streng geheim“.[7]
Zitiert werden sie oftmals nach ihrer Fundstelle (Signatur- und Blattangabe) im Staatsarchiv der Russischen Föderation (GARF).[8] So steht beispielsweise „GARF R-7317/8/1, Bl. 2–3“ für Bestand R-7317 (SMAD), Verzeichnis 8 (Stab), Akte 1 (Befehle 1–100 von 1945), Blätter 2–3: Befehl Nr. 2 des Obersten Chefs der Sowjetischen Militärischen Administration vom 10. Juni 1945.
Nummer
Bezeichnung
Datum
Abbildung
Nr. 1
Über die Organisation der militärischen Administration zur Verwaltung der sowjetischen Okkupationszone in Deutschland[9]
9. Juni 1945
Nr. 2
Erlaubnis zur Bildung und Tätigkeit aller antifaschistischen Parteien und Gewerkschaften[10]
Ausführungsbestimmungen betreffs der Regelung der Verwaltung des in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands befindlichen Vermögens ausländischer Staatsangehöriger vom 17. November 1947[16] (Dratwinsche Instruktionen)
17. November 1947
Nr. 154/181
betreffend Nutzung der auf Grund der Befehle Nr. 124 und Nr. 126 sequestrierten und konfiszierten Güter[17]
21. Mai 1946
Nr. 167
Übernahme der 1945 unter Militärverwaltung gestellten Betriebe in sowjetisches Staatseigentum
5. Juni 1946
Nr. 180
Auflösung des Staates Preußen und Umwandlung der Provinzen in Länder[18]
21. Juli 1947
Nr. 201
Richtlinien zur Anwendung der Direktiven Nr. 24 und Nr. 38 des Kontrollrats über die Entnazifizierung
16. August 1947
zu Nr. 201
DWK-Ausführungsbestimmung Nr. 3 zu SMAD-Befehl Nr. 201[19]
Maßnahmen zur Steigerung der Arbeitsproduktivität und zur weiteren Verbesserung der materiellen Lage der Arbeiter und Angestellten in der Industrie und im Verkehrswesen
9. Oktober 1947
Nr. 44
Erhöhung der Sozialrenten und Ermehrung von Erholungsheimen und Sanatorien
18. März 1948
Nr. 64
Beendigung der Sequesterverfahren in der SBZ
17. April 1948
zu Nr. 64
Erste Verordnung zur Ausführung des SMAD-Befehls Nr. 64 (Richtlinien Nr. 1)
28. April 1948
zu Nr. 64
Zweite Verordnung zur Ausführung des SMAD-Befehls, Nr. 64 (Richtlinien Nr. 2 – Verwertung betrieblichen Vermögens)
28. April 1948
zu Nr. 64
Richtlinien Nr. 3 zur Ausführung des SMAD-Befehls Nr. 64/1948 – Enteignung sonstiger Vermögen
21. September 1948
Nr. 111
Währungsreform für das Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone und Groß-Berlins[20]
23. Juni 1948
Beschluss der DWK über die Enteignung der sequestrierten „sonstigen Vermögen“
21. September 1948
Siehe auch die SMAD-Befehle 228/46, 28/47 und 92/47 als Instrumente zur Rehabilitierung von Opfern des Nationalsozialismus.
Weitere wichtige SMAD-Befehle und alliierte Bestimmungen sind in den Bestimmungen der DDR zu Eigentumsfragen und Enteignungen, herausgegeben vom Gesamtdeutschen Institut, Bonn 1971 enthalten.[21][22]
Jan Foitzik: Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD). 1945–1949. Struktur und Funktion. Akademie Verlag, Berlin 1999, ISBN 3-05-002680-4 (Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte 44). degruyter.com
Jan Foitzik: Inventar der Befehle des Obersten Chefs der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) 1945–1949. Offene Serie. Im Auftrag des Instituts für Zeitgeschichte zusammengestellt und bearbeitet. Saur, München 1994, ISBN 3-598-11261-0 (Texte und Materialien zur Zeitgeschichte 8). Reprint 2015 degruyter.com
Detlev Brunner: Inventar der Befehle der sowjetischen Militäradministration Mecklenburg(-Vorpommern) 1945–1949. Saur, München 2003, ISBN 3-598-11621-7. Reprint 2013 degruyter.com
Klaus Geßner: Inventar der offenen Befehle der Sowjetischen Militäradministration des Landes Brandenburg. Lang, Frankfurt a. M. 2002, ISBN 3-631-39240-0.
Jan Foitzik, Nikita W. Petrow: Die sowjetischen Geheimdienste in der SBZ/DDR von 1945 bis 1953. Walter de Gruyter, Berlin [u. a.] 2009, ISBN 978-3-11-023014-7 (Texte und Materialien zur Zeitgeschichte 17). degruyter.com
Elke Scherstjanoi (Hrsg.): Sieger leben in Deutschland. Zum Alltag sowjetischer Besatzer in Ostdeutschland 1945–1949. Edition Schwarzdruck, Gransee 2020, ISBN 978-3-96611-005-1.
↑Zitiert nach Diemut Majer: Grundlagen des Besatzungsrechts 1945–1949. In: Hans Erich Volkmann (Hrsg.): Ende des Dritten Reiches – Ende des Zweiten Weltkriegs. Eine perspektivische Rückschau. München 1995, ISBN 3-492-12056-3, S. 146.
↑Martin Broszat, Hermann Weber (Hrsg.): SBZ-Handbuch: Staatliche Verwaltungen, Parteien, gesellschaftliche Organisationen und ihre Führungskräfte in der Sowjetischen Besatzungszone. Oldenbourg, München 1993, ISBN 3-486-55262-7, S. 201.
↑Bestimmungen der DDR zu Eigentumsfragen und Enteignungen. Herausgegeben vom Gesamtdeutschen Institut – Bundesanstalt für Gesamtdeutsche Aufgaben. August 1971 (archive.org [PDF]).
↑Bestimmungen der DDR zu Eigentumsfragen und Enteignungen. Ergänzende Ausgabe vom Mai 1984 zur Ausgabe vom August 1971. Herausgegeben vom Gesamtdeutschen Institut – Bundesanstalt für gesamtdeutsche Aufgaben. Mai 1984 (archive.org [PDF]).