Matthias Jacob Schleiden, Sohn eines Arztes, studierte zunächst Rechtswissenschaften an der Universität Heidelberg und wurde 1826 zum Doktor der Rechte promoviert. Anschließend ging er zurück in seine Heimatstadt Hamburg. Schleiden wurde dort am 26. Oktober 1827 als Advokat zugelassen und war bis 1831 als solcher eingeschrieben.[1] Nach einem 1832 erfolgten Suizidversuch im Rahmen einer seiner depressiven Phasen[2] nahm er 1832 oder 1833 an der Universität Göttingen ein Medizin-Studium auf, in dessen Verlauf sein Interesse für die Naturwissenschaften, speziell zur Botanik, immer mehr zunahm. Hier war er meistenteils Schüler von Friedrich Gottlieb Bartling. Er ging 1835 nach Berlin, studierte bei Johann Horkel und beschäftigte sich hauptsächlich mit Botanik, Pflanzenphysiologie und vor allem Pflanzenembryologie.[3] 1838 hatte er die Zelle als Formelement der Pflanze und die Entwicklung der Pflanze aus der Zelle erkannt.[4]
Im Jahr 1839 wurde er zum Dr. phil. promoviert und bekam einen Ruf als außerordentlicher Professor an der Universität Jena. 1850 avancierte er zum Ordinarius und man betraute ihn mit der Leitung des Botanischen Gartens der Universität. In Jena hielt Schleiden nicht nur Vorlesungen naturwissenschaftlich-botanischen Inhalts; er sprach auch über anthropologische, philosophische und kulturhistorische Themen. Genau wie Alexander von Humboldt wollte Schleiden beim gebildeten Bürger das Interesse an Naturwissenschaften wecken und fördern.
Er schrieb Beiträge zur Phytogenese und wies als erster Botaniker nach, dass die verschiedenen Teile der Pflanzen aus Zellen bestehen. Er erkannte auch die Bedeutung des Zellkerns, der 1831 von dem schottischen Botaniker Robert Brown entdeckt worden war. Schleiden war einer der ersten deutschen Botaniker, die Charles DarwinsEvolutionstheorie akzeptierten.
1863 nahm Schleiden einen Ruf an die Universität Dorpat (Livland) an, wo man ihm dort einen Lehrstuhl für Pflanzenchemie anbot. Auch hier hielt er Vorträge für das Bildungsbürgertum. Missverständnisse und Streitereien mit der Kirche ließen ihn 1864 resigniert nach Dresden zurückkehren. Als Privatgelehrter wirkte er bis an sein Lebensende nacheinander in Darmstadt, Wiesbaden und Frankfurt am Main.
Professor der Naturgeschichte in Jena
In seinem wissenschaftlichen Werk stand Schleiden dem Philosophen Jakob Friedrich Fries nahe in seinem Kampf gegen jedwede Art von Spekulationen, welche Medizin und Naturwissenschaften der Romantik beeinflussten. Schleiden gehörte auch zu den bedeutendsten Pharmakognosten[5] seiner Zeit. Zusammen mit Theodor Schwann, der 1839 die tierische Zellenlehre[6] begründete, schuf Schleiden mit der Zelltheorie die Grundlagen der Zellularpathologie von Rudolf Virchow.
Schleiden erwarb sich Verdienste durch sein Eintreten gegen den erstarkenden Antisemitismus der 1870er Jahre.
Beiträge zur Phytogenesis. In: Archiv für Anatomie, Physiologie und wissenschaftliche Medicin. 1838, S. 137–176.
Grundzüge der wissenschaftlichen Botanik nebst einer methodologischen Einleitung als Anleitung zum Studium der Pflanze. 2 Teile. Leipzig 1842, 1843, 1850, spätere Auflagen unter dem Titel Die Botanik als inductive Wissenschaft bearbeitet; Nachdruck: Olms, Hildesheim / Zürich / New York 1998, ISBN 3-487-10530-6.
Schellings und Hegels Verhältnis zur Naturwissenschaft: Zum Verhältnis der physikalistischen Naturwissenschaft zur spekulativen Naturphilosophie, 1844; Nachdrucke u. a. Severus-Verlag 2012, ISBN 978-3-86347-298-6.
Über die fossilen Pflanzenreste des Jenaischen Muschelkalks. In: E.E. Schmid & M.J. Schleiden: Die geognostischen Verhältnisse des Saalthales bei Jena. Verlag von Wilhelm Engelmann, Leipzig 1846, S. 66–72, 74, Taf. V.
Handbuch der botanischen Pharmakognosie, für Aerzte, Apotheker und Botaniker zum Gebrauche bei Vorlesungen und zum Selbststudium. Verlag von W. Engelmann, Leipzig 1857.
Das Alter des Menschengeschlechts, die Entstehung der Arten und die Stellung des Menschen in der Natur. Engelmann, Leipzig 1863 (Digitalisat und Volltext im Deutschen Textarchiv).
Die Rose. Geschichte und Symbolik in ethnographischer und kulturhistorischer Beziehung. Verlag und Druck Wilhelm Engelmann, Leipzig 1873; Nachdruck: Sändig, Wiesbaden 1973, ISBN 3-500-26940-0.
Die Bedeutung der Juden für Erhaltung und Wiederbelebung der Wissenschaften im Mittelalter. Commissionsverlag von Baumgaertner’s Buchhandlung, Leipzig 1877; Nachdruck: Nabu Press 2010, ISBN 978-1-149-67731-5; Digitalisat der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main 2007
Die Romantik des Martyriums bei den Juden im Mittelalter. Verlag und Druck W. Engelmann, Leipzig 1878; Nachdruck: Kessinger Pub Co 2010, ISBN 978-1-162-51552-6; Digitalisat der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main 2007
Studien. Populäre Vorträge. Wilhelm Engelmann, Leipzig 1857; Digitalisat der Herzogin Anna Amalia Bibliothek, Weimar 2008
Ulrich Charpa: Methodologie der Verzeitlichung. Schleiden, Whewell und das entwicklungsgeschichtliche Projekt. In: Philosophia naturalis. Band 25, 1988, S. 75–109.
Ulrich Charpa: Matthias Jakob Schleiden (1804–1881): The History of Jewish Interest in Science and the Methodology of Microscopic Botany. In: Aleph. Historical Studies in Science and Judaism. Band 3, 2003, S. 213–245.
Ulrich Charpa: Matthias Jakob Schleiden. In: Thomas Bach, Olaf Breidbach (Hrsg.): Naturphilosophie nach Schelling. Frommann-Holzboog, Stuttgart 2005, S. 627–653.
Ulrich Charpa: Darwin, Schleiden, Whewell and the “London Doctors”. Evolutionism and Microscopical Research in the Nineteenth Century. In: Journal for General Philosophy of Science. Band 41, 2010, S. 61–84.
Ilse Jahn, Isolde Schmidt: Matthias Jacob Schleiden (1804–1881): Sein Leben in Selbstzeugnissen (= Acta Historica Leopoldina. Bd. 44). Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina, Halle (Saale) 2005, ISBN 3-8047-2258-X.
Wolfgang Meyer: 116. Schleiden. Mathias Jacob. In: Aus der Abiturienten-Matrikel des Johanneum 1804–27. Lütcke & Wulff, Hamburg 1906, S. 34–36 (Digitalisat).
Martin Möbius: Matthias Jacob Schleiden zu seinem 100. Geburtstage. Mit einem Bildnis Schleidens. Engelmann, Leipzig 1904.
↑Gerrit Schmidt: Die Geschichte der Hamburgischen Anwaltschaft von 1815 bis 1879. Hamburg 1989, ISBN 3923725175, S. 328.
↑Barbara I. Tshisuaka: Schleiden, Matthias Jacob. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin / New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1300.
↑Paul Diepgen, Heinz Goerke: Aschoff/Diepgen/Goerke: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 35.
↑Otto Beßler: Prinzipien der Drogenkunde im Mittelalter. Aussage und Inhalt des Circa instans und Mainzer Gart. Mathematisch-naturwissenschaftliche Habilitationsschrift, Halle an der Saale 1959, S. 76, Anm. 2.
↑Paul Diepgen, Heinz Goerke: Aschoff/Diepgen/Goerke: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 35.
↑Die Wahl seines akademischen Beinamens war vermutlich eine Reverenz an den italienischen Mediziner und Begründer der Pflanzenanatomie und vergleichenden Physiologie Marcello Malpighi.
↑Johann Daniel Ferdinand Neigebaur: Geschichte der kaiserlichen Leopoldino-Carolinischen deutschen Akademie der Naturforscher während des zweiten Jahrhunderts ihres Bestehens. Friedrich Frommann, Jena 1860, S. 266 (archive.org)