Biotinidase ist ein Enzym aus der Klasse der Hydrolasen, das das VitaminBiotin aus Proteinen freisetzt. Das ist bei dem im Körper stattfindenden Recycling des Biotins wichtig, aber auch bei dessen Aufnahme aus der Nahrung.[1]
Nach Erforschung von Vorkommen und Verteilung der Biotinidase in den verschiedenen Organismen in den 1950er und 1960er Jahren rückte das Enzym ab 1983 wieder ins wissenschaftliche Interesse durch die Entdeckung, dass ein Biotinidase-Defekt Ursache einer seltenen, erblich bedingten Stoffwechselkrankheit ist. Die Erforschung der verschiedenen Ausprägungsformen des nun als Biotinidasemangel bezeichneten Defekts (engl. biotinidase deficiency) brachte eine Reihe von neuen Informationen über die Funktion der Biotinidase und die Rolle des Biotins im Organismus.
Bisher wurde Biotinidase außer im Menschen auch in diversen Wirbeltieren sowie in Fruchtfliegen und Pilzen gefunden. Obwohl sich die Biotinidasen der verschiedenen Arten unterscheiden, sind bestimmte Abschnitte des Enzyms im Laufe der Evolution erhalten geblieben. Der Stammbaum der Biotinidase reicht bis ins Präkambrium.[2][3][4]
Für einige Biotinidasen aus verschiedenen Lebewesen ist die komplette Abfolge der Aminosäuren im Protein bekannt. So besitzt menschliche Biotinidase 523[7] Aminosäuren, die der Ratte 521, bei der Maus sind es 520 und beim Kugelfisch 504 Aminosäuren. Bei anderen Tieren konnten erst Fragmente sequenziert werden.[2]
Über die dreidimensionale Struktur ist wenig bekannt. Eine Kristallstrukturanalyse scheiterte bislang an der Schwierigkeit, Biotinidase zu kristallisieren (Stand Anfang 2009). Es existiert lediglich ein auf Computersimulationen basierendes Modell, das aber nach Aussage der Autoren im Detail unsicher ist.[8]
Außerdem gibt es Hinweise, dass die Biotinidase auch als Transferase eine Rolle spielt.
Experimenten in vitro zufolge ist das Enzym in der Lage, abgespaltenes Biotin chemisch zu binden. Sind Histone zugegen, die Bindungsstellen für Biotin besitzen, werden sie biotinyliert. Dabei ist die Biotinidase nicht das einzige Enzym, das Biotin an Histone binden kann, die Holocarboxylase Synthetase hat ebenfalls diese Fähigkeit. Jedoch ist die Biotinidase auch in der Lage Histone zu debiotinylieren. Welche der Reaktionen an welchen Histonen unter welchen Bedingungen stattfinden, ist Gegenstand der aktuellen Forschung. Epigenetische Effekte werden diskutiert.[9][10]
↑B. Wolf, K. Jensen: Evolutionary conservation of biotinidase: implications for the enzyme's structure and subcellular localization. In: Mol. Genet. Metab. 86(1-2); Sep/Oct 2005: S. 44–50. PMID 16150625
↑M. Koivusalo, C. Elorriaga, Y. Kaziro, S. Ochoa: Bacterial Biotinidase. In: J. Biol. Chem. 238; March 1963: S. 1038–42. PMID 14034272 (Volltext)
↑K. Hayakawa, L. Guo, E.A.Terentyeva, K. X. Li, H. Kimura, M. Hirano, K. Yoshikawa, T. Nagamine, N. Katsumata, T. Ogata, T. Tanaka: Determination of specific activities and kinetic constants of biotinidase and lipoamidase in LEW rat and Lactobacillus casei (Shirota). In: J. Chromatogr. B Analyt. Technol. Biomed. Life Sci. 844(2); Dec 2006: S. 240–50. Epub July 2006. PMID 16876490
↑K. Pindolia, K. Jensen, B. Wolf: Three dimensional structure of human biotinidase: computer modeling and functional correlations. In: Mol. Genet. Metab. 92(1-2); Sep/Oct 2007, S. 13–22. Epub 12. July 2007. PMID 17629531
↑J. Hymes, B. Wolf: Human Biotinidase Isn’t Just for Recycling Biotin. In: J. Nutr. 129; Feb 1999: S. 485S–489S PMID 10064314 (Volltext)
↑Y. I. Hassan, J. Zempleni: Epigenetic regulation of chromatin structure and gene function by biotin. In: J. Nutr. 136(7); 2006 Jul: S. 1763–5 PMID 16772434 (Volltext)