Hawker Siddeley Harrier
Die Hawker Siddeley Harrier ist ein einstrahliges senkrechtstartendes und -landendes Kampfflugzeug aus britischer Produktion. Benannt wurde die Maschine nach der Greifvogelgattung der Weihen (englisch harrier) und ihrem Entwickler Hawker Siddeley. Die Harrier basiert auf dem Versuchsflugzeug und Erprobungsträger Hawker P.1127. Eine umfassende Weiterentwicklung stellt die McDonnell Douglas AV-8B Harrier II dar. Sie wird auch als die zweite Generation der Harrier bezeichnet. GeschichteP.1127 als EntwicklungsbasisDie Harrier basiert in hohem Maße auf dem im Oktober 1960 zum ersten Mal geflogenen Erprobungsträger Hawker P.1127, der unter der Bezeichnung Kestrel in der Tripartite Evaluation Squadron auch seine Eignung als Kampfflugzeug zur Luftnahunterstützung nachweisen konnte. Die besondere Bedeutung des hier eingesetzten VTOL-Konzepts ist daran zu erkennen, dass die RAF die Entwicklung und Beschaffung des Flugzeugs trotz des 1957 Defence White Papers beauftragte, das vorsah, Entwicklungen im Rüstungsbereich von bemannten Flugzeugen zu Raketen zu verlagern. Die enge Zusammenarbeit zwischen Hawker Aircraft (hauptsächlich für die Entwicklung der Zelle verantwortlich) und dem Triebwerkshersteller Bristol Engine war nach Aussage des Projektingenieurs Gordon Lewis für die Entwicklung der Harrier trotz aller technischen Schwierigkeiten und politischen Einflussfaktoren entscheidend.[2] Im Juni 1960 wurde ein Vertrag zur Produktion von zwei Prototypen unterzeichnet. Von den insgesamt sechs Prototypen stürzten drei ab; einer davon während einer Flugshow auf der Pariser Luftfahrtschau 1963. Einsatzerprobung mit der KestrelEnde 1962 vereinbarten das Vereinigte Königreich, die Vereinigten Staaten und die Bundesrepublik Deutschland, insgesamt neun weitere Vorserienmaschinen unter der Bezeichnung Kestrel FGA.1 zu beschaffen, um die Leistungsfähigkeit und das Potential von V/STOL-Flugzeugen unter Feldeinsatzbedingungen zu ermitteln. Hierzu wurde die Tripartite Evaluation Squadron (TES) (auch Tri-partite Evaluation Squadron) aufgestellt. Als Ergebnis sollte ein neues Einsatzkonzept für V/STOL-Kampfflugzeuge aufgestellt werden. Die TES war damit die erste militärische Einheit, die mit V/STOL-Flugzeugen ausgerüstet war. Die Feststellung der Einsatzbereitschaft der Kestrel erfolgte am 15. November 1964. Zehn Piloten (jeweils vier aus dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten sowie zwei aus Deutschland) bildeten das Team der Testpiloten für diese Evaluierung. Im Rahmen dieser Vereinbarungen wurde auch die wichtige Frage der Kostenverteilung geregelt. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Entwicklungskosten für die neuartigen Triebwerke von Bristol Siddeley (später: Rolls-Royce) wurde von den USA[3] und dem BMVg West-Deutschlands (im Rahmen der VAK 191B und fast 40 % alleine im Rahmen der Dornier Do-31-Entwicklung[4]) getragen. Über den sehr hohen Anteil der US-Finanzierung sicherte sich das US-Verteidigungsministerium (DoD) ein gewichtiges Mitspracherecht bei der zukünftigen Entwicklung dieser vielversprechenden europäischen Projekte. Bis zum Ende der Evaluierung im November 1965 erfolgten insgesamt 1366 Starts und Landungen.[5] Während der Tests wurde ein Flugzeug zerstört, sechs weitere wurden unter der Bezeichnung XV-6A Kestrel in die Vereinigten Staaten überführt und weiteren Tests unterzogen.[6] Die beiden verbliebenen britischen Kestrel wurden ebenfalls weiteren Testphasen in der militärischen Forschungseinrichtung RAE Bedford zugewiesen, wobei eine der beiden Maschinen mit dem Pegasus-6-Triebwerk ausgerüstet wurde.[7] Weiterentwicklung zur HarrierNoch vor der Einrichtung der Tripartite Evaluation Squadron begann Hawker mit den konkreten Planungen für eine Überschallversion der P.1127. Erste Untersuchungen fanden bereits 1960 mit der P.1150 statt. Nach der Aufgabe dieses Projekts sollte die darauf folgende P.1154 die in der OR.356 (Operational Requirement 356) festgehaltenen Anforderungen für ein überschallschnelles VTOL-Jagdflugzeug für die RAF und Royal Navy erfüllen. Die Navy verlor jedoch 1964 das Interesse und am 2. Februar 1965 stoppte die neue britische Labour-Regierung die Entwicklung der P.1154. Zur gleichen Zeit gab die Regierung bekannt, dass eine weiterentwickelte Version der Kestrel für die RAF beschafft werden würde. Dieses umkonstruierte Muster sollte billiger, wenn auch weniger leistungsfähig als die P.1154 sein, dafür aber deren Avionik weitgehend übernehmen. Die Hoffnung war, dass alle drei an der TES beteiligten Staaten (Großbritannien, USA, Deutschland) dieses Flugzeug anschaffen würden, was aber nicht eintrat. Großbritannien erteilte 1965 einen ersten Auftrag für ein Entwicklungslos (Development Batch) von sechs Vorserienflugzeugen mit der Bezeichnung P.1127(RAF), später auch Harrier GR.1 (DB) genannt. Die ersten Flüge der sechs Vorserienmaschinen fanden zwischen dem 31. August 1966 und dem 14. Juli 1967 statt. Die Entwicklungsmaschinen wurden beim RAE, dem A&AEE und der Blind Landing Experimental Unit (BLEU) einer eingehenden Erprobung unterzogen. Diese fand auch unter annähernd tropischen Temperaturen in Sizilien statt. Sogar von der Helikopter-Plattform der italienischen Andrea Doria und auf dem argentinischen Träger Veinticinco de Mayo wurden Flüge durchgeführt. Das erste Baulos der anschließenden Serienfertigung der GR.1 (auch GR.Mk.1) umfasste 60 Exemplare. Die Erstflüge dieser Flugzeuge fanden zwischen Dezember 1967 und März 1971 statt. Die 17 Maschinen eines zweiten Bauloses flogen zum ersten Mal zwischen Juni 1971 und Juni 1972. Die meisten Exemplare wurden ab 1972 zu GR.3 modifiziert. Ab Anfang 1971 wurde mit dem Pegasus 10 (RAF: Mk 102, USMC: F402-RR-400) eine leistungsstärkere Triebwerksversion mit einem Schub von 91,2 kN bei der Umrüstung und Produktion der Harrier GR.1A eingesetzt, von der 17 Exemplare zwischen Juni 1971 und Januar 1972 neu gebaut wurden. Bis Ende 1974 war auch die Umrüstung der bereits vorhandenen Harrier abgeschlossen. Die nachfolgende Variante GR.3 erhielt neben dem Pegasus 11 (RAF: Mk. 103, Schub: 95,7 kN) auch das LRMTS in der Rumpfnase und ein Radarwarnsystem (ARI.18223RWR) in einer Verkleidung an der Spitze der Seitenleitwerksflosse für die Abdeckung nach vorne und am hinteren Teil der Flosse für den 180° nach hinten. Alle GR.3 besaßen eine zur linken Seite ausgerichtete 70-mm-F95-Kamera für Aufklärungszwecke. Zur Film-Auswertung hatten die RAF an zwei Standorten mobile Reconaissance Intelligence Centre eingerichtet. Das erste Baulos dieser Serienvariante (das dritte insgesamt) umfasste ab Januar 1976 zwölf Maschinen. Im Rahmen des letzten regulären Bauloses wurden von 1980 bis 1982 24 Gr.3 hergestellt. Als Ausgleich von Verlusten im Falkland-Krieg wurden aber schließlich noch vier Exemplare hergestellt, was einen Gesamtbauumfang von 118 Stück ergibt.[8] United States Marine CorpsSeit der Teilnahme 1968 bei den US-amerikanischen Tri-Service Trials (TST) mit den sechs in die USA gebrachten Kestrel der ehemaligen Tri-Partite Squadron, war das US Marine Corps (USMC) stark an der Beschaffung der Harrier interessiert. Die US Navy, die für die Beschaffung der Flugzeuge des USMC zuständig ist, schickte ein Test-Team nach England, das die Harrier ebenfalls als sehr gut geeignet für die vorgesehenen Zwecke beurteilte. Der hauptsächliche Beweggrund zur Beschaffung waren die Vorteile der Harrier bei der Luftnahunterstützung von amphibischen Landeoperationen. Dies sollte in drei Phasen ablaufen: zuerst von Schiffen (LHA- oder LPH-Typ) auf See, dann von einfachen Plätzen im Landekopf der Operation und schließlich von eingerichteten Flugplätzen aus. Kurzzeitig wurde erwogen, eine Lizenzfertigung in den USA einzurichten, schließlich wurde dies jedoch wegen der geringen Stückzahlen als nicht wirtschaftlich erachtet.[9] Nach Auseinandersetzungen im Senat/Kongress wegen der Beschaffung von Ausrüstung für die amerikanischen Streitkräfte außerhalb der USA stellte die US-Regierung die Mittel für die Fiskaljahre 1971/72 zur Beschaffung von zwölf Flugzeugen bereit. Unter der US-Streitkräfte-Bezeichnung AV-8A (Werksbezeichnung Harrier Mk.50) wurden diese Harrier an die auf der USS Guam stationierten Einheit VMA-513 geliefert. Nachdem bereits die NASA mit einer XV-6A 1971 erste Versuche zu den Möglichkeiten des Vectoring-in-forward-flight (VIFF) durchgeführt hatte, worunter das Schwenken der Düsenauslässe im Vorwärtsflug außerhalb des normalen Start- und Landevorgangs zu verstehen ist, setzte ein Anfang 1972 gestartetes gemeinsames Programm der USA mit Großbritannien diese Untersuchungen fort. Hierbei spielten vor allem die Ergebnisse von Versuchen der VMA-513 zur Manövrierbarkeit im Luftkampf eine wichtige Rolle. Hierbei konnte gezeigt werden, dass sich die Harrier beim Einsatz der VIFF-Technik siegreich gegen die F-4 Phantom II und F-86 Sabre durchsetzen konnte.[9] Im Falklandkrieg setzten die Sea Harrier der Fleet Air Arm dieses Verfahren mit großem Erfolg im Luftkampf ein. Diesem ersten Baulos folgten vier weitere, die ebenfalls einzelnen Fiskaljahren zugeordnet waren. Bis 1975 hatte das USMC 110 Maschinen erhalten, die ausnahmslos in Kingston gebaut und als Luftfracht in die USA gebracht wurden. Erste Exemplare hatten als Antrieb das Pegasus-102-Triebwerk und verwendeten das Ferranti-541-Trägheitsnavigationssystem, während die späteren Maschinen das stärkere Pegasus 103 und das amerikanische Baseline-System erhielten. Spanische MarineBedingt durch die politischen Vorbehalte infolge der franquistischen Diktatur, konnte Spanien 1973 den Kauf von sechs Flugzeugen nicht direkt mit Hawker verhandeln, sondern musste die US-Regierung als Zwischenvermittler einschalten. Der Auftrag wurde an das letzte Baulos des USMC angehängt. Die AV-8A (Mk. 50) wurden ebenfalls in Kingston hergestellt und 1976 in die USA verschifft, wo die spanischen Piloten ihre Umschulung auf das Baumuster durchliefen. Dabei ging eine Maschine verloren. Die AV-8A dienten dann in der in Rota stationierten Escuadrilla 008 der spanischen Marine (Armada Española) unter der Bezeichnung Matador. Öfters war die Einheit auch auf dem Ex-US-Navy-Flugzeugträger Dédalo stationiert. Im Jahr 1977 bestellte Spanien vier weitere Maschinen unter der Bezeichnung AV-8S Matador (Harrier Mk.55), wobei das letzte Flugzeug als Ersatz für das in den USA abgestürzte diente. Entwicklung von DoppelsitzernDie zweisitzige Trainerversion erhielt einen um 1,19 m verlängerten Rumpfbug und eine um 28 cm erhöhte und um 84 cm nach hinten verlegte Leitwerksflosse. Der hintere Sitz ist gegenüber dem vorderen um 46 cm erhöht angeordnet. Am 24. April 1969 flog die erste von insgesamt 27 Harrier T.2, wobei die letzte davon am 2. Oktober 1987 an die RAF als letzte Harrier der ersten Generation abgeliefert wurde. Nach- und Umrüstungen mit den verbesserten Triebwerken führten zu den Bezeichnungen T.2A (Mk. 102) und T.4 (Mk 103). Für die T.4 war eine Weiterentwicklung zur T.6 vorgesehen und sollte hierbei die Nachtkampffähigkeiten der Mk.7 integrieren. Diese Pläne wurden 1990 aufgegeben, als entschieden wurde, neu gebaute T.10 zu beschaffen, die auf der Flugzeugzelle der Harrier II basierten. Der einzige Zweisitzer mit Nachtkampffähigkeiten blieb somit die XW267, die vom RAE modifiziert worden war. EinsatzAm 1. April 1969 wurde die Freigabe für den Einsatz bei der RAF erteilt, obwohl zu diesem Zeitpunkt lediglich 20 % der Maschinen bereits mit dem Trägheits-Navigations/Angriffssystem Ferranti 541 (s. #Navigation und Zielunterstützung) ausgerüstet waren. Von April bis Dezember 1969 erhielt die No. 1 Squadron die ersten 20 Serien-GR.1. Von Beginn an war geplant, zwei Squadrons mit Harrier auszurüsten. In England war dafür die No. 1 Squ. in Wittering und in Deutschland die No. IV Squ. in Wildenrath vorgesehen. Zur Pilotenschulung wurde die No. 233 Operational Conversion Unit (OCU) ebenfalls in Wittering aufgestellt. Nachdem sich die Einsatzflexibilität der Harrier bei diesen Einheiten gezeigt hatte, begannen 1970 auch die No. 3 und 20 Squ. in Wildenrath mit dem Ersatz ihrer Ausrüstung durch die Harrier.[10] Die ersten zweisitzigen Schulflugzeuge folgten ebenfalls 1970. 1977 verlegten die RAF-Harrier in Deutschland zum Standort RAF Gütersloh, wobei die No. 20 Squ. aufgelöst wurde. Aufgrund der örtlichen Gegebenheiten wurden die nominell 36 Flugzeuge auf nur zwei Staffeln verteilt, die No. 3 und 4 Squadron. Die No. 3 und 4 Squadron wurden von 1992 bis 1999 in RAF Laarbruch (Weeze) stationiert, anschließend nach England verlegt und einige Jahre später außer Dienst gestellt. Zwei- bis dreimal pro Jahr wurden Übungen abgehalten, wobei die Squadrons aufgeteilt in Flights von jeweils sechs Flugzeugen in Übungsgebiete ohne feste Infrastruktur verlegten. Die Royal Engineers präparierten jedoch die entsprechenden Stellen mit schnell zu verlegenden Aluminiumplanken für den Sprungstart und die vertikale Landung. Startpisten hatten eine Länge von 230 m, während die Landefläche 21 m × 21 m groß war.[11] Die Neuausrüstung der RAF-Einheiten mit den GR.5- und GR.7-Versionen begann 1988 und war Anfang 1991 fast abgeschlossen. Lediglich bei der OCU und der No. 1417 Flight in Belize verblieben noch einige GR.3. Am 15. Dezember 2010 starteten von der RAF Cottesmore Air Station 16 Harrier zu einem letzten Flug in einer Diamant-Formation; damit endete die Ära der Hawker Siddeley Harrier in Großbritannien.[12] FalklandkriegWährend des Falklandkrieges erwies sich die Harrier den reinen Jagdflugzeugen, wie vor allem der von den argentinischen Streitkräften eingesetzten Dassault Mirage III, im Luftkampf als ebenbürtig und behielt im Luftkampf die Oberhand. Dafür ausschlaggebend waren mehrere Faktoren wie die bessere Ausbildung der britischen Piloten und die von den Vereinigten Staaten gelieferten AIM-9L-Sidewinder-Luft-Luft-Raketen, hauptsächlich aber, dass das so nie vorgesehene Schwenken der Schubdüsen während des Fluges bisher nicht für möglich gehaltene Manöver ermöglichte. Für den anfangs geplanten Einsatzzweck als Jagdbomber zur Luftnahunterstützung war die Harrier jedoch zu schwach gepanzert. Einsatzstand heuteDie erste Generation der Harrier (GR.1/T.2/GR.3/T.4/T.8), zu der auch die Sea Harrier (FRS.1, FA.2, FRS.51) zählen, fliegt, nachdem Indien seine Sea Harrier FRS.1 2016 außer Dienst gestellt hat, nur noch die thailändische Marine.[13] Alle übrigen Nutzer verwenden die von der US-Firma McDonnell Douglas weiterentwickelte Version AV-8B Harrier II. KonstruktionFlugsteuerungDie Steuerungseinrichtungen der Harrier entsprechen weitgehend denen der P.1127. So blieb die Schwebeflugsteuerung und Stabilitätskontrolle um die Längsachse mit Hilfe der Flatterventile Reaction Control Valves (RCV) an den Tragflächenenden erhalten. Ein zweites Ventilpaar für die Gierachsensteuerung befindet sich im Heck und im Rumpfbug. Die RCVs werden durch Luft gespeist, die aus der sechsten Stufe des Hochdruckverdichterteils des Triebwerks entnommen wird. Da diese Luft bereits stark erwärmt ist, werden die Rohrleitungen für die Führung an die Ventile aus Edelstahl hergestellt. Schon in einer frühen Erprobungsphase ergänzte man zwei Leitbleche unter dem hinteren Rumpfteil, um im bodennahen Schweben das „Luftpolster“ und den dazugehörigen höheren Druck unter dem Rumpf zu erhalten. Den gleichen Effekt erzielen die später als Standardbewaffnung angebauten Unterrumpf-Waffenbehälter, die auch zum typischen Erscheinungsbild der Harrier beitragen. FlugzeugzelleMit dem Übergang von der P.1127 zur Harrier erhielt der Entwurf seine dritte Tragflächenkonstruktion mit vergrößerter Spannweite, wobei die Spitzen über die Anlenkpunkte der Fahrwerksausleger hinaus reichten. Die Tragflächen erhielten insgesamt vier Außenlaststationen, an denen jeweils 2000-lb- oder 455-l-Zusatztanks innen und 680 lb außen mitgeführt werden konnte. Für einen Triebwerkswechsel muss bei allen Harrier die gesamte Tragfläche in einem Stück abgenommen werden. Die negative V-Stellung der auf drei Holmen aufgebauten Tragfläche ist mit 12 Grad ungewöhnlich groß. Die Pfeilung in 1/4 der Flügeltiefe beträgt 34 Grad. Der Rumpf besteht größtenteils aus Aluminiumlegierungen. In thermisch hochbelasteten Bereichen, wie den heißen Triebwerksauslässen und den Bereichen in deren direkter Nähe werden jedoch Titan-Werkstoffe eingesetzt. Unter dem hinteren Rumpfbereich befinden sich zwei Befestigungspunkte für „strakes“ oder „cannon pods“ (mit zwei 30-mm-ADEN Maschinenkanonen bei RAF-Flugzeugen) und eine optionale Außenlaststation in der Rumpfmittellinie. Optional kann auch über dem linken Triebwerkseinlaufs eine Betankungssonde zum Befüllen des 2865 Liter fassenden Rumpftanks angebracht werden. Das hydraulisch einziehbare Fahrwerk besteht aus einem einzelnen Bugrad, Zwillingsrädern unter dem hinteren Rumpfbereich und einem Paar Räder an Auslegern mit einer Spurweite von 6,76 m. Die Streben des Hauptfahrwerks können 18 cm einfedern, bevor sie auf Dämpfern aufsetzen. Der Pilot sitzt auf einem raketengetriebenen Zero-Zero-Schleudersitz des Typs Martin-Baker Mk 9. TriebwerkDas Pegasus-6-Triebwerk der ersten Harrier trug die militärische Bezeichnung Mk. 101 und erzeugte einen Schub von 84,5 kN (19.000 lb st). Die Veränderungen gegenüber dem Pegasus 5 betrafen den nunmehr ganz in einer Titanlegierung ausgeführten Fan, Düsen mit zwei Leitblechen und ein Wasser-Einspritzsystem. Die vier Düsenauslässe sind aus der horizontalen Lage über einen Bereich von 98°30′ drehbar, was bedeutet, dass die Harrier in der Lage ist, mit etwa 32 km/h (20 mph) rückwärts zu fliegen. Obwohl die Auslässe bei Demonstrationen des ausgebauten Triebwerks meistens an diesem befestigt sind, sind die Düsenauslässe Zellenkomponenten und aus Stabilitätsgründen mit dieser fest verbunden. Die Drehung erfolgt durch eine pneumatisch angetriebene Air Motor Servo Unit (AMSU), welche die benötigte Druckluft als Zapfluft von der sechsten Stufe des Hochdruckverdichters erhält.[14] Die AMSU betätigt ein System von Wellen und Antriebsketten (serienmäßige Motorradketten), das für die Drehung sorgt.[15] Sollte eine Düse nicht gedreht werden können, scheren die Antriebe der drei restlichen Düsen ab, so dass alle vier Düsen in der gleichen Stellung stehen bleiben und eine gefährliche asymmetrische Schubverteilung vermieden wird. Bei geringen Geschwindigkeiten öffnen sich automatisch an jedem Triebwerkseinlass acht Klappen, die für zusätzliche Ansaugluft sorgen. Zusätzlich entfernt eine automatisch betätigte Klappe in Cockpitnähe (bleed-door) die Grenzschicht der Rumpfströmung im Ansaugbereich des Triebwerks.[16] Anders als noch die Kestrel besitzt die Harrier eine Autostabilisierung, um die Arbeitsbelastung des Piloten zu verringern. Die vier Reaction Control Valves befinden sich in der Flugzeugnase, im Heck und an den Tragflächenenden und sind mit dem jeweils zugeordneten Steuerelement (Seitenruder, Höhenruder und Querruder) verbunden. Wenn sich die Steuerung in neutraler Stellung befindet, sind alle Ventile geschlossen. Proportional zur Auslenkung der Steuerorgane werden die Ventile geöffnet und Hochdruck-Zapfluft ausgeblasen. Die dauernd vorhandene Kopplung sorgt dafür, dass auch im Schwebezustand die aerodynamischen Steuerflächen mitbewegt werden, die Steuerung aber durch die RCVs erfolgt. Navigation und ZielunterstützungZum Ausgleich der fehlenden Radarausrüstung verwendete die Harrier zwei damals relativ neue Verfahren zur Navigation und zum Einsatz in der Bodenunterstützung. Von der P.1154 erbte die Harrier hierfür das Trägheitsnavigationssystem Ferranti FE541. Das Hauptanzeigeinstrument bildete dabei eine bewegte Karte, auf der die eigene Position zentriert dargestellt wurde. Ohne ein fortlaufendes Update durch TACAN und Kompass summierte sich bei der Positionsanzeige der Lagefehler auf etwa 3,7 km pro Flugstunde. Die zweite Neuerung war das Head-up-Display. Bei den ersten Serien-Harrier fehlte noch das Ferranti-Type-106-LRMTS (Laser Ranger and Marked Target Seeker), das erst ab 1976 in der Serienproduktion der einsitzigen Harrier verwendet wurde. Es wurde aber nachträglich in allen Maschinen und einigen Schulflugzeugen nachgerüstet. Mediale RezeptionIm Film James Bond 007 – Der Hauch des Todes bedient sich der britische Nachrichtendienst MI6 einer Harrier T.2, die aus einem umgebauten Gasometer an der slowakisch-österreichischen Grenze versteckt senkrecht startet, um den überlaufenden General des KGB – Georgi Koskow – schnellstmöglich in das Vereinigte Königreich zu bringen. VariantenZu den Baureihenbezeichnungen siehe die Informationen über das Bezeichnungssystem britischer Luftfahrzeuge sowie das Bezeichnungssystem für Luftfahrzeuge der US-Streitkräfte. Übersicht
Produktion nach Varianten
Technische Daten
BewaffnungUnterrumpfbehälter
AußenlaststationenBewaffnung von bis zu 2268 kg an fünf Außenlaststationen unter den beiden Tragflächen und unter dem Rumpf: Luft-Luft-Lenkflugkörper
Luft-Boden-Lenkwaffen
Ungelenkte Luft-Boden-Raketen
Gelenkte Bomben
Ungelenkte britische Bomben
Ungelenkte amerikanische Bomben
Zusatzbehälter
SelbstverteidigungssystemeRadarwarner Ab der Harrier GR.3 sowie der SeaHarrier FA.2 wurden Radarwarngeräte eingebaut. Täuschkörperwerfer Kurz vor dem Falklandkrieg ließ die RN in ihre SeaHarrier-Täuschkörperwerfer vom Typ BAe AN/ALE-40 einbauen. NutzerNutzerstaaten
Vereinigtes Königreich Royal Air Force
Vereinigte Staaten United States Marine Corps
Stationierungsorte in Deutschland
Anmerkung: Die Anzahl der Staffeln wurde bei der Verlegung der Harrier Force nach Gütersloh wegen der dortigen örtlichen Gegebenheiten reduziert; die Anzahl der Maschinen insgesamt – nominal 36 Stück – blieb jedoch über die zwei Jahrzehnte nahezu konstant. Ab Ende 1990 wurden bei Gütersloh Station Flight (GTF) noch einige T4 weiter geflogen, da es von der mittlerweile bei den beiden Einsatz-Staffeln geflogenen zweiten Harrier-Generation damals noch keinen Zweisitzer gab. Verbleib in deutschen MuseenZwei Exemplare werden zurzeit in deutschen Museen ausgestellt. Die XV278 (GR.1) steht im Militärhistorischen Museum Flugplatz Berlin-Gatow. Im Flugplatz Museum Gütersloh befindet sich XZ996 (GR.3), sowie die Cockpit-Sektion von ZD670 (GR.3). In der Flugausstellung Hermeskeil befindet sich die XZ998 (GR.3). Siehe auchWeblinksCommons: Hawker Siddeley Harrier – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Literatur
Einzelnachweise
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