Joseph Maria Olbrich wurde als drittes Kind der Eheleute Edmund und Aloisia Olbrich geboren. Er hatte zwei Schwestern, die vor seiner Geburt gestorben waren, sowie die jüngeren Brüder Johann und Edmund. Sein Vater war ein wohlhabender Konditormeister und Wachshersteller und besaß unter anderem eine Ziegelei, wodurch Olbrichs Interesse am Baugewerbe schon früh geweckt wurde.
Olbrich besuchte das Gymnasium in Troppau, verließ es vor der Matura, absolvierte eine Maurerlehre und arbeitete danach bei einem Bauunternehmer als Zeichner. 1882 ging er nach Wien, um in die Architekturklasse der Wiener Staatsgewerbeschule einzutreten. Seine Lehrer waren unter anderem Julius Deininger und Camillo Sitte. 1886 bestand Olbrich sein Abschlussexamen mit der Note „vorzüglich“.
Anschließend kehrte er kurzzeitig nach Troppau zurück und arbeitete dort wieder bei einem Bauunternehmen als Zeichner. Ab 1890 studierte er an der Akademie der bildenden Künste in Wien als Schüler von Karl Freiherr von Hasenauer und gewann mit seinen Entwürfen mehrere Preise, wie den Pein-Preis, den Hofpreis 1. Klasse und den Rom-Preis der Akademie. 1893 trat er in das Büro von Otto Wagner ein. Die meisten Detailpläne für die Gebäude der Wiener Stadtbahn dürften von Olbrich stammen; dies ist nicht genau bekannt. Wagner schätzte ihn sehr; er erwog zeitweise eine Ehe seiner Tochter mit ihm.
1896 entstand wegen der Unzufriedenheit mehrerer Künstler unter der Führung von Gustav Klimt die Wiener Secession als Abspaltung des Wiener Künstlerhauses. Die Gruppe benötigte ein eigenes Ausstellungsgebäude; Olbrich erhielt den Auftrag und plante 1897 das Secessionsgebäude. Dies war sein erster großer Auftrag. Später plante er auch mehrere Wohnhäuser in Wien und Umgebung, unter anderem das Haus für Hermann Bahr an der Veitlissengasse in Hietzing (13. Bezirk). Im Gegenzug verkündete Bahr Olbrich in seinen Essays und Feuilletons als einen zentralen Architekten Wiens.[1]
Olbrich und die Wiener Sezession werden gerne als Bindeglied zwischen Historismus und Werkbund und Bauhaus betrachtet. Zumindest für Olbrich trifft dies nicht zu. Sein „Pathos der Schlichtheit“ hat nichts mit Funktionalität zu tun, sondern ist ein Ausdruck von Wahrheit und Würde. Entsprechend nutzte er viele Elemente der Antike in freier, assoziativer Weise.[2]
Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein besuchte häufig Wien und war sehr an moderner Kunst interessiert. Auf seine Veranlassung entstand daher 1899 die Darmstädter Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe. Zu diesem Zweck holte er Olbrich nach Darmstadt, der schnell zum inoffiziellen Führer der Künstlerkolonie wurde und auch das höchste Gehalt bezog. Am 4. April 1900 bekam er vom Großherzog den Professorentitel verliehen und wurde hessischer Staatsbürger. Olbrich war damals der einzige Architekt in der Künstlergruppe; Peter Behrens war lediglich als Maler und Grafiker ausgebildet. Vielfach setzte sich der Verleger Alexander Koch in den wichtigen Zeitschriften Innendekoration und Deutsche Kunst und Dekoration mit Olbrich und der Darmstädter Künstlerkolonie auseinander.[3] 1903 heiratete Olbrich in Wiesbaden Claire Morawe, die geschiedene Frau des Schriftstellers Christian Ferdinand Morawe.
Die Künstlerkolonie wurde zum Experimentierfeld für Olbrich, wo er auch das Hauptgebäude, das Ernst-Ludwig-Haus plante. Daneben entstanden diverse Wohnhäuser und provisorische Bauten für die Ausstellungen. Seit 1901 arbeitete der aus Magdeburg stammende Hans Heller (1884–1917) im Atelier von Olbrich und qualifizierte sich dort, um 1907 an der Kunstgewerbeschule Hamburg eine Professur für Innenraumgestaltung zu übernehmen. Ferner entwarf Olbrich Keramikgeschirre, die in Waechtersbacher Keramik ausgeführt wurden, Möbelstücke für den Möbelfabrikanten Julius Glückert und Musikinstrumente, wie den Mand-Olbrich-Flügel. Länger als manch anderes Mitglied blieb Olbrich der Kolonie treu. Olbrich sah sich selbst als begnadeten Künstler und erwartete von seinen Schülern und Assistenten (z. B. Albin Müller und Paul Haustein) Unterordnung.[4] Er hasste die Bohème-Kultur anderer Künstler und war selbst immer elegant gekleidet mit Hut, Handschuhen und Stock und liebte einen luxuriösen Lebensstil.[5]
Kurz nach der Geburt seiner Tochter Marianne am 19. Juli 1908 starb Olbrich – nur 40 Jahre alt – am 8. August in Düsseldorf an Leukämie. Vier Tage später wurde er in Darmstadt auf dem Alten Friedhof beerdigt (Grabstelle: IV C 11). Das Grab ist ein Ehrengrab.
1900–1901: Wohnhaus für Ludwig Habich auf der Mathildenhöhe in Darmstadt
1901: Ausstellungsgebäude „Haus für Flächenkunst“, „Spielhaus“ für die Darmstädter Spiele und Hauptportal auf der Mathildenhöhe in Darmstadt. Die Gebäude aus Holz wurden nach dem Ende der Bauausstellung Ein Dokument Deutscher Kunst nach fünf Monaten wieder abgetragen.
1903: Fassade des Hauses Edmund Olbrich in Troppau
1903–1904: „Drei-Häuser-Gruppe“ („Blaues Haus“, „Eckhaus“ und „Graues Haus“ oder „Hofprediger-Haus“) auf der Mathildenhöhe in Darmstadt
1903–1904: Bildhauer-Atelier als Anbau an das „Ernst-Ludwig-Haus“ auf der Mathildenhöhe in Darmstadt (heute als Museumsshop genutzt)
1905–1906: Ausstellungsgebäude „Frauen-Rosenhof“ für die Deutsche Kunstausstellung Köln 1906 in der Kölner Flora, Köln-Riehl (kriegszerstört, durch Wilhelm Riphahn verändert wieder aufgebaut; restauriert)
1905–1907: Innenausstattung der Privaträume für Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein im Alten Schloss zu Gießen
1907–1908: „Oberhessisches Haus“ für die Hessische Landesausstellung für freie und angewandte Kunst auf der Mathildenhöhe in Darmstadt (nach 1908 als Wohnhaus genutzt, verändert)
1907–1908: Wohnhaus für Hugo Kruska in Köln-Lindenthal (kriegszerstört)
1907–1908: Hochzeitsturm auf der Mathildenhöhe in Darmstadt
1908 (+): „Arbeiterhaus Opel“ (Musterhaus) für die Hessische Landesausstellung für freie und angewandte Kunst auf der Mathildenhöhe in Darmstadt (nicht erhalten)
1908 (+): Künstlerhaus Krefeld, es wurde finanziert durch eine Schenkung des Kommerzienrates Albert Oetker an die Stadt Krefeld und Stiftung des Grundstückes durch die Jentges’sche Grundbesitz GmbH.
In den 1960er Jahren wurde die Josef-Maria-Olbrich-Straße in Düsseldorf-Garath benannt.
Alle fünf Jahre zeichnet der BDA Hessen, BDA-Gruppe Darmstadt gute, beispielhafte Architektur im Großraum Darmstadt (Südhessen) mit der Joseph-Maria-Olbrich-Plakette aus.[15]
Literatur
Alexander Koch (Hrsg.): Ein Dokument deutscher Kunst. (Ausstellungskatalog) Verlag Alexander Koch, Darmstadt 1901.
als Nachdruck: Verlag zur Megede, Darmstadt 1989.
Hessisches Landesmuseum Darmstadt (Hrsg.), Gerhard Bott: Joseph M. Olbrich und die Darmstädter Künstlerkolonie. (= Kunst in Hessen und am Mittelrhein, 7.) Roether, Darmstadt 1967.
Hessisches Landesmuseum Darmstadt (Hrsg.): Joseph M. Olbrich 1867–1908. Das Werk des Architekten. (Ausstellungskatalog) Darmstadt 1967.
Karl Heinz Schreyl, Dorothea Neumeister: J. M. Olbrich. Die Zeichnungen in der Kunstbibliothek Berlin. Kritischer Katalog. Gebr. Mann, Berlin 1972, ISBN 3-7861-4083-9.
Ian Latham: Joseph Maria Olbrich. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1981, ISBN 3-421-02561-4.
Bernd Krimmel: Joseph M. Olbrich 1867–1908. (Ausstellungskatalog) Darmstadt 1983.
Peter Haiko, Caterina Iezzi, Renate Ulmer: Joseph Maria Olbrich. Secession Wien – Mathildenhöhe Darmstadt. Ausstellungsarchitektur um 1900. (Ausstellungskatalog) Deutscher Kunstverlag, München 2006, ISBN 3-422-06659-4.
Ralf Beil, Regina Stephan (Hrsg.): Joseph Maria Olbrich 1867–1908. Architekt und Gestalter der frühen Moderne. (Ausstellungskatalog) Hatje Cantz, Ostfildern 2010, ISBN 978-3-7757-2549-1.
Andreas Ay: Neues Wohnen in alten Mauern. Joseph Maria Olbrichs Innenausstattung der Privaträume für Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein im Alten Schloss zu Gießen. (Ausstellungskatalog) edition noir, Lich 2012, ISBN 978-3-9812398-6-7.
↑Hermann Bahr: Meister Olbrich. In: Die Zeit. 17 (1898) #211, 42-43. (15. Oktober 1898), erneut in: Secession. Wien: Wiener Verlag 1900, 60-65. Hermann Bahr: Olbrich. Der Tag, Berlin, (1901) #417, Unterhaltungsblatt, 9-10. (22. September 1901) Hermann Bahr: Josef Olbrich. (Gestorben am 18. August 1908). Nord und Süd, 32 (1908) #127, 339-344, erneut in: Buch der Jugend. Wien und Leipzig: H. Heller 1908, 70-76.
↑Joseph M. Olbrich. (Katalog zur Ausstellung auf der Mathildenhöhe Darmstadt vom 18. September bis 27. November 1983) Darmstadt 1983, S. 59 ff.
↑Joseph M. Olbrich. (Katalog zur Ausstellung auf der Mathildenhöhe Darmstadt vom 18. September bis 27. November 1983) Darmstadt 1983, S. 29.
↑Joseph M. Olbrich. (Katalog zur Ausstellung auf der Mathildenhöhe Darmstadt vom 18. September bis 27. November 1983) Darmstadt 1983, S. 30.
↑Eberhard Mertens (Hrsg.): Die Lloyd-Schnelldampfer. Kaiser Wilhelm der Große, Kronprinz Wilhelm, Kaiser Wilhelm II., Kronprinzessin Cecilie. Olms Presse, Hildesheim 1975, ISBN 3-487-08110-5, S. 14.
↑bundesstiftung-baukultur.de, Netzwerk Preise der Baukultur, Ausgezeichnete Architektur in Hessen – 'Joseph-Maria-Olbrich-Plakette', abgerufen am 10. Mai 2022.