Heyl war die Tochter des Großkaufmanns Eduard Crüsemann, Mitbegründer des Norddeutschen Lloyds. Die 18-jährige Hedwig wurde im Januar 1869 die Gattin des Charlottenburger Farbenfabrikanten Georg Heyl (1840–1889), mit dem sie fünf Kinder hatte. Die erste von ihr ins Leben gerufene soziale Einrichtung war ein Kindergarten für die Mitarbeiterkinder in der eigenen Fabrik. 1884 gründete sie schließlich die erste Koch- und Haushaltungsschule für Frauen, 1890 die erste Gartenbauschule für Frauen in Berlin-Marienfelde. Sie gehörte 1904 außerdem zu den Mitorganisatorinnen des Internationalen Frauenkongresses in Berlin und der Internationale Volkskunstausstellung 1908. Heyl war zudem 1905 ein Gründungsmitglied des Lyceum-Club Berlins, des ersten internationalen Frauenclubs in Deutschland mit einem Partnerclub in London. 1915 gehörte sie zu den Gründungsmitgliedern des Deutschen Hausfrauen-Bundes.
Der Höhepunkt in Heyls Leben war 1912 die Organisation der Ausstellung Die Frau in Haus und Beruf auf dem Ausstellungsgelände am Zoologischen Garten, bei dem alle Bereiche der weiblichen Berufsarbeit präsentiert wurden. 1920 wurde sie mit dem Doktor honoris causa für ihre Verdienste um die Ernährungswissenschaft geehrt. Noch im Alter von 69 Jahren war sie als Abgeordnete der Deutschen Volkspartei in der Charlottenburger Stadtverordnetenversammlung tätig.
Heyl lässt sich der gemäßigten bürgerlichen Frauenbewegung zuordnen. Politisch stand sie dem linken Flügel der Nationalliberalen nahe.[1] Zwischen 1910 und 1920 war sie Vorsitzende des Frauenbundes der Deutschen Kolonialgesellschaft (ein Zweig der Deutschen Kolonialgesellschaft), der unter ihrer Leitung die „Verkafferung“ der deutschen Kolonialelite zu verhindern suchte und sogenannte Mischehen zwischen Deutschen und Einheimischen in den Kolonien bekämpfte.[2] Hedwig Heyl, die klar rassistische Positionen vertrat, betrachtete es als ihre wichtigste Aufgabe „Frauen für die Kolonisten auszusuchen, Siedlungen durch Ehen zu befestigen und überhaupt geeignetes Mädchenmaterial zu verschicken.“
Doris Kachulle: „Verschicke nur geeignetes Mädchenmaterial“. Die Bremerin Hedwig Heyl arbeitete im Deutsch-Kolonialen Frauenbund für die „Deutschwerdung“ Südwestafrikas. In: die tageszeitung, 21. März 1992, S. 35
Leopold Klotz: Ströme der Liebe – Ein Briefwechsel. Leopold Klotz Verlag, Gotha / Leipzig 1936
Edith Laudowicz: Heyl, Hedwig Henriette, geb. Crüsemann. In: Frauen Geschichte(n). Bremer Frauenmuseum (Hrsg.). Edition Falkenberg, Bremen 2016, ISBN 978-3-95494-095-0.
Marie Lindemann in: Bremische Biographie 1912–1962. Herausgegeben von der Historischen Gesellschaft zu Bremen und dem Staatsarchiv Bremen. Verlag H. M. Hauschild, Bremen 1969, S. 231 f.
Daniel Joseph Walther: Creating Germans Abroad: Cultural Policies & National Identity in Namibia: Cultural Policies and National Identity in Namibia. Ohio University Press, 2002, ISBN 978-0-8214-1459-0.
Christina Schwarz: Heyl, Hedwig. In: Hugo Maier (Hrsg.): Who is who der Sozialen Arbeit. Lambertus, Freiburg 1998, ISBN 3-7841-1036-3, S. 248 f.
Birgit Jochens: Zwischen Ambition und Rebellion – Karrieren Berliner Kochbuchautorinnen. Berlin 2021, S. 94–107.
↑Birthe Kundrus: Weiblicher Kulturimperialismus. Die imperialistischen Frauenverbände des Kaiserreichs. In: Sebastian Conrad, Jürgen Osterhammel: Das Kaiserreich transnational. Deutschland in der Welt 1871–1914. Göttingen 2006, 213–235, hier S. 229.
↑Katharina Walgenbach: "Die weiße Frau als Trägerin deutscher Kultur" – Koloniale Diskurse über Geschlecht, "Rasse" und Klasse im Kaiserreich. Campus 2006, ISBN 978-3-593-37870-1, S. 87 ff.