In den 1930er Jahren war Niedecken-Gebhard maßgeblich an der Entwicklung des Thingspiels beteiligt, deren Grundzüge er aus seiner Beschäftigung mit den Opern von Georg Friedrich Händel im Zuge der „Händel-Renaissance“ in den 1920er Jahren entwickelte. Er gehörte zu den wenigen homosexuellen Künstlern, die in der NS-Zeit ihre Position nicht nur halten, sondern ausbauen konnten.[5] 1934 führte Niedecken-Gebhard Regie bei den Heidelberger Reichsfestspielen.
Aufgrund von Denunziationen Anfang 1936 wegen seiner Homosexualität und umfangreicher Ermittlungen der Berliner Gestapo[6] ging Niedecken-Gebhard am 20. März 1936[7] eine Scheinehe mit der Bühnenbildnerin Lotte Brill ein[8] und zog mit ihr in ein Haus im Grunewald. Über diese sogenannte „Olympische Hochzeit“[7] berichtete unter anderem der Völkische Beobachter – zu diesem Zeitpunkt war Niedecken-Gebhard mit der Inszenierung der Eröffnungsfeier der Olympischen Sommerspiele 1936 befasst. In der Folgezeit leitete er monumental angelegte Festspiele in Breslau und München. Von 1941 bis 1945 wirkte er an den Städtischen Bühnen von Leipzig.
Seine Opernarbeit war sehr eng mit dem Tanz verbunden. Schon in Hannover entwickelte er zusammen mit dem Tänzer Harald Kreutzberg und dem Kapellmeister Richard Lert ein neues Opernverständnis. Später arbeitete er mit weiteren bedeutenden Vertretern des Deutschen Tanzes wie Kurt Jooss und Mary Wigman.[9]
1945 wurde er aller seiner Ämter enthoben. Ab 1947 lehrte er schließlich Theaterwissenschaft in Göttingen.
Werke (Auswahl)
Schriften:
J.-G. Noverre, und sein Einfluss auf die dramatische Balletkomposition, Dissertation Halle 1914
auch: Jean George Noverre 1727–1810. Sein Leben und seine Beziehungen zur Musik, Halle 1919[10]
Shawn der Tänzer, mit einem Vorwort von H. Niedecken-Gebhard und einer Einleitung über Katherine S. Dreier von Hans Hildebrandt. Mit Photographien von Ralph Hawkins [u. a.], Berlin: Drei Masken Verlag, 1933
Herakles, Textband zur Aufführung auf der Dietrich-Eckart-Freilichtbühne, Reichssportfeld, zum Oratorium von Georg Friedrich Händel, nach der Fassung von Friedrich Chrysander für die szenische Aufführung neu eingerichtet von Hanns Niedecken-Gebhard. Veranstaltet von der Reichsmusikkammer und dem Organisationskomitee für die 11. Olympiade Berlin 1936 ... am 7. u. 16. Aug. 1936 ..., Berlin: Limpert, 1936
Orpheus und Eurydike. Musikalisches Drama, Programm und Textband des Werkes von Christof Willibald Gluck für die Berliner Sommerfestspiele. Nach der Original Partitur der Wiener Fassung von 1762 hrsg. u. neuübersetzt von Hermann Abert, zur Aufführung auf der Dietrich-Eckart-Freilicht-Bühne dramaturgisch eingerichtet von Hanns Niedecken-Gebhard. Berlin: [Der Oberbürgermeister], 1938
Frohes, freies, glückliches Volk. Festspiele im Olympiastadion. 18. bis 28. August 1938. Künstlerische Gesamtleitung: Hanns Niedecken-Gebhard, München: [Der Oberbürgermeister], 1938
Ein Rückblick. Dreißig Jahre Händel-Renaissance, in: Die Göttinger Händel-Festspiele, Festschrift, Göttingen 1953
Bernhard Helmich: Händel-Fest und „Spiel der 10.000“. Der Regisseur Hanns Niedecken-Gebhard (= Europäische Hochschulschriften, Reihe 30: Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften, Bd. 32), Dissertation, Frankfurt am Main [u. a.]: Lang, 1989, ISBN 3631419244
Ines Katenhusen: Kunst und Politik. Hannovers Auseinandersetzungen mit der Moderne in der Weimarer Republik, zugleich Dissertation an der Universität Hannover unter dem Titel Das Verständnis für eine Zeit gewinnt man vielleicht am besten aus ihrer Kunst, in der Reihe Hannoversche Studien, Schriftenreihe des Stadtarchivs Hannover, Band 5, Hannover: Hahn, 1998, ISBN 3-7752-4955-9, S. 71 u.ö.
Dörte Schmidt, Brigitta Weber (Hrsg.): Keine Experimentierkunst. Musikleben an Städtischen Theatern in der Weimarer Republik. Stuttgart/Weimar 1995. ISBN 3476012654, S. 344 u.ö.
Michael Werner: „Sehnsucht und Erfüllung unserer Zeit.“ Aspekte deutscher Händelrezeption in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In: Händel-Jahrbuc, hrsg. von der Georg-Friedrich-Händel-Gesellschaft e. V. Internationale Vereinigung, Sitz Halle (Saale). - Köln: Studio, 1997, ISSN 0440-0615.
↑Bernd Dürr: [www.galerie-bernd-duerr.de/kuenstler/popup.php?id=481 Lotte Brill] auf der Seite galerie-bernd-duerr.de [ohne Datum], zuletzt abgerufen am 22. Juli 2020
↑Bernhard Helmich: Händel-Fest und "Spiel der 10.000". der Regisseur Hanns Niedecken-Gebhard. Diss. Europäische Hochschulschriften. Bd. 30. Lang, Frankfurt am Main 1989, v. a. S. 90ff. und 201ff.