Die Stadt liegt in der historischen Region Kujawien, etwa 50 Kilometer ostnordöstlich der Stadt Posen.
Geschichte
Gniezno gilt als eine der ältesten Städte Polens; erste menschliche Ansiedlungen gab es bereits in der Steinzeit. Die erste urkundliche Erwähnung erfolgte am Ende des 10. Jahrhunderts, also nach der Christianisierung Polens. Als Gründer der Stadt gilt Herzog Lech, der sich einer Legende nach auf dem Lech-Hügel sein Nest (poln. gniazdo) baute wie ein weißer Adler in der Baumkrone über ihm. Der weiße Adler findet sich sowohl im Wappen der Stadt als auch im Wappen Polens.
Seit 1980 ist die Stadt Namensgeber für den Gniezno-Gletscher in der Antarktis.
Name der Stadt und Gründungssage
Der Name der Stadt Gniezno leitet sich vom polnischen Wort gniazdo ab, was auf Deutsch Nest bedeutet.[2] Nach der Legende zur Entstehung des polnischen Staats gab es drei Brüder: Lech, den Urvater des polnischen Staats, Czech (Čech), den Urvater des tschechischen Staats und Rus, den Urvater des russischen Staats. Die ursprünglich zusammen lebenden Brüder beschlossen, in die Weite zu ziehen. Czech siedelte südlich und Rus östlich. Lech beschloss, nach Norden zu ziehen. Als Lech in das Gebiet des späteren Großpolens gelangte, ruhte er sich im Schatten eines Baumes aus. Dabei beobachtete er in der Abendröte einen prächtigen weißen Adler, der auf der Krone des Baums über ihm gelandet war. Dieses Ereignis beeindruckte Lech so sehr, dass er beschloss, sich hier niederzulassen und die Stadt Gniezno (Gnesen) zu gründen. Von diesem Zeitpunkt an ist der weiße Adler Teil des städtischen und polnischen Wappens, wobei die Farbe Rot für die Abendröte steht.
Mittelalter
In Gniezno ist seit dem 8. Jahrhundert eine Burg nachweisbar. Ab dem 9. Jahrhundert war es das politische Zentrum des sich allmählich herausbildenden Staates der Piasten. Als Ersterwähnung in einer schriftlichen Quelle gilt die Übertragung einer civitas Schinesghe (= „die Stadt/der Staat Gnesen“) durch Mieszko I. († 992) an den heiligen Petrus. Die Schenkungsurkunde ist nur in Form eines späteren Regests, das als Dagome Iudex bekannt ist, erhalten. Im Jahr 1000 kam es zum Akt von Gnesen. Bolesław I. Chrobry empfing hier Kaiser Otto III., und es kam zur Gründung des ältesten polnischen Erzbistums. 1025 wurde Bolesław I. Chrobry der erste König von Polen. 1238/39 erhielt Gniezno die Stadtrechte. Bis 1320 war die Stadt Krönungsort der polnischen Könige.
Gniezno war lange Zeit das kulturelle Zentrum Polens, das mit dieser Stadt die Anfänge seines Staatswesens verbindet.
Während der (europaweiten) Hungersnot des Jahres 1847 war Gnesen Schauplatz bürgerkriegsähnlicher Unruhen. Es kam zu Plünderungen von Speichern und Läden.[3]
Am 15. Oktober 1863 wurde das Gnesener Gymnasium eröffnet.[4]
am 1. Dezember, darunter 8436 mit deutscher Muttersprache (7417 Evangelische und 1019 Katholiken) und 14.114 mit polnischer Muttersprache (elf Evangelische, 14.103 Katholiken); außerdem 980 Juden[15]
1910
25.339
am 1. Dezember, davon 9869 mit deutscher Muttersprache (7780 Evangelische, 1260 Katholiken, 53 sonstige Christen oder Andersgläubige und 776 Juden) und 15.341 mit polnischer Muttersprache (zwei Evangelische, 15.338 Katholiken und eine jüdische Person)[16][17]
Krankenmorde in Dziekanka vor Ende des Zweiten Weltkriegs
In der heute zu Gniezno gehörenden Siedlung Dziekanka (deutsch: Dekanat, 1939–1945: Tiegenhof) wurde 1894 eine psychiatrische Anstalt des Kreises eingerichtet. Die seit 1920 polnische Anstalt wurde 1939 in Gauheilanstalt Tiegenhof umbenannt. Der Direktor Victor Ratka kollaborierte mit den deutschen Besatzern und blieb im Amt.
Zunächst wurden über 1200 polnische Anstaltsinsassen durch das Sonderkommando Lange in Gaswagen ermordet. Nach dem Ende der Krankenmorde wurden ab Ende 1941 Anstaltsinsassen aus dem Deutschen Reich nach Tiegenhof verlegt und dort durch Nahrungsentzug und Verabreichung tödlicher Medikamentencocktails ermordet. Verharmlosend wurde von einer „Kinderfachabteilung“ gesprochen.[18] Die Gesamtzahl der Getöteten wird auf 3586 beziffert.[19]
Die Erzkathedrale von Gniezno gilt als eines der bedeutendsten Kirchengebäude Polens. Die Kirche ist seit dem 15. Jahrhundert zugleich die Hauptkirche des Erzbischofs von Gniezno sowie des Primas Poloniae (Primas von Polen). Von europäischer Bedeutung ist in der Erzkathedrale die zweiflügelige Bronzetür von Gniezno. Anlässlich des Besuchs von Papst Johannes Paul II. in Polen 1997 schuf der deutsche Künstler Heinrich Gerhard Bücker für die Erzkathedrale einen neuen Hochaltar, der vom Papst bei seinem Besuch persönlich geweiht wurde.
Weitere Kirchen sind: die Dreifaltigkeitskirche, die Kirche zum Heiligen Kreuz, die Peter-und-Paul-Kirche, die Kirche des Erzengels Michael, die Krönungskirche der polnischen Könige sowie die Georgskirche. Die ehemals protestantische Garnisonskirche ist heute ein katholisches Gotteshaus unter dem Patronat Maria, Königin Polens.[20]
Dazu kommen etliche restaurierte historische Gebäude und Museen. Das Erzbischöfliche Archiv zu Gniezno zeigt religiöse Objekte, darunter Gemälde, Skulpturen, Gewänder und Sargportraits. Das museumsdidaktisch konzipierte Museum der Ursprünge des polnischen Staates dokumentiert die Frühgeschichte der Stadt Gniezno und deren Zeit als Hauptstadt der polnischen Nation.
Die Landgemeinde Gniezno, zu der die Stadt Gniezno nicht gehört, hatte im Juni 2010 9.490 Einwohner.[21]
Politik
Stadtpräsident
An der Spitze der Stadtverwaltung steht der Stadtpräsident. Seit 2014 war dies Tomasz Budasz (PO), der 2024 von seinem Parteifreund Michał Powałowski, der für das Wahlkomitee „Koalition für die erste Hauptstadt“ antrat. Die turnusmäßige Wahl im April 2024 führte zu folgenden Ergebnis:[22]
Michał Powałowski (Wahlkomitee „Koalition für die erste Hauptstadt“) 61,7 % der Stimmen
In Gnesen ist der Fußball-DrittligistMieszko Gniezno beheimatet. Weitere Fußballvereine aus Gniezno sind: KS Gniezno, Techmet Orliki Gniezno sowie Gniewko Gniezno.
Speedway
Der Speedway-Verein TŻ Start Gniezno tritt in der 1. polnischen Liga an. Die Mannschaft trägt ihre Wettkämpfe im Start Gniezno Stadion aus, das 10.000 Zuschauern Platz bietet.
Hermann Senator (1834–1911), Nachfolger von Rudolf Virchow als 1. Vorsitzender der Berliner Medizinischen Gesellschaft, klinischer Leiter an der Berliner Charité und Professor, Verfasser wichtiger Arbeiten über Nierenkrankheiten und Eiweißausscheidung
Jacob Caro (1835–1904), Historiker, Professor in Jena und Breslau, verfasste Untersuchungen zur polnischen, russischen, spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Geschichte
Gnesen, Kreisstadt, an einem Zufluss der Welna, Regierungsbezirk Bromberg, Provinz Posen, mit Eintrag aus Meyers Orts- und Verkehrslexikon, Ausgabe 1912, sowie einer historischen Landkarte der Umgebung von Gnesen (meyersgaz.org).
Heinrich Wuttke: Städtebuch des Landes Posen. Codex diplomaticus: Allgemeine Geschichte der Städte im Lande Posen. Geschichtliche Nachrichten von 149 einzelnen Städten. Leipzig 1864, S. 311–316 (Google Books).
Führer durch Gnesen, seine Geschichte und seine Sehenswürdigkeiten. Otto Pabst, Gnesen 1913 (Digitalisat)
Gniezno. Geschichte und Gegenwart. (= Schriftenreihe der Stadt Speyer; Bd. 8). Stadtverwaltung, Speyer 1997.
Wilfried Gerke, unter Mithilfe von Elfriede Henke: Deutsche im Gnesener Land. Heimatbuch für den Kreis Gnesen-Witkowo. Geschäftsstelle der Heimatkreisgemeinschaft Gnesen, Hannover 1981.
Ursula Mende: Die Bronzetüren des Mittelalters. 800–1200. Hirmer, München 1983, ISBN 3-7774-3530-9, S. 84 ff.
↑Hans-Heinrich Bass: Hungerkrisen in Preussen während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Scripta Mercaturae Verlag, St. Katharinen 1991, ISBN 3-922661-90-4, S. 248.
↑Julius Methner: Die ersten 25 Jahre des Gymnasiums in Gnesen. Beiträge zu einer Geschichte der Anstalt. In: Königliches Gymnasium in Gnesen. 1888. Beilage zum XXV. Jahres-Bericht, Programm Nr. 141. Decker & Co. (A. Röstel), Posen 1888 (Google Books).
↑ abcdefgHeinrich Wuttke: Städtebuch des Landes Posen. Codex diplomaticus: Allgemeine Geschichte der Städte im Lande Posen. Geschichtliche Nachrichten von 149 einzelnen Städten. Leipzig 1864, S. 311–316 (Google Books).
↑Alexander August Mützell, Leopold Krug: Neues topographisch-statistisch-geographisches Wörterbuch des preußischen Staats. Band 2: G–Ko. Halle 1821, S. 44, Ziffer 1569 (Google Books).
↑Leopold von Zedlitz-Neukirch: Die Staatskräfte der preußischen Monarchie unter Friedrich Wilhelm III. Band 2, Teil 1, Berlin 1828, S. 114–115, Ziffer 1) (Google Books).
↑Uebersicht des Flächenraums und der Einwohnerzahl des Preussischen Staats, und Alphabetisches Verzeichniß der Städte in demselben, mit Angabe der Civil-Einwohnerzahl am Schlusses des Jahres 1852, Decker, Berlin 1854, S. 13 (Google Books).
↑Uebersicht des Flächenraums und der Einwohnerzahl des Preussischen Staats, und Alphabetisches Verzeichniß der Städte in demselben, mit Angabe der Civil-Einwohnerzahl am Schlusses des Jahres 1855, Decker, Berlin 1857, S. 13 (Google Books).
↑ abKönigliches Statistisches Büro: Die Gemeinden und Gutsbezirke des preussischen Staates und ihre Bevölkerung. Nach den Urmaterialien der allgemeinen Volkszählung vom 1. Dezember 1871 bearbeitet und zusammengestellt. Teil IV: Die Provinz Posen. Berlin 1874; VIII. Kreis Gnesen, S. 212–213, Ziffer 2 (kpbc.umk.pl).
↑ abcMichael Rademacher: Kreis Gnesen. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com. Abgerufen am 1. Januar 1900
↑Königliches statistisches Bureau: Gemeindelexikon für das Königreich Preußen. Auf Grund der Materialien der Volkszählung vom 1. Dezember 1885 und anderer amtlicher Quellen. Band V: Provinz Posen, Berlin 1888. Regierungsbezirk Bromberg, 41. Kreis Gnesen, S. 264–265, Ziffer 1 (Google Books).
↑Lexikoneintrag zu Gnesen, in: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage, Band 8, Leipzig/Wien 1907, S. 65 (Zeno.org).
↑Kaiserliches Statistisches Amt: Die Volkszählung am 1. Dezember 1900 im Deutschen Reich (= Statistik des Deutschen Reichs, Band 150). Teil I, Berlin 1903, Anhang: Tabellen über die Ergebnisse der Volkszählung vom 1. Dezember 1900, S. 12 (Google Books).
↑Königlich Preußisches Statistisches Landesamt: Gemeindelexikon für die Provinz Posen. Auf Grund der Materialien der Volkszählung vom 1. Dezember 1905 und anderer amtlicher Quellen. Berlin 1908, 9. Kreis Gnesen, S. 32–33, Ziffer 1 (Google Books).
↑Königlich Preußisches Statistisches Landesamt: Gemeindelexikon der Regierungsbezirke Allenstein, Danzig, Marienwerder, Posen, Bromberg und Oppeln. Auf Grund der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und anderer amtlicher Quellen. Berlin 1912, Heft V: Regierungsbezirk Bromberg, 5. Kreis Gnesen, S. 14–15, Ziffer 1 (Google Books).