Giovanni Domenico Tiepolo war der älteste Sohn Giovanni Battista Tiepolos. Er war, wie auch sein jüngerer Bruder Lorenzo, Schüler, Gehilfe und Stecher in der Werkstatt seines Vaters. Später wurde er zunehmend gleichberechtigter Mitarbeiter, blieb gleichwohl lange Nachahmer seines berühmten Vaters, bis er 1747 im Oratorium von San Polo mit 14 Leinwänden zu den Stationen des Kreuzweges sein Debüt als selbstständiger Maler hatte. Diese kleinformatigen Darstellungen sind von historischem Interesse, weil in der Zeit ihrer Entstehung Christi Weg zum Kreuz in Rom zu einer besonderen Andachtsform erhoben wurde, und weil Domenicos Zyklus der erste dieser Art in Venedig war. Andere eigenständige Arbeiten gibt es im Kaisersaal und im Treppenhaus der Würzburger Residenz, wo er seinem Vater in den Jahren 1750 bis 1753 half.
Mit den Szenen aus dem ländlichen Leben im Gästehaus der Villa Valmarana ai Nani bei Vicenza entwickelte Domenico Tiepolo schließlich einen wirklich eigenen Stil. Auch um die Villa seiner Familie in Zianigo, Ortsteil der Gemeinde Mirano, auszuschmücken, nutzte der Künstler seine eigentliche Begabung zur Darstellung der alltäglichen Wirklichkeit. Er schuf dort faszinierende Dekorationen zu Genrethemen, die sich heute im Museo Correr befinden, zum Beispiel das Gemälde Pulcinella und Saltimbanchi. Tätig gewesen seit 1762 in Madrid.
Nach dem Tode seines Vaters in Madrid kehrte Domenico Tiepolo Ende 1770 nach Venedig zurück. In den 30 Jahren, die ihm verblieben, schuf er vornehmlich säkulare und religiöse Bilder. Er führte zwar den Stil seines Vaters fort, gab ihm aber eine andere Qualität, so zum Beispiel in dem Bild Abraham und die drei Engel. Die Genre- und Landschaftsdetails und der bäuerliche Abraham sind Elemente, die in Giambattistas religiösen Werken nicht zu finden sind.
Zu Tiepolos Werk zählen auch zahlreiche Radierungen. Gegen Ende des Jahrhunderts gewann die Zeichnung bei ihm eine neue, bildmäßige Eigenständigkeit. Neben der Bearbeitung religiöser Themen wandte er sich dabei zunehmend Darstellungen aus den Salons und von den Freizeitvergnügungen der venezianischen Gesellschaft zu. Höhepunkt ist die berühmte Serie, in der er den Alltag seiner Zeit in die Welt Pulcinellas, der verschlagenen Dienerfigur der Commedia dell’arte, übertrug.
Werke (Auswahl)
6 Fresken zur Geschichte der Familie Porto in Vicenza, um 1757; Fresken in Grisaille auf Goldgrund, auf Ln aufgezogen. Sammlung Rau, Arp Museum Bahnhof Rolandseck, Remagen.
Felix Reuße: Giandomenico Tiepolo. Die Flucht nach Ägypten. Radierungen. Ausstellung Augustinermuseum Freiburg. Freiburg: Rombach, 2007. ISBN 978-3-7930-5034-6.
Hein-Th. Schulze Altcappenberg: Giovanni Battista Tiepolo (1696–1770) und sein Atelier: Zeichnungen & Radierungen im Berliner Kupferstichkabinett; [Begleitbuch zur Ausstellung des Kupferstichkabinetts anlässlich des 300. Geburtstages von Giovanni Battista Tiepolo, 30. November 1996 – 2. März 1997]. Berlin: Mann, 1996. ISBN 3-7861-1791-8.
Les Tiepolo (Giambattista, Giandomenico, Lorenzo) une peintres-graveurs: Les Tiepolo peintres-graveurs est une exposition du Cabinet des estampes, présentée du 4 avril au 26 août 2001, du Musée d’art et d’histoire, Genève. Genève: Cabinet des estampes du Musée d’art et d’histoire, 2001. ISBN 2-8306-0193-9.
Giovanni Domenico Tiepolo: die Flucht nach Ägypten; Staatsgalerie Stuttgart, Graphische Sammlung, 29. November 1999 – 5. Februar 2000 / bearb. von Christofer Conrad. Stuttgart: Staatsgalerie, 1999.
Heike Frosien Lenz: Sechs Tiepolo-Fresken des Palazzo Porto. In: Tiepolo und das Antlitz Italiens. Remagen 2009. S. 88–101. ISBN 978-3-8321-9223-5.
Johann Eckart von Borries: Bemerkungen zu den Kreidezeichnungen von Giambattista und Domenico Tiepolo. In: Zeitschrift für Kunstgeschichte. Band 34, 1971, S. 135–146.