TempergussTemperguss (lateinisch temperare ‚mäßigen‘) ist eine Gusseisensorte, die aufgrund ihrer chemischen Zusammensetzung und des Erstarrungsvorgangs nach dem metastabilen System des Eisen-Kohlenstoff-Diagramms graphitfrei erstarrt und als vorerst harter, spröder Temperrohguss in der Gussform entsteht. Eine anschließende Wärmebehandlung, das Tempern, bewirkt eine Gefügeumwandlung. Der Zementit im Gussgefüge wird erst nach besonders langer Glühzeit zum Zerfall gebracht. Der dabei entstehende Graphit wird als Temperkohle bezeichnet und zeichnet sich durch seine charakteristische Knöllchenform aus. Durch diese Gestalt unterbrechen die Temperkohleflocken den Zusammenhang der metallischen Grundmasse nicht so ungünstig und mit potentieller Kerbwirkung wie die Grafitlamellen im Gusseisen mit Lamellengrafit. Das ist der Hauptgrund, warum Temperguss bessere mechanische Eigenschaften als normales Gusseisen mit Lamellengrafit aufweist und daher als zäh und gut bearbeitbar bezeichnet werden kann. Anhand des Bruchaussehens wird der Temperguss in schwarzen und weißen Temperguss unterteilt. TemperrohgussDas Gefüge des Temperrohgusses besteht aus Perlit und Ledeburit. Es wird durch die Einstellung der chemischen Zusammensetzung in Abhängigkeit von der Wanddicke der zu gießenden Teile erreicht. Für alle Tempergusssorten ist die Summe des Gehalts von Kohlenstoff und Silizium von 3,7 bis 3,8 Prozent maßgebend. Bei hohen Siliziumgehalten und in starken, langsam abkühlenden Teilen kommt es häufig bereits bei der Erstarrung zur Grafitausscheidung. Diese nesterartig angeordneten Lamellen führen zum Faulbruch. Die Abstichtemperatur hat derart Einfluss auf das Makrogefüge, denn je höher sie liegt, desto mehr arteigene oder Fremdkeime werden aufgeschmolzen und die Schmelze erstarrt somit exogen. Auch hohe Gehalte an Kohlenstoff (2,6 %) bewirken eine exogene Erstarrung des Primäraustenits. Weißer TempergussNormungDer weiße Temperguss ist in der DIN 1692 (alt) und in DIN EN 1562 (neu seit 09.97) genormt. Der alte Kurzname lautet GTW und der neue lautet GJMW. Das Kurzzeichen besteht aus (EN-) GJ für Gusseisen, M für (malleable cast iron: Glüheisen) und W für (white: weiß), unter anderem müssen mechanische Eigenschaften und/oder chemische Zusammensetzung dem Kurzzeichen beigefügt werden. Wenn erforderlich, können zusätzliche Anforderungen angegeben werden, beispielsweise EN-GJMW-350. In der DIN EN 1562 sind fünf Sorten erfasst:
Chemische ZusammensetzungRichtlinien der chemischen Zusammensetzung des Temperrohgusses
Kohlenstoff und Silicium müssen so aufeinander abgestimmt sein (die Summe von Kohlenstoff und Silicium sollte 3,8 % nicht übersteigen), dass auch die stärksten Querschnitte eines Tempergussstücks nach der Erstarrung ein weißes, grafitfreies Gefüge aufweisen. Herstellung (Tempern)Um einen weißen Temperguss zu erhalten, wird der Temperrohguss (untereutektisches weißes Gusseisen) geglüht („Glühfrischen“). Damit wird der Kohlenstoffanteil im Gussstück weitestgehend gesenkt. Dadurch wird das Gussstück im Randbereich etwas zäher. Der Rohguss wird bei 1000 °C etwa 60–120h in einer oxidierenden Atmosphäre geglüht (im Gasstrom getempert). Dabei laufen folgende Reaktionen ab:
Der Zementit (Fe3C) des Gussstücks zerfällt in der ersten Reaktion in drei Eisen- und ein Kohlenstoffatom. Dieser Kohlenstoff reagiert an der Gussoberfläche mit dem Sauerstoff und wird dadurch dem Gussteil entzogen (Reaktion 2). Im Zuge des Bestrebens um einen Konzentrationsausgleich diffundiert weiter der Kohlenstoff aus dem Guss an den Rand des Gussstücks und verbindet sich mit dem Sauerstoff der umgebenden Luft. Dadurch findet eine allmähliche Entkohlung des Werkstücks statt (Reaktion 3). Gleichzeitig ballt sich der restliche Kohlenstoff im Kern des Gussstücks zu Temperkohleknöllchen zusammen. Die Entkohlung des Werkstücks ist stark abhängig von der Dauer des Tempervorgangs und von der Wanddicke des Gussstücks. Eine gleichmäßige Entkohlung entsteht nur bei einer Wanddicke von 2–3 mm, bei dickeren Gussstücken findet nur eine Randentkohlung und ein Zerfall des Zementits (Fe3C) zu Eisen und Temperkohle statt. GefügeausbildungDas Gefüge des weißen Tempergusses bei Wanddicken unter 3 mm besteht aus einer ferritischen Matrix und ganz wenig bzw. keinen Temperkohleknöllchen (in der Mitte). Bei Wanddicken über 3 mm teilt sich das Gefüge des weißen Tempergusses in drei Bereiche auf:
Die Entkohlungstiefe wird durch eine mitgeglühte Keilprobe ermittelt. Ihr metallografischer Anschliff gibt Aufschluss über die Gefügeausbildung. Bei unsachgemäßem Tempern können Gefügefehler auftreten. Zum Beispiel können die Grafitnester zu sogenanntem „Faulbruch“ führen, sie sind schon im Rohguss entstanden. Es kann auch eine Rückentkohlungserscheinung auftreten, dabei scheiden sich am Rand Carbide am Ferrit ab in Form von Sekundärzementit, evtl. Ledeburit. Eigenschaften und VerwendungTempergusswerkstoffe sind aufgrund des Verfahrensablaufs bei der Gussstückfertigung bevorzugt. Die Begrenzung des Stückgewichts von wenigen Gramm bis 100 Kilogramm ist herstellungsbedingt. Dasselbe gilt für die maximale Wanddicke von 20–30 mm. Die Zugfestigkeit steigt mit der Wanddicke, da der Perlitanteil zunimmt. Durch entsprechende Vergütungsbehandlungen werden die qualitätsbestimmenden Eigenschaften mit großer Genauigkeit und hoher Gleichmäßigkeit eingestellt (z. B. enge härteste Bereiche, gute Zerspanbarkeit, hohe Festigkeit und gute Gießbarkeit, zudem schweißbar und verzinkbar). Die Eigenschaften des weißen Tempergusses sind abhängig von der Wanddicke. Sie sind aufgeteilt nach:
AnwendungDünnwandige Gussteile von guter Schwingfestigkeit für spanende Bearbeitung auf Transferstraßen; aufgrund der Duktilität wird er für Bauteile verwendet, die dynamischen Beanspruchungen (schwingend oder stoßartig) ausgesetzt sind und hohen mechanischen Kräften widerstehen müssen (Fahrwerks- und Lenkungsteile von Kraftfahrzeugen, dokumentationspflichtige Sicherheitsbauteile, Stell- und Befestigungselemente für den Schaltungsbau); Fittings und Armaturen für den Rohrleitungsbau, zahlreiche Bauteile für die Elektroindustrie aufgrund der thermischen, elektrischen und magnetischen Eigenschaften; tragende Elemente von Hochspannungs- und Freileitungen; Schalt-, Steuer- und Getriebeelemente im Maschinen- und Landmaschinenbau; aufgrund der guten Vergießbarkeit sowie der Möglichkeit von sehr dünnwandigen Konstruktionen mit reproduzierbarer Genauigkeit sind zu erwähnende Eigenschaften; Für die Herstellung von Schlössern und Beschlägen; bieten Werkstücke aus Temperguss vielfältige Möglichkeiten, bestimmte Eigenschaften gezielt in dem Bauteilbereich zu schaffen, in dem sie benötigt werden (hat viele andere Werkstoffe ersetzt). Schwarzer TempergussNormungDer schwarze Temperguss ist ebenfalls in DIN EN 1562 genormt. Die alte Kurzbezeichnung GTS wurde ebenfalls ersetzt und lautet GJMB, GJ steht hierbei für Gusseisen, M für „malleable cast iron“ (Glüheisen) und B steht für „Black“ (schwarz). Chemische ZusammensetzungDer Temperguss hat allgemein eine untereutektische Zusammensetzung. Aufgrund der metastabilen Erstarrung des Temperrohgusses liegt der Kohlenstoff in gebundener Form als Zementit (Fe3C) vor und ist somit grafitfrei. Der Temperrohguss besitzt ein silberweißes Bruchgefüge und ist hart und spröde, er ist dadurch für die technische Verwendung praktisch ungeeignet. Durch das Tempern zerfällt der Zementit und löst sich im Grundgefüge auf, das bei Glühtemperatur aus Austenit besteht. Das schmelzflüssige Eisen, das zur Herstellung von schwarzem Temperguss verwendet wird, hat folgende Zusammensetzung:
Der Kohlenstoffgehalt ist geringer und der Si-Gehalt höher als beim weißen Temperguss. HerstellungZur Herstellung wird zunächst Roheisen, Stahlschrott, Ferrolegierungen und Kreislaufmaterial (vom Gieß – und Anschnittsystem der Gussstücke) zum Vorschmelzen in den (mit Heißwind) Kupolofen geführt. Zur Einstellung der benötigten Gießtemperatur und der chemischen Zusammensetzung wird der Lichtbogenofen oder Induktionsofen nachgeschaltet (Duplexverfahren). Die Temperkohle entsteht durch das Ausscheiden des elementaren Kohlenstoffs beim Glühen in Form von Knoten oder Flocken. Das Erscheinungsbild dieser Knoten hängt von dem Mangan-Schwefel-Verhältnis ab. Dadurch erreicht der Werkstoff stahlähnliche Eigenschaften der Duktilität. Bei der zweiten Stufe, die man auch als 2. Grafitisierungsstufe bezeichnet, wird das Grundgefüge bestimmt. Um die zweite Stufe einzuleiten, wird die Temperatur auf ca. 800 °C abgesenkt. Wird nun langsam (mit 3–5 °C pro h) zwischen 800 und 700 °C abgekühlt oder mehrere Stunden zwischen 760 und 680 °C die Temperatur gehalten, so erfolgt eine stabile eutektoide Umwandlung. γ → α + C Durch sehr schnelles Abkühlen entsteht ein martensitisches Gefüge. Nach dem Tempern kann noch angelassen werden. Bei beispielsweise 600 °C entsteht GJMB – 700, bei 700 °C GJMB – 450. Bei 620 °C wird der Perlit eingeformt (globularer Zementit). Kennzeichnend für schwarzen Temperguss ist, dass das Gefüge bis auf eine schmale Randzone von 0,2 mm Tiefe ohne Temperkohle auf Grund der nichtentkohlenden Glühung wanddickenunabhängig ist. GefügeausbildungIn der ersten Glühstufe zerfällt der Zementit des Ledeburits, bei 950 °C zu Austenit und Temperkohle. Während der zweiten Glühstufe zerfällt der Austenit zu Ferrit und Temperkohle. Das Grundgefüge hängt von der Abkühlungsgeschwindigkeit im eutektoiden Bereich ab.
Die eutektoide Umwandlung verläuft wieder metastabil. Zu erwarten ist ein Gefüge mit je nach Abkühlungsgeschwindigkeit unterschiedlich viel Perlit- und Ferritanteil und Temperkohle. Die Temperkohle kann unterschiedliche Formen, Größen und Anordnungen besitzen. Eigenschaften und VerwendungIm Allgemeinen besitzt schwarzer Temperguss eine gute Gießbarkeit, weiter ist er leichter zerspanbar als GJMW (Siehe Zerspanbarkeit von Gusseisen), härtbar, vergütbar und oberflächenhärtbar (für Flamm- und Induktionshärtung). Er findet unter anderem seine Anwendung für Kolben, Zahnräder, Triebswerksteile und dickwandige Bauteile wie Motorgehäuse.
Literatur
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