Bischöfliches Hilfswerk Misereor
Misereor (Eigenschreibweise misereor bzw. eingetragen als Bischöfliches Hilfswerk Misereor e. V.) (lateinisch misereor ‚ich erbarme mich‘) gilt als das weltweit größte katholische Entwicklungshilfswerk[2] und setzt sich dabei vorrangig für die weltweite Armutsbekämpfung ein. Das Hilfswerk der römisch-katholischen Kirche in Deutschland hat seinen Sitz in Aachen. Im Sinne einer zeitgemäßen Entwicklungszusammenarbeit auf Augenhöhe konnte Misereor nach dem Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe bis heute über 100.000 Projekte im Globalen Süden unterstützen. Zentrale Querschnittsthemen für die Arbeit von Misereor sind dabei Friedensarbeit und Menschenrechte, Hunger- und Armutsbekämpfung, Bildungsarbeit und Gesundheitsschutz, Gleichstellung und Empowerment, Erneuerbare Energien und Klimawandel, Fairer Handel und Ethisches Wirtschaften, Flucht und Migration, Ernährungssicherheit und -souveränität, Digitalisierung im Kontext eines sozial-ökologischen Wandels, sozial-ökologisch gerechte Stadtentwicklung sowie Rohstoffwende und Schutz von Natur und Lebensräumen.[3] Misereor gilt als Pendant zur evangelischen Hilfsorganisation Brot für die Welt. GeschichteBereits der 76. Deutsche Katholikentag in Fulda 1954 hatte die Bildung einer „deutsche[n] Institution für die Ausbildung und Betreuung qualifizierter Laienkräfte“ in Entwicklungsländern empfohlen. Internationale katholische Frauenverbände und die internationale Pax Christi Bewegung riefen zur Bekämpfung des Hungers auf; der deutsche Zweig der Pax Christi Bewegung begann in der Bundesrepublik Deutschland systematisch mit der Sammlung von Spenden für Hungernde, Aussätzige und Überseestudenten. Verbände wie KAB (Erzbistum Paderborn), Kolpingsfamilie und BdkJ starteten Aktionen. In seiner Weihnachtsansprache 1957 bat der Kölner Kardinal Josef Frings im Erzbistum um Spenden für das Erzbistum Tokio und deutete an, dass er Größeres plane. Auf Initiative von Alfons Erb, Vizepräsident von Pax Christi, bat das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) 1958 die deutschen Bischöfe, in der Fastenzeit 1959 möge eine Aktion gegen Hunger in der Welt durchgeführt werden.[4] Blatt 1 der fünfbändigen Entstehungsakte für das Bischöfliche Hilfswerk Misereor im Archiv der Erzdiözese Köln ist ein Schreiben von Jakob Holl vom 24. April 1958 an den Generalvikar Joseph Teusch. Darin macht er ihn auf einen von ihm geschriebenen Artikel mit der Überschrift „Hunde haben's bei uns besser“ aufmerksam, der in der Kölner Kirchenzeitung vom Vortag erschienen war. Holl wirbt in dem Artikel dafür, mehr gegen den Hunger in der Welt zu unternehmen und dafür neue Organisationsformen zu schaffen. Vorausgegangen war eine dreimonatige Reise Holls von Ende Oktober 1957 bis Anfang Januar 1958 nach Asien, die ihn auch mehrere Wochen zu Mutter Teresa in Kalkutta führte. Er begleitete sie mit seiner Kamera zu Sterbenden und bewunderte ihre Geduld dabei. Wer unter den Hungernden noch essen konnte, bekam von ihr unter dem Blitzlicht von Holls Kamera Milch und Reis. Ein 14-jähriger Junge starb in den Armen von Holl in der Sterbehalle von Kalighat, der die ihm eingeflößte Milch nicht mehr schlucken konnte. Als Holl wieder zu Hause war, ergriff er sofort Initiativen. Über das Päpstliche Werk der Glaubensverbreitung in Aachen richtete er ein Postscheckkonto mit dem Stichwort „Reis für Kalkutta“ ein und sammelte Spenden. Als sein Bericht in der Kirchenzeitung veröffentlicht wurde, hatte er bereits 75.000 DM gesammelt, die er an Mutter Teresa weiterleitete. In einem Begleitbrief schrieb er ihr:
– Bibel, Markus 8.2 Insgesamt erbrachte die Aktion „Reis für Kalkutta“ rund eine halbe Million DM.[5] Der Kölner Erzbischof Joseph Kardinal Frings nahm diese Bestrebungen zum Anlass und bat auf der Bischofskonferenz in Fulda im Herbst 1958 um die Einrichtung eines bischöflichen Hilfswerks, der „Aktion gegen Hunger und Krankheit in der Welt“ mit der Bezeichnung Misereor super turbam, um in den Entwicklungsländern besser Hilfe leisten zu können. Die Bischöfe stimmten dem Vorschlag einhellig zu. Der Name wurde jedoch auf das Wort Misereor verkürzt. Damit führte die Spur über Jakob Holl auch gleichzeitig zu Mutter Teresa.[6] In der Fastenzeit 1959 wurde die erste Fastenaktion durchgeführt, die 34 Millionen Mark erbrachte.[7] Ein Jahr später zog Misereor in die Aachener Mozartstraße Nr. 9 ein, wo sie in direkter Nachbarschaft zur Bischöflichen Akademie des Bistums Aachen einen Großteil des Gebäudetraktes von dem dort seit 1932 ansässigen Priesterseminar Aachen übernahm. ArbeitsschwerpunkteProjektarbeitSeit der Gründung im Jahr 1958 wurden über 110.000 Projekte in Asien und Ozeanien, Afrika, Lateinamerika und der Karibik unterstützt. Jedes Jahr werden etwa 6000 Projektanfragen an die Organisation gestellt. Misereor arbeitet mit den Menschen, die unter Krankheit, Armut oder einer anderen menschlichen Not leiden, um dadurch Gerechtigkeit, Freiheit, Versöhnung und Frieden in der Welt zu fördern. Zentrale Themen in der Projektarbeit sind der Kampf für Menschenrechte, für jeden Menschen zugängliches Trinkwasser, der Kampf gegen AIDS, Klimawandel, die Armut in Städten oder Genderproblematiken. Schlüsselbereiche der Förderung sind ländliche Entwicklung, das Gesundheitswesen, die Berufs- und Erwachsenenbildung, die Kleingewerbeförderung, Selbsthilfewohnbau, Projekte der Sozialarbeit, Frauenförderung, Menschenrechtsarbeit sowie die Schulung örtlicher Führungskräfte. Misereor arbeitet mit ortsansässigen Partnerorganisationen. Projektpartner vor Ort leben mit den Armen und wissen, unter welchen Bedingungen diese leben. Misereor-Partner kommen aus Ortskirchen, Selbsthilfeinitiativen, Kooperativen, Menschenrechtsgruppen und anderen nichtstaatlichen Organisationen. Während der Projektbegleitung bilden der Erfahrungsaustausch und die Auswertung von durchgeführten Maßnahmen einen stetigen Entwicklungsprozess. Des Weiteren will Misereor einen Süd-Süd-Dialog als Grundlage für eine zukunftsfähige Entwicklung verstärken.[8] ÖffentlichkeitsarbeitMisereor führt Untersuchungen zu den Ursachen von Verarmung, Unterdrückung und Zerstörung durch und informiert darüber. Um der Entwicklungszusammenarbeit in der Politik und öffentlich den Rücken zu stärken, betreibt Misereor Lobbyarbeit. Dies bedeutet auch die Beteiligung an internationalen Diskussionen über Entwicklungspolitik und Einflussnahme auf den Willensbildungsprozess in der Gesellschaft. Tausende Menschen unterstützen die Entwicklungsarbeit von Misereor mit ihrem ganz persönlichen Beitrag. Eine besondere Bedeutung kommt dabei der jährlichen Fastenaktion zu.[9] Aktionen | KampagnenFastenaktionenDie jährliche Aktion in der Fastenzeit soll den römisch-katholischen Pfarrgemeinden die Lebenswelt von Menschen nahebringen, die unter Armut und Ungerechtigkeit leiden.
HungertücherÜber den Zeitraum von meist jeweils zwei Jahren steht den Kirchengemeinden in der Fastenzeit ein Hungertuch zur Verfügung, das zur Meditation und zur Auseinandersetzung mit Themen der Entwicklungsarbeit einlädt. Die Themen bisheriger Hungertücher waren:[12]
Weitere AktionenMisereor unterstützt oder initiiert u. a. folgende weitere Kampagnen und Aktionen:
OrganisationGeschäftsführungDie ersten drei Hauptgeschäftsführer waren Prälat Gottfried Dossing (1958–1976), Bischof Leo Schwarz (1976–1982) und Prälat Norbert Herkenrath (1982–1997). Von 1997 bis 2012 war Josef Sayer Hauptgeschäftsführer, sein Nachfolger Pirmin Spiegel war bis 2024 im Amt. Am 1. Juli 2024 übernahm Andreas Frick den Posten des Hauptgeschäftsführers, welcher zuvor Generalvikar des Bistums Aachen war.[18] Der Geschäftsführer für die internationale Zusammenarbeit ist Bernd Bornhorst (seit 2021), Geschäftsführerin für Interne Prozesse ist seit 2023 Annette Ptassek.[19] FinanzierungIm Jahr 2018 nahm Misereor insgesamt 232,2 Millionen Euro ein. Neben 59,6 Millionen Euro aus Kollekten und Spenden wurden Misereor 165,5 Millionen Euro aus Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sowie 7,1 Millionen Euro aus kirchlichen Haushaltsmitteln zur Verfügung gestellt.[20] NetzwerkMitgliedschaft in Gremien und BündnissenMisereor arbeitet mit anderen Institutionen und Organisationen der Zivilgesellschaft in Kooperationen und Bündnissen zusammen:[21]
BeteiligungenMisereor ist Mitgründerin und seit der Gründung 1975 Gesellschafterin von GEPA – The Fair Trade Company.[25] Seit der Gründung 2011 ist Misereor auch Gesellschafterin der Klima-Kollekte, einem CO2-Kompensationsfonds christlicher Kirchen. Kooperationen
Publikationen
WeblinksCommons: Misereor – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Einzelnachweise
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