Lützellinden ist der südlichste Stadtteil der mittelhessischen Universitätsstadt Gießen und hat rund 2400 Einwohner. Die Gemarkung umfasst ein Gebiet von 890,8 ha und stellt damit 12,3 % des Gießener Stadtgebietes dar. Geografisch zählt der Ort zum Hüttenberger Land.
Lützellinden wurde vermutlich um 800 gegründet und war viele Jahrhunderte lang eine reiche Bauerngemeinde. Noch immer gibt es dort einige landwirtschaftliche Betriebe.
Die älteste bekannte schriftliche Erwähnung von Lützellinden erfolgte unter den Namen in uilla Linden und in Lindere marca im Jahr 790 in Lorscher Codex.[1]
Geschichtlich war Lützellinden immer in Richtung Wetzlar orientiert. Politisch zählt der Ort erst seit 1979 – nach Auflösung der Stadt Lahn – zu Gießen. Zuvor gehörte Lützellinden zum damaligen Landkreis Wetzlar. Die geschichtliche Verbundenheit mit Wetzlar ist auch heute noch sichtbar. Sie manifestiert sich unter anderem in der Zugehörigkeit Lützellindens zur Evangelischen Kirche im Rheinland und zum Bistum Limburg, während alle anderen Teile Gießens zur Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau bzw. dem Bistum Mainz gehören.
Weitere Besonderheiten Lützellindens: Es existieren noch viele, im Zustand allerdings unterschiedlich erhaltene, für die Dörfer des Hüttenbergs typische alte Fachwerk-Hofreiten mit hohen Hoftoren aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Eines der ältesten Hoftore befindet sich in der Lindenstraße 19; es ist mit AD 1699 bezeichnet. Der Stolz alter Häuser und die Handwerkskunst der alten Werkmeister ist aber nicht nur an den Vorderseiten des Eichenfachwerks, wie z. B. des Adam-und-Eva-Hauses in der Schulstraße sichtbar, sondern setzt sich bis in die Hofseiten der Fachwerkreiten fort. Bis vor einigen Jahren gab es noch eine Anzahl ausschließlich Tracht-tragender Frauen. Auch wird noch heute „Platt“ (Hüttenberger Dialekt) gesprochen. Zeitweise wird im Backhaus noch mit Holz geheizt, um das herkömmliche Roggenbrot zu backen.
ab 1977: Bundesrepublik Deutschland, Hessen, Regierungsbezirk Darmstadt, Stadt Lahn
ab 1979: Bundesrepublik Deutschland, Land Hessen, Regierungsbezirk Darmstadt, Landkreis Gießen, Stadt Gießen
ab 1981: Bundesrepublik Deutschland, Land Hessen, Regierungsbezirk Gießen, Landkreis Gießen, Stadt Gießen
Bevölkerung
Einwohnerstruktur 2011 (Ortsteil)
Nach den Erhebungen des Zensus 2011 lebten am Stichtag dem 9. Mai 2011 in Lützellinden 2349 Einwohner. Darunter waren 114 (4,9 %) Ausländer.
Nach dem Lebensalter waren 414 Einwohner unter 18 Jahren, 1068 zwischen 18 und 49, 465 zwischen 50 und 64 und 405 Einwohner waren älter.[11]
Die Einwohner lebten in 1026 Haushalten. Davon waren 321 Singlehaushalte, 270 Paare ohne Kinder und 309 Paare mit Kindern, sowie 84 Alleinerziehende und 42 Wohngemeinschaften. In 177 Haushalten lebten ausschließlich Senioren und in 732 Haushaltungen lebten keine Senioren.[11]
Einwohnerentwicklung
Lützellinden: Einwohnerzahlen von 1834 bis 2019
Jahr
Einwohner
1834
621
1840
622
1846
641
1852
685
1858
714
1864
759
1871
791
1875
810
1885
843
1895
951
1905
1.049
1910
1.095
1925
1.178
1939
1.243
1946
1.814
1950
1.800
1956
1.533
1961
1.492
1967
1.619
1970
1.684
1980
?
1990
?
2002
2.468
2006
2.425
2009
2.388
2011
2.349
2014
2.383
2017
2.422
2019
2.439
Datenquelle: Historisches Gemeindeverzeichnis für Hessen: Die Bevölkerung der Gemeinden 1834 bis 1967. Wiesbaden: Hessisches Statistisches Landesamt, 1968. Weitere Quellen: [1]; Stadt Gießen[12][13][14][2]; Zensus 2011[11]
Heimatmuseum im ehem. Rathaus (heute Verwaltungsaußenstelle), Öffnungszeiten: jeden zweiten Sonntag im Monat, mit laufenden Sonderausstellungen. Im Heimatmuseum werden Dinge des täglichen Lebens und Arbeitens im Dorf gezeigt. Ein großer Teilbereich der Ausstellung widmet sich der Hüttenberger Tracht. Das Museum wurde im Jahre 1997 gegründet.[18]
Vereine und Gruppen
AERO-CLUB Lützellinden (Motorflug)
BS Fidelio e. V. (Burschenschaft)
Lützellindener Carnevalsverein 1962 e. V.
CVJM Lützellinden e. V. (Christlicher Verein Junger Menschen)
Heimatverein Lützellinden (Aktivitäten und Heimatmuseum im Rathaus)
Der Landfrauenverein (Landfrauen Hüttenberg-Lützellinden)
Lüli RedEars (Ski Club)
SV Lützellinden 1969 e. V. (Schützenverein)
TSV 2006 e. V. (Turn- und Sportverein)
Freiwillige Feuerwehr Gießen-Lützellinden
Sport
Überregional bekannt wurde das Dorf durch die Erfolge der Frauenhandball-Mannschaft des TV Lützellinden, die sieben Mal Deutscher Meister sowie 1991Europapokalsieger wurde. Aufgrund wirtschaftlicher Probleme wurde die Mannschaft 2004 jedoch vom Bundesliga-Spielbetrieb ausgeschlossen. Nachdem dem Meister der Regionalliga Süd-West 2004/2005 aus wirtschaftlichen Gründen die Lizenz für die 2. Bundesliga in der Saison 2005/2006 verweigert wurde, löste der Verein die ehemals so erfolgreiche 1. Frauenmannschaft auf.
Erfolgstrainer Jürgen Gerlach konnte in der Saison 2005/2006 mit der weiblichen A-Jugend die vorläufig letzte Deutsche Meisterschaft für den Verein erringen. Doch im Oktober 2006 wurde der Verein von der Mehrheit seiner Mitglieder auf der Jahreshauptversammlung aufgelöst.
Im Anschluss an die Auflösung wurde der TSV 2006 Lützellinden gegründet.
Besondere Ereignisse
Am 28. September 1980 war der Flugplatz Gießen-Lützellinden Ausgangspunkt für ein bislang weltweit einmaliges Ereignis. Jaromir Wagner, damals 41 Jahre alt, flog auf der Tragfläche eines zweimotorigen Flugzeuges (Britten-Norman BN-2 Islander) stehend nach New York (USA). Diese Leistung führte zu einem Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde. Die reine Flugzeit betrug 46 Stunden mit Landungen in Island, Grönland und Kanada; der Flug führte über die legendäre Nordatlantikroute, teils bei Temperaturen bis −40 °C.
Der Pilot Holger Groth und sein Copilot Alwin Lang führten den spektakulären Flug als Sichtflug ohne Autopilot und das heutige GPS-System durch. Abschließend erfolgte ein Rundflug um Manhattan und die Freiheitsstatue. Der Rekord ist bis heute noch nicht überboten worden.[19]
Infrastruktur
Der Stadtteil ist über die Stadtbuslinie 1 mit der Kernstadt verbunden. Im Ort gibt es fünf Haltestellen.
Lützellinden ist zudem direkt via Anschlussstelle Gießen-Lützellinden der Bundesautobahn 45 (Aschaffenburg-Dortmund) erreichbar, die am südlichen Gemarkungsrand verläuft.
Es existiert als Sonderlandeplatz der Flugplatz Gießen-Lützellinden (ICAO-Code EDFL), der für Motorsegler, Segelflugzeuge und Helikopter verschiedener Gewichtsklassen sowie das Fallschirmspringen zugelassen ist.
Naherholung
Von Lützellinden aus können per Radweg die Gießener Stadtteile Allendorf und Kleinlinden erreicht werden. Abseits der Hauptverkehrsstraßen lassen sich über betonierte Feldwege die Orte Wetzlar-Münchholzhausen, Wetzlar-Dutenhofen, Hüttenberg-Hochelheim und Linden-Großen-Linden erreichen. Um mit dem Fahrrad nach Hüttenberg-Rechtenbach zu gelangen, muss teilweise eine öffentliche Straße genutzt werden. Im oberen Feld kann man die drei alten Feldlinden und die 1968 gefasste Lindbachquelle die im Jahr 2020 wieder renaturiert wurde in der Nähe des Flugplatzes per Feldweg gut erreichen. Durch den an der Wetzlarer Gemarkung angrenzenden Lützellindener Wald gelangt man auf breitem Waldweg, vorbei an der Deck Aich, zum Aussichtstürmchen Stoppelberg (im Wetzlarer Wald gelegen). Im unteren Feld gelangt man an der ehemaligen Gemeinschaftsmühle Luhmühle vorbei Richtung Grube Fernie in der Gemarkung Linden und kann auf schmalem Weg einen idyllischen See umrunden.
Einrichtungen in angrenzenden Ortschaften: Freibäder in Gießen-Kleinlinden und Großen-Linden, Hallenbad in Hüttenberg-Hochelheim, Badesee in Wetzlar-Dutenhofen, Tennis- und Squashhalle in Großen-Linden.
Literatur
Günter Hans: Beiträge zur Geographie, Geschichte und Kultur von Lützellinden – 1200 Jahre Lützellinden 790–1990. Magistrat der Universitätsstadt Gießen 1990.
Karlheinz Lang: Universitätsstadt Gießen. (= Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Kulturdenkmäler in Hessen. Hrsg.: Landesamt für Denkmalpflege Hessen). Vieweg, Braunschweig / Wiesbaden 1993, ISBN 3-528-06246-0.
Heimatverein Lützellinden e. V. (Hrsg.): Lützellinden einst und jetzt. Gießen 2017.
↑ abHauptsatzung. (PDF; 21 kB) § 3. In: Webauftritt. Stadt Gießen, abgerufen im Januar 2021.
↑Michael Rademacher: Land Hessen. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com. Abgerufen am 1. Januar 1900
↑Grossherzogliche Centralstelle für die Landesstatistik (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des Großherzogtums Hessen. Band13. G. Jonghause’s Hofbuchhandlung, Darmstadt 1872, OCLC162730471, S.12ff. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
↑Grossherzogliche Centralstelle für die Landesstatistik (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des Großherzogtums Hessen. Band13. G. Jonghause’s Hofbuchhandlung, Darmstadt 1872, OCLC162730471, S.27ff., § 40 Punkt 2) (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
↑Friedrich K. Abicht: Der Kreis Wetzlar: historisch, statistisch und topographisch. Wigand, 1836, S.99 (Online bei google books).