Germanische ReligionDie Germanische Religion ist ein Sammelbegriff für die polytheistischen religiösen Kulte und Riten der germanischen Stämme und Völker seit der jüngeren Bronzezeit bis zum ausgehenden Frühmittelalter. Die Religion ist von der germanischen Mythologie zu unterscheiden. Die Germanische Religion wird angrund der zeitlichen und lokalen Zuordnung der Quellen in eine Nordgermanische Religion und Südgermanische Religion unterschieden, und durch die Sonderentwicklung der Angelsachsen durch die Übersiedlung auf die britische Hauptinsel in die Angelsächsische Religion. Quellen zur Germanischen ReligionDie Quellenlage ist lückenhaft, so dass die Versuchung besteht, eine lokal überlieferte Tradition über das gesamte Gebiet der Germanen zu verallgemeinern. Für eine solche Annahme muss es allerdings mehrere unabhängige Überlieferungen geben. Die andere Gefahr besteht darin, die Bewohner des germanischen Gebietes als eine in religiösen Ansichten homogene Gesellschaft zu betrachten. Wie aus dem klassischen Griechenland bekannt, gibt es seit jeher Menschen, die das Übernatürliche stark in ihr Leben einbeziehen, und andere, die davon nichts halten (Näheres im Artikel Nordgermanische Religion), und dazwischen allerlei Mischformen, die zwar den Volksglauben ablehnen, gleichwohl aber „sicherheitshalber“ Amulette unter der Türschwelle vergraben und aus Gründen der gesellschaftlichen Reputation und des Gruppenzwangs an den Kultfesten teilnehmen. Hier werden die Vorstellungen derjenigen behandelt, die an das Übernatürliche glaubten und ihre Lebensweise danach richteten.
GeisterDer Glaube an das, was heute unter dem Begriff „Geister“ zusammengefasst wird, war weit verbreitet. So war man überzeugt, dass es Mahre gab, die ihre Gestalt verändern konnten. Viele Sagen beruhen auf einer Ähnlichkeit zwischen dem Mahr mit einem annähernd menschlichen Körper und den Menschen. In den alten norrønen Texten wird eine Person, die in übernatürlicher Weise in anderer Gestalt umgeht, als „hamleypa“ bezeichnet. Ein prägnantes Beispiel wird von Odin berichtet:
– Heimskringla. Ynglingasaga Kap. 7. Die Person ließ ihren „hugr“ in einen anderen Körper fahren. Der Begriff „hugr“ ist umfassender als der christliche Seelenbegriff. Er umfasst alles, was nicht Körper ist, die Gedanken, die Wünsche, den Geist, die Erinnerung.[1] Die menschlichen psychischen Funktionen werden als Einheit betrachtet. „Hamr“, der erste Wortbestandteil des Wortes hamhleypa, ist die zufällig gewählte Gestalt, in der der „hugr“ eingeht. Der Mahr ist ein Unterfall des „hamhleypa“. Ein anderer Fall ist der Werwolf, ein Mensch, der sich von Zeit zu Zeit in einen Wolf verwandelt. So wird Kveld–Ulfr geschildert:
– Egils saga Skalla-Grímssonar Kap. 1 MagieQuellenBestimmte Praktiken der Bevölkerung lassen sich aus frühen Gesetzen herleiten, wo sie im Einzelnen aufgeführt und mit Strafe bedroht werden. Auch findet man Hinweise in frühen Predigten und regionalen Synodenbeschlüssen oder Missionarsviten. Die sehr reichhaltigen Quellen Skandinaviens werden nur sporadisch berücksichtigt, weil sie ihren Platz im Artikel Nordgermanische Religion haben. Praktiken und HeiligtümerMan glaubte, dass bestimmten Personen die Gabe der Wahrsagerei gegeben sei. So heißt es im langobardischen Recht:
– Gesetze Liutprands 15. Jahr 84 I.[3] Hier werden auch weitere magische Praktiken erwähnt. Baumheiligtümer sind sehr alte Elemente, die sicher schon zu Zeiten Adams von Bremen viele Generationen hinter sich hatten. Er berichtet von einem heiligen Hain beim Opferfest in Upsala. Bonifatius fällte die Donareiche. Opfer und KultfesteZentrale religiöse Praxis war das Opfer.[4] Geopfert wurden Tiere, seltener Menschen, außerdem Waffen und andere wertvolle Gebrauchsgegenstände. In Friedenszeiten fand das religiöse Leben seinen Ausdruck in diversen Kultfesten. Der Charakter und die Ausprägung dieser Kultfeste wurde von der Art und Größe der politischen Gemeinschaft bestimmt. Zu dieser Zeit bedeutete politische Gemeinschaft zugleich religiöser Bezirk, und es gab keine Trennung zwischen Politik und Kult. Von besonderem Interesse dürfte der Bericht des Tacitus über das Opfer im Semnonenhain sein.
– Germania Kap. 39. Dieser Semnonenhain wird von der Forschung in Nordostdeutschland lokalisiert.[6] Schon früh wurde dieser Bericht des Tacitus mit den Helgi-Liedern der Edda in Verbindung gebracht.[7] Der dort genannte Hain „Fiöturlindi“ wird mit dem Fesselhain bei Tacitus identifiziert.[8] Man kann davon ausgehen, dass die von Tacitus geschilderte Tötung mit einer geheiligten Waffe vollzogen wurde. Nach der Edda war dies der heilige Speer Odins:
– Helga kviða Hundingsbana II. Die Hauptfeste fanden im Spätherbst bzw. zu Wintersbeginn, zur Mittwinterszeit, also Mitte Januar, im Spätfrühling und zum Beginn der Sommerzeit statt. Hinzu kam noch das Mittsommerfest. Dies waren Jahreskreisfeste und man opferte für gutes Wachstum, eine gute Ernte und Frieden; gelegentlich auch für den Sieg. Der Festzyklus hatte eine bestimmte Struktur, der in verschiedenen Variationen auftritt: Der Genius der Fruchtbarkeit wird durch einen konkreten Vertreter, meist ein Mensch, seltener ein Tier, repräsentiert. Nach dem Ende der Fruchtbarkeitsperiode oder vor Beginn einer neuen wird dieser Repräsentant des Lebens getötet (in neuerer Zeit nur noch symbolisch). Meist tritt dann sein Gegner, der ihn in einem Tötungsritus ums Leben bringt, seine Nachfolge an. Ein Symbol des Getöteten wird feierlich verbrannt, begraben oder dem Wasser übergeben. Zum Frühlingsbeginn wird dann das Erscheinen des neuen Fruchtbarkeitsgeistes gefeiert. Er gilt als der wiedergeborene Getötete oder als sein Nachfolger. Wenn das Tötungsritual im Herbst stattfindet, ist dessen Nachfolger zunächst ein Winterdämon (Wintergraf), der dann im Frühjahr vom Wachstumsgeist (Maigraf) getötet wird. Meist vereinigt dieser sich mit einem Mädchen, das die Mutter Erde repräsentiert, also eine Spielart der Hierogamie.[10] Geopfert wurden Opfertiere, vornehmlich das Pferd. Anschließend fand ein gemeinsames Kultmahl statt. Dies beinhaltete auch das Leeren des sog. „Minnebechers“. In diesem war ein Rauschtrank (meistens Met). Diese Becher waren, mit heiligen Formeln, entweder den Göttern oder Verstorbenen geweiht. Das Blut der Opfertiere wurde in einem Opferkessel aufgefangen und auf dem Altar und der Kultgemeinde versprengt. Aus kirchlichen Schriften geht hervor, dass es auch an Tanz und Gesang bei solchen Opferfesten nicht fehlte. Nur bei den sog. Landes- und Bundesfesten fanden Menschenopfer statt. Aus den verschiedensten Quellen geht hervor, dass ausschließlich Sklaven oder Gefangene geopfert wurden. Einzige Ausnahme: wenn ein Stammes- bzw. Sippenmitglied wegen einer Untat „unheilig“ gesprochen wurde, also der Sippe verstoßen und rechtlos wurde. Durch die häuslichen Feste und Kultriten wurde beispielsweise die Geburt eines Kindes, dessen Namensgebung und Aufnahme in die Sippe gefeiert. Für diese oder ähnliche Zwecke wurden kleine „Opferhäuser“ gebaut. Die Göttin Nerthus fand in vielen Sippen große Verehrung. Sie galt allgemein als eine Erd- und Fruchtbarkeitsgöttin. Es gab einen alljährlichen Umzug ihr zu Ehren. Dabei fuhr sie auf einem von Kühen gezogenen Wagen und verdeckt mit einem Tuch einher. Nach diesem Umzug fand eine rituelle Waschung der Göttin an einem See statt, bei der die Teilnehmer der Kulthandlung ebenfalls untergetaucht wurden. RechtswesenDas germanische Rechtswesen beruht ursprünglich auf religiöser Grundlage. Es existierten sog. Thinge, Gerichtsversammlungen. Diese wurden an sog. Thingstätten stets bei Tag (daher der Name Tagung) abgehalten. Die Thinge waren geheiligte Orte. Somit wollte man sich der göttlichen Hilfe bei der Rechtsprechung gewiss sein. Auf einem „heiligen Altarring“ wurden unter Anrufung der Götter die Rechtseide abgehalten. Die Anrufung der Götter schien den Germanen wichtig, denn somit ließen sich Eidbruch und Rechtsverletzung verhindern. Eine Art sakrales Strafrecht gab es nicht; auch der Meineid war straflos, denn man ging davon aus, dass die beim Eid angerufenen Götter den Täter selbst strafen würden. Sicher ist aber, dass der Ankläger auf einen Rechtsbrecher den Zorn der Götter herab rief. Doch war dies lediglich eine Art der Verfluchung, deren Wichtigkeit man nicht unterschätzen darf. Vor einem Krieg oder einer kriegerischen Handlung wurden dort den Göttern Gelübde für den Sieg dargebracht, und nach der Schlacht die Kriegsgefangenen als Votivopfer aufgehängt. Die Siegesfeiern waren mit Ehrungen für den Anführer und Totenfeiern für die Gefallenen verbunden. Siehe auchLiteratur
Antike Autoren als Quellen
Einzelnachweise
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