Justi entstammte einer bedeutenden hessischen Gelehrtenfamilie, die seit zwei Jahrhunderten Kunstwissenschaftler hervorgebracht hatte. Sein Onkel Carl Justi gehörte zu den bedeutendsten Kunstgelehrten seiner Zeit.
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde er 1933 aus politischen Gründen abgesetzt. Er lehnte die Frühpensionierung ab und wurde zum Kurator degradiert, in die Kunstbibliothek versetzt und 1941 pensioniert. Publizistisch blieb er jedoch weiter tätig.
Nach dem Zweiten Weltkrieg versuchte er, an die Tradition des Kronprinzenpalais anzuknüpfen und war die treibende Kraft bei der Gründung einer Sammlung des 20. Jahrhunderts. Der inzwischen 69-jährige Justi wurde am 17. August 1946 vom damals noch Gesamt-Berliner Magistrat unter Arthur Werner zum Generaldirektor der (ehemals) Staatlichen Museen zu Berlin ernannt.[2] Er wollte zunächst die Lücken im Bereich des Expressionismus durch den Ankauf einiger Hauptwerke füllen[3], kollidierte damit aber mit Strömungen, die die aktuelle Nachkriegskunst dokumentieren wollten.
Alle weiteren Bemühungen, sein Lebenswerk wieder neu aufzubauen, waren aber mit der Spaltung des Magistrats im November 1948 und der Gründung der beiden deutschen Staaten 1949 obsolet. Deshalb wurde die Galerie des 20. Jahrhunderts 1949 in West-Berlin ein zweites Mal als städtische Galerie gegründet und musste ihren Bestand erneut aufbauen. Sie ging 1968 in der Neuen Nationalgalerie auf. Justi blieb nach der Spaltung der Staatlichen Museen bis zu seinem Tode 1957 Generaldirektor der im Ostteil Berlins vorhandenen Einrichtungen, der späteren Staatlichen Museen zu Berlin, Hauptstadt der DDR, die insbesondere die auf der Museumsinsel konzentrierten Sammlungen umfassten. Nach dem Rücktritt Paul Ortwin Raves 1950 war Justi zudem in Personalunion erneut Direktor der Nationalgalerie.
Am 24. Februar 1949 wurde Justi zum korrespondierenden Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften gewählt und im selben Jahr deren ordentliches Mitglied.
Darstellung Justis in der bildenden Kunst
Paul Wilhelm: Prof. Dr. Dr. Ludwig Justi (Öl, 96 × 68 cm, 1957)[4]
Schriften
Die Neuordnung der Gemälde-Galerie im Städelschen Kunstinstitut zu Frankfurt/Main. In: Museumskunde. 1, 1905.
Die Zukunft der National Galerie. Berlin 1910.
Der Ausbau der National-Galerie. Berlin 1913.
Der Umbau in der National-Galerie. Berlin 1914.
Offener Brief an Karl Scheffler. In: Zeitschrift für bildende Kunst. (Beilage) 54, 30, 1918/1919.
Habemus Papam! Bemerkungen zu Schefflers Bannbulle „Berliner Museumskrieg“. Berlin 1921.
Neue Kunst – ein Führer zu den Gemälden der sogenannten Expressionisten in der National-Galerie, Berlin 1921.
Hans Thoma. Hundert Gemälde aus deutschem Privatbesitz. Berlin 1922.
Verzeichnis der Schack-Galerie (Vorwort). München 1923.
Von Corinth bis Klee. Deutsche Malkunst im 19. und 20. Jh. Ein Gang durch die National-Galerie. Berlin 1931.
Von Runge bis Thoma. Deutsche Malkunst im 19. und 20. Jh. Ein Gang durch die National-Galerie. Berlin 1932.
Kat. Aus. Wiedersehen mit Museumsgut. Berlin 1946.
Aufbau der Berliner Museen. In: Zeitschrift für Kunst. 1, 1947.
Nachruf auf Heinrich Wölfflin. In: Jahrbuch der Akademie der Wissenschaften. 1951.
Meisterwerke der Dresdner Galerie, ausgestellt in der National-Galerie. Anregungen zum genauen Betrachten. Berlin 1955.
Werner Heiland-Justi: Der "Jeheimrat". Ludwig Justi, sein Erbe und seine Familie, Lindenberg: Kunstverlag Josef Fink 2020, ISBN 978-3-95976-242-7.
Annegret Janda, Jörn Grabowski (Hrsg.): Kunst in Deutschland 1905–1937. Die verlorene Sammlung der Nationalgalerie im ehemaligen Kronprinzenpalais. Dokumentation. Mann, Berlin 1992, ISBN 3-7861-1587-7 (Bilderhefte der Staatlichen Museen zu Berlin. Heft 70/72).
Alexis Joachimides: Die Museumsreformbewegung in Deutschland und die Entstehung des modernen Museums 1880–1940. Verlag der Kunst, Dresden 2001, ISBN 90-5705-171-0.
Ludwig Justi – Der konservative Revolutionär. In: Henrike Junge (Hrsg.): Avantgarde und Publikum. Zur Rezeption avantgardistischer Kunst in Deutschland 1905–1933. Böhlau, Köln u. a. 1992, ISBN 3-412-02792-8, S. 173–185.
Lothar Mertens: Lexikon der DDR-Historiker. Biographien und Bibliographien zu den Geschichtswissenschaftlern aus der Deutschen Demokratischen Republik. Saur, München 2006, ISBN 3-598-11673-X, S. 324.
Kurt Winkler: Ludwig Justis Konzept des Gegenwartsmuseums zwischen Avantgarde und nationaler Repräsentation. In: Claudia Rückert, Sven Kuhrau (Hrsg.): „Der deutschen Kunst …“ Nationalgalerie und Nationale Identität 1876–1998. Verlag der Kunst, Amsterdam u. a. 1998, ISBN 90-5705-093-5, S. 61–81.
Kurt Winkler: Museum und Avantgarde. Ludwig Justis Zeitschrift „Museum der Gegenwart“ und die Musealisierung des Expressionismus. Leske und Budrich, Opladen 2002, ISBN 3-8100-3504-1 (Berliner Schriften zur Museumskunde 17), (Teilweise zugleich: Berlin, Freie Universität, Dissertation, 1994: Die Zeitschrift Museum der Gegenwart (1930–1933) und die Musealisierung der Avantgarde.).