Stefan Haenni wuchs zusammen mit drei Geschwistern als Burger von Strättligen in Thun auf. Er erwarb nach den obligatorischen Schulen am staatlichen Lehrer- und Lehrerinnenseminar Spiez das Primarlehrerdiplom. Anschliessend besuchte er die Schule für Gestaltung in Bern. Er wurde Lehrer am Gymnasium Thun und studierte danach an den Universitäten Bern und Freiburg i. Üe. Kunstgeschichte, Psychologie und Pädagogik. Sein Studium beendete er mit einer Doktorarbeit über das von Fritz Oser begründete Motilitätsmodell[1] an der philosophisch-historischen Fakultät.
Haenni war Gründungsmitglied der Schweizer Künstlergruppe «Projekt Querschnitt»,[2] die von 1989 bis 1992 bestand. Während dieser Zeit entfaltete die Gruppe eine rege, europäische Ausstellungstätigkeit, die unter anderem auch in die damalige DDR und UdSSR führte.
Haenni lebte in Bern und Oberhofen am Thunersee und kehrte schliesslich wieder in seine Geburtsstadt zurück.
Werk
Malerei
Haennis künstlerisches Schaffen, das 1978 seinen Anfang nahm, erstreckte sich in den 1980er Jahren auch auf die Porträtmalerei. So entstanden u. a. Bildnisse der Schriftsteller Nagib Machfus, Christoph Geiser und Walter Vogt, des Historikers Edgar Bonjour, der Künstlerin Meret Oppenheim sowie der Berner Rockband Züri West. Wichtig für Haennis künstlerischen Werdegang sind die stetige Auseinandersetzung mit den Werken von David Salle und Sigmar Polke sowie die persönlichen Begegnungen mit Meret Oppenheim 1982 bis 1985 in Bern und Not Vital ab 1989 in New York und der Schweiz. Haenni verbindet auf flächig angelegten Farbfeldern Motive in malerischen, zeichnerischen und collagierten Überlagerungen.
Das zentrale Thema der modernen Orientalistik fand Haenni nach einer Ägyptenreise 1990. Es entstanden in der Folge umfangreiche Werkgruppen wie die Bilder zum West-östlichen Divan von Goethe, die Serie der Monde Arabe und Lawrence of Arabia – die neuen Bilder zum alten Film.
«Haennis Bilder leben von der Zuneigung zur Welt des Orients, ohne dass sie ihre Verankerung in der westlichen Kultur verleugnen und sind so wichtige Boten der Völkerverständigung, wie sie kein anderer Schweizer Künstler in dieser Beharrlichkeit und gleichzeitigen Unbeschwertheit vorzuweisen hat.»[4]
Ab 2013 spielt das runde Format, der Tondo, in Haennis malerischem Werk eine bedeutende Rolle.[8] Figürlich-gegenständliche Motive machen schrittweise der orientalischen Ornamentik Platz und führen schliesslich zu ungegenständlich-abstrakten Bildlösungen.
Kriminalliteratur
Haenni verfasste fünf Kriminalromane um den Thuner Privatdetektiv Hanspeter Feller (Gmeiner-Verlag). Die drei ersten Romane Narrentod, Brahmsrösi[9] und Scherbenhaufen[10] bilden die Thuner Krimitrilogie, bei der der Hofnarr Karls des Kühnen als Fulehung, Johannes Brahms mit der Thuner Sonate oder Heinrich von Kleist mit dem Zerbrochnen Krug im Zentrum der Geschehen stehen. Der Kriminalroman Tellspielopfer handelt von einem Raubmord im Areal der Tellspiele Interlaken.
«Eigentlich ist bei den Tellspielen das Mordopfer bekannt. Aber in Stefan Haennis Krimi «Tellspielopfer» übertrifft die Realität das Geschehen auf der Freilichtbühne – und auch General Guisan hat einen Auftritt. (...) Und wie er (Privatdetektiv Feller) mit einem Diagramm die beiden Hauptverdächtigen in die Enge treibt, hat etwas von bürokratischer Genialität. (Alexander Suri)»[11]
Der letzte Feller-Krimi Berner Bärendreck erzählt die Geschichte eines Berner Patriziers, der wegen eines Gemäldes von Ferdinand Hodler in Schwierigkeiten gerät.
«Das liest sich rasant und die vielen bekannten Orte in Thun und Bern vermitteln ein Gefühle von Vertrautheit. (Mirjam Comtesse)»[12]
Zudem veröffentlichte Haenni 2021 mit Todlerone 24 kriminalistische Kurzgeschichten, die mehrheitlich im Berner Oberland verortet sind. Mit der Anthologie Zürihegel erweiterte er 2022 den mörderischen Radius ins Zürcher Oberland. Die Kurzgeschichten zeichnen sich oftmals durch ihren humoristisch-makabren Charakter aus, thematisieren neben blutigen Morden auch harmlosere Vergehen und spielen mehrheitlich in den Wintermonaten.
Im zeitgeschichtlichen Kriminalroman Eiffels Schuld (2023) schildert Haenni das grösste Eisenbahnunglück der Schweiz, das 1891 durch den Einsturz der von Gustave Eiffel konstruierten Eisenbahnbrücke bei Münchenstein verursacht wurde, und er erzählt die Geschichte einer Überlebenden, die durch die tragischen Ereignisse auf die Spur eines hinterhältigen Verbrechens stiess.
«Im historischen Roman Eiffels Schuld von Stefan Haenni sind auf überraschende Weise zwei Erzählstränge miteinander verwoben. (...) Der Roman bleibt bis zum Schluss spannend. Die zum Teil dramatischen Darstellungen konfrontieren einen unmittelbar mit einer Katastrophe, wobei das unterschiedliche Verhalten der involvierten Menschen differenziert dargestellt ist. (Bettina Hägeli)»[13]
Das Weihnachtspaket. In: Miriam Kunz (Hg.): Mehr Mord im Chalet. Atlantis, Zürich 2023, ISBN 978-3-7152-5515-6.
Kunstpädagogische Schriften
Bildnerisches Gestalten als Nachahmung, Spiel und Traum. Berner Lehrmittel- und Medienverlag, 1999, ISBN 3-906721-29-9.
Vom Abzeichnen zum Aufzeichnen. Psychologie des Zeichenakts. Peter Gaffuri, Bern 1995.
Emotion und bildnerisches Gestalten im Unterricht. Peter Gaffuri, Bern 1996.
Das Motilitätsmodell – Eine empirische Studie zum Kunstunterricht der Maturitätsschulen. Dissertation. Pädagogisches Institut der Universität Freiburg i. Üe., Freiburg 1995, OCLC 245642496.
Literatur (Auswahl)
Christian Bernhard: Stefan Hänni als Maler und Psychologe. In: Stefan Hänni, Galerie am Kreis, Bern 1989.
Dominik Langenbacher: Stefan Hänni - People and Portraits. Swiss Institute, New York 1990.
Francesco Micieli: Das wahre Gesicht des Herrn W. In: Stefan Hänni, Schlossverein Fraubrunnen, 1991.
Edgar Bonjour: In: Stefan Hänni, Schlossverein Fraubrunnen, 1991.
André von Graffenried, Adel El Siwi: Stefan Haenni, Mashrabia Gallery, Kairo 1991.
Georg J. Dolezal: Querschnitt ist tot, es lebe der Querschnitt, In: Stefan Haenni, Kunstmuseum Thun, 1992.
Andreas Langenbacher: Dromedar und Ketzerkönig. In: Stefan Haenni: Kunstmuseum Thun, 24. September bis 1. November 1992.Kunstmuseum Thun, Thun 1992.
Wolfgang Pross: Bilder zum Westöstlichen Divan. In: Stefan Haenni - Westöstlicher Divan, Galerie Krebs, Bern 1992.
Hans Christoph von Tavel: Stefan Haenni: Barocklahoma. Ausstellungskatalog, Galerie Martin Krebs, Bern 1994.
Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft (Hrsg.): Biographisches Lexikon der Schweizer Kunst. Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich 1998, Band 1. ISBN 3-85823-673-X
Christoph Geiser: Stefan Haenni: Der Aegyptenzyklus. Galerie Martin Krebs, Bern 1998.
Paul Ott: Mord im Alpenglühen. Der Schweizer Kriminalroman – Geschichte und Gegenwart. Chronos Verlag, Zürich 2020, ISBN 978-3-0340-1584-4, S. 223, 224.
Steffan Biffiger: Stefan Haenni – Tondi. edition KHT, Thun 2024.
↑Stefan Haenni: Das Motilitätsmodell. Eine empirische Studie zum Kunstunterricht der Maturitätsschulen. Unveröffentlichte Dissertation. Universität Fribourg. 1995.
↑A. Dietrich: Nach Moskau – Mit Bildern im Koffer, mit Bildern im Kopf. In: Tages-Anzeiger vom 6. Juni 1990.