Wenige Monate nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten schrieb Metzger in einer Denkschrift, es sei konsequent, wenn die Kirche einen offenen Kampf gegen den neuen Staat beginne. Da der Nationalsozialismus aber machtpolitisch hoffnungslos überlegen sei, sei dies sinnlos. Metzger empfahl stattdessen eine konstruktive Zusammenarbeit mit dem NS-Staat, um „Schlimmeres“ zu verhüten.[5] Durch diese Denkschrift, die an seiner persönlichen Ablehnung des Nationalsozialismus keinen Zweifel ließ, geriet Metzger erstmals ins Visier der Gestapo. Nach zwei kürzeren Haftaufenthalten vom 23. Januar 1934 bis 26. Januar 1934 und vom 9. November 1939 bis 4. Dezember 1939 wurde er endgültig am 29. Juni 1943 aufgrund des Verrats der Gestapoagentin Dagmar Imgart, die sich als Spitzel in die Una-Sancta-Bewegung eingeschlichen und sein Vertrauen erworben hatte, verhaftet. Er hatte ihr, da sie schwedische Staatsbürgerin war und regelmäßig auch während des Krieges Verwandte in Schweden besuchen durfte, ein an Erzbischof Erling Eidem gerichtetes Memorandum (das Demokratische Manifest) anvertraut, das künftige demokratische Strukturen Deutschlands formulierte.[6]
Verurteilung
Max Josef Metzger wurde in einem nur siebzig Minuten langen Schauprozess wegen seiner pazifistischen Überzeugung vom Volksgerichtshof am 14. Oktober 1943 zum Tode verurteilt. Freisler hatte an jenem Tag in der ihm eigenen Art bereits drei Strafverfahren erledigt. Er lehnte es ab, den Angeklagten anzuhören, weil es ihm unmöglich sei, „die politischen Tiraden Dr. Metzgers“ anzuhören. Als Metzger die Bewegung Una Sancta erwähnte, schrie Freisler: „Una Sancta, Una sancta – una sanctissima – Una – das sind wir, und weiter gibt es nichts!“. Freisler erklärte, eine solche Pestbeule sei auszumerzen, und verkündete wenige Minuten später das vorgefasste Todesurteil.[7]
Das auch vom zweiten Berufsrichter, dem Kammergerichtsrat Hans-Joachim Rehse, unterzeichnete Urteil ist durch die Bewertungen, die es bei der Bewältigung nationalsozialistischen Unrechts nach Untergang des Deutschen Reiches erfuhr, bemerkenswert. Zunächst wird Metzgers Demokratisches Manifest mit folgenden Worten kommentiert:
„Es handelt sich also um den Entwurf eines Regierungssystems für Deutschland, das demokratisch-pazifistisch, wehrlos, einer Terrorarmee unserer Feinde unterworfen, kein Einheitsstaat, nicht einmal ein Bundesstaat, sondern nur ein Staatenbund sein soll; also um die Verwirklichung schlimmster Wunschträume unserer Feinde! […] Ein ganz ungeheuerlicher Gedanke, wie ihn nur ein zutiefst defaitistischer Mensch überhaupt fassen kann. Ein schmachvoll verräterischer Gedanke, wie ihn nur derjenige zu fassen vermag, der unser nationalsozialistisches Deutschland zutiefst haßt.“
und:
„Denn die ganze Handlungsweise Metzgers ist so ungeheuerlich, daß es gar nicht darauf ankommt, ob sie sich nun juristisch als Hochverrat kennzeichnen läßt […] oder ob sie juristisch Feindbegünstigung ist […] – auf das alles kommt es nicht an: denn jeder Volksgenosse weiß, daß ein solches Ausscheren eines einzelnen Deutschen aus unserer Kampffront eine ungeheuerliche Schandtat ist, ein Verrat an unserem Volke, in seinem Kampf um sein Leben, und daß ein solcher Verrat todeswürdig ist; es ist ein Verrat in Richtung auf Hochverrat, ein Verrat in Richtung auf Defaitismus, ein Verrat in Richtung auf Feindbegünstigung, ein Verrat, den unser gesundes Volksempfinden für todeswürdig hält (§ 2 StGB.). Deshalb müßte Metzger wegen dieses gemeinen Volksverrates auch dann zum Tode verurteilt werden […]. Metzger versuchte heute in der Hauptverhandlung darzulegen, daß er doch nur aus guter Vorsorge […]. Aber das ist eben eine ganz andere Welt, eine Welt, die wir nicht verstehen. Und bei uns im Großdeutschen Reich kann jeder nur nach den Grundsätzen verurteilt werden, die bei uns gelten, nach nationalsozialistischen Ansichten, die davon so himmelweit entfernt sind, daß über sie eine Diskussion auf nationalsozialistischer Basis überhaupt nicht möglich ist – und das sind die Ansichten, die Metzgers Handlungsweise zugrunde liegen –, kann, darf und will kein deutsches Gericht berücksichtigen. Jeder muß sich gefallen lassen, nach deutschem, nationalsozialistischem Maßstab gemessen zu werden. Und der sagt eindeutig, daß ein Mann, der so handelt, ein Verräter am eigenen Volk ist.“
Juristische Aufarbeitung nach 1945
Die juristische Aufarbeitung dieses und anderer Unrechtsurteile blieb sehr unvollkommen. Die Denunziantin wurde 1947 im Rahmen der Entnazifizierung von der Spruchkammer in Gießen als Hauptschuldige zu zehn Jahren Internierungslager verurteilt, jedoch bereits nach drei Jahren entlassen. Die strafrechtliche Aufarbeitung war unzureichend. Zunächst wurde die genannte Gestapobeamtin im Oktober 1951 durch das Schwurgericht Limburg vom Vorwurf der Beihilfe zum Mord und zur Freiheitsberaubung freigesprochen. Nachdem der Bundesgerichtshof dieses Urteil aufgehoben hatte, konnte sich das Schwurgericht Kassel lediglich zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten Zuchthaus wegen Freiheitsberaubung verstehen.[8] Es lehnte es ab, das Todesurteil als materiell rechtswidrig zu bezeichnen. Erst auf die erneute Revision hin erklärte der BGH das Urteil als Terrorurteil, es handele sich um „Rechtsprechung als Terrorinstrument“. Nachdem Freisler wegen seines Todes nicht zur Rechenschaft gezogen werden konnte, stand nur noch Hans-Joachim Rehse zur Verfügung. Letztlich scheiterte auch das gegen ihn wegen Rechtsbeugung und anderer Delikte eingeleitete Verfahren. Erst 1997 wurde das Todesurteil gegen Max Josef Metzger postum vom Landgericht Berlin aufgehoben.
Anlässlich der Umbenennung des früheren Courbière-Platzes in Berlin-Wedding in Max-Josef-Metzger-Platz im Jahr 1994 enthüllte der Berliner Senat eine Granitstele zu Ehren des Priesters mit der Inschrift „Ich habe Gott mein Leben angeboten für den Frieden der Welt.“
Der US-amerikanische Komponist Brian O’Duffy komponierte 2019 ein Metzger-Oratorium, das am 21. April 2024 anlässlich des 80. Todestages Metzgers im ehemaligen Kirchensaal der JVA Brandenburg (ehemals Zuchthaus Brandenburg-Görden) in Teilen aufgeführt wurde.[12]
Seligsprechung
Am 8. Mai 2006 eröffnete der damalige Erzbischof von Freiburg, Robert Zollitsch, den Seligsprechungsprozess für Max Josef Metzger, den er als „prophetischen Märtyrer“ bezeichnete.[13] Acht Jahre lang wurden schriftliche Quellen und Zeugenaussagen gesammelt. Im März 2014 wurde die Dokumentation der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse übergeben und damit dieser erste Teil des Verfahrens, der „diözesane Informativprozess“, abgeschlossen.[14] 2015 wurde der Seligsprechungsprozess auf Bistumsebene beendet und das Ergebnis mit rund 6000 Seiten Studien und Belegen an die römische Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse weitergegeben.[15]
Am 14. März 2024 erkannte Papst Franziskus Metzgers Martyrium als letzte Voraussetzung für die Seligsprechung an.[16] Die Seligsprechung wurde im Festgottesdienst im Freiburger Münster durch Kardinal Koch am 17. November 2024 vollzogen.[17] Sein Gedenktag ist der 17. April.[18][19]
Schriften
Der Völkerbund und die katholische Internationale. Potthoff, Bochum [1920], DNB573862249 (48 S.).
Christuszeuge in einer zerrissenen Welt. Briefe und Dokumente aus der Gefangenschaft 1934–1944. Neuausgabe. Hrsg. und eingel. von Klaus Kienzler. Herder, Freiburg im Breisgau / Basel / Wien 1991, ISBN 3-451-22025-3.
Memorandum. (PDF; 9 kB) Metzgers Demokratisches Manifest. In: die-linke-wedding.de.Die Linke, 16. Februar 2007, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 4. März 2016; abgerufen am 23. Oktober 2018: „Abschrift aus den Akten des Deutschen Bundesarchivs in Berlin, BArch NJ 13512“
Literatur
Werner Becker: Max Josef Metzger. In: Werner Becker, Bruno Radom (Hrsg.): Ökumenische Menschen. Hermann Hoffmann als Festgabe zum 90. Geburtstag gewidmet. St. Benno Verlag, Leipzig 1969, DNB575073357, S. 39–59.
Klaus Drobisch: Wider den Krieg. Dokumentarbericht über Leben und Sterben des katholischen Geistlichen Dr. Max Josef Metzger. Union-Verlag VOB, Berlin 1970, DNB456489282.
Jörg Ernesti: Max Josef Metzger (1887–1944). Katholischer Pionier der Friedensbewegung und des Ökumenismus. In: Thomas Groll, Walter Ansabacher (Hrsg.): Jahrbuch des Vereins für Augsburger Bistumsgeschichte. 50. Jg., 2016, ISBN 978-3-95976-067-6, ISSN0341-9916, S. 423–456.
Johannes Hauck: Dr. Max Josef Metzger – Martyrer und Pionier der Friedensbewegung und der Ökumene – schrieb auch im Todestrakt der Gestapo noch Lieder und Gedichte. In: Die beiden Türme. Niederaltaicher Rundbrief. Hrsg. von der Benediktinerabtei Niederaltaich. Nr. 116, Jg. 55, 2/2019, ZDB-ID 311335-8, S. 80–91 (abtei-niederaltaich.de [PDF; 798 kB]).
Benedicta Maria Kempner: Priester vor Hitlers Tribunalen. 2., durchges. und erg. Auflage. Rütten und Loening, München 1967, DNB457181737, S. 273–289; unveränd. Nachdr. Bertelsmann, München 1996, ISBN 3-570-12292-1.
Klaus Kienzler, Art.: Dr. Max Joseph Metzger, in: Helmut Moll (Hrsg. im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz), Zeugen für Christus. Das deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts, Paderborn u. a. 1999, 8. erweiterte und überarbeitete Auflage 2024, Bd. I, S. 274–277.
Karl Kardinal Lehmann: Der Priester Max Josef Metzger. Gestapo-Haft und Todesurteil (= Topographie des Terrors. Notizen Band 11). Hentrich & Hentrich, Berlin 2016, ISBN 978-3-95565-164-0.
Marianne Möhring: Täter des Wortes. Max Josef Metzger – Leben und Wirken. Kyrios-Verlag Meitingen, Meitingen/Freising 1966, DNB457616695.
Hugo Ott: Dokumentation zur Verurteilung des Freiburger Diözesanpriesters Dr. Max Josef Metzger und zur Stellungnahme des Freiburger Erzbischofs Dr. Conrad Gröber. In: Freiburger Diözesan-Archiv. Band 90, 1970, S. 303–315, urn:nbn:de:bsz:25-opus-56655 (Jahresband-PDF; 25,8 MB).
Dagmar Pöpping: Abendland. Christliche Akademiker und die Utopie der Antimoderne 1900–1945. Metropol, Berlin 2001, ISBN 3-932482-71-9, S. 187–199 (Zugl.: Bochum, Univ., Diss., 2000).
Ralf Putz: Das Christkönigs-Institut, Meitingen, und sein Gründer Dr. Max Josef Metzger (1887–1944). Für den Frieden der Welt und die Einheit der Kirche (= Schriftenreihe Theos. Band 26). Kovač, Hamburg 1998, ISBN 3-86064-842-X (Diplomarbeit, Universität Augsburg 1998).
Ludwig Rendle: Max Josef Metzger: Gerechter Friede statt Gerechter Krieg. Ein Pionier der Friedensbewegung. Matthias Grünewald Verlag (Verlagsgruppe Patmos in der Schwabenverlag AG), Ostfildern 2021, ISBN 978-3-7867-3216-7 (Dissertation, Universität Augsburg 2020).
Stadt Schopfheim (Hrsg.): Für den Frieden der Welt und die Einheit der Kirche (Begleitbuch zur Ausstellung Dr. Max Josef Metzger). Textredaktion: Klaus Schubring. Druckerei Rünzi, Schopfheim-Fahrnau 1987, ISBN 3-926431-00-8.
Lilian Stevenson: Max Joseph Metzger, priest and martyr, 1887–1944, with a selection from his letters and poems written in prison. SPCK, London 1952, OCLC18478759.
Leonard Swidler: Bloodwitness for peace and unity. The life of Max Josef Metzger. Ecumenical Press, Philadelphia 1977, OCLC3160257.
Ulrich Lins: Max Josef Metzger und Esperanto. In: arcor.de/gmickle. 27. Mai 2001, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 5. Oktober 2016; abgerufen am 23. Oktober 2018 (umfassender Lebenslauf, ursprünglich in: Kontakto.ZDB-ID 2346842-7, Juni 1971. Übersetzt und online gestellt 2001 von Gary Mickle; private Website).
Meinulf Barbers: Max Josef Metzger (hingerichtet am 17. April 1944). Vorkämpfer für Frieden, Versöhnung und die Einheit der Christen – und Quickborner. In: Quickborn Arbeitskreis (Hrsg.): Burgzeitung. Nr.1, 2014, S.39–43, hier: S. 39 Anm. 1: ausführliche Kurzbiografie (quickborn-ak.de (Memento vom 27. März 2019 im Internet Archive) [PDF; 892kB; abgerufen am 24. September 2019]).
Dieter Waldraff: Max Josef Metzger. In: ebfr.de. Erzbistum Freiburg, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 27. März 2014; abgerufen am 26. März 2019 (mit weiterführenden Links und Downloads).
↑„Statt des F am Ende dieses Namens zunächst mit PH geschrieben.“ Meinulf Barbers: Max Josef Metzger (hingerichtet am 17. April 1944). Vorkämpfer für Frieden, Versöhnung und die Einheit der Christen – und Quickborner. In: Quickborn Arbeitskreis (Hrsg.): Burgzeitung. Nr.1, 2014, S.39–43, hier S. 39 Anm. 1: ausführliche Kurzbiografie (quickborn-ak.de (Memento vom 27. März 2019 im Internet Archive) [PDF; 892kB; abgerufen am 24. September 2019]).
↑Dagmar Pöpping: Abendland. Christliche Akademiker und die Utopie der Antimoderne 1900–1945. Metropol, Berlin 2001, ISBN 3-932482-71-9, S. 192 f. (Zugl.: Bochum, Univ., Diss., 2000).
↑Das Urteil des Volksgerichtshofes gegen Dr. Metzger: 8 J 190/43 g l H 253/43. Als Richter fungierten der Präsident des Volksgerichtshofes Freisler als Vorsitzer, Kammergerichtsrat Rehse, Gauhauptstellenleiter Bürgermeister Ahmels, Ortsgruppenleiter Kelch, Kreisleiter Reinecke, als Vertreter des Oberreichsanwalts der erste Staatsanwalt Drullmann.
↑LG Kassel, 16. November 1954. In: Justiz und NS-Verbrechen. Sammlung deutscher Strafurteile wegen nationalsozialistischer Tötungsverbrechen 1945–1966. Band XII. Bearbeitet von Adelheid L. Rüter-Ehlermann, H. H. Fuchs und C. F. Rüter. University Press, Amsterdam 1974, Nr. 408, S. 743–858.
↑Roland Schnell: Archiv der Kategorie: Max Josef Metzger. In: esperanto.berlin. Esperanto-Verband Berlin-Brandenburg e. V., 25. September 2016, abgerufen am 24. Januar 2019.
↑Gedenken an Priester. In: die Kirche. Nr. 17, 21. April 2024, S. 9, Sp. 5 (epd).
↑„Friedensapostel“ und „Pionier in der Ökumene“. Mitteilung des Erzbistums Freiburg zum Abschluss des diözesanen Informativprozesses. In: erzbistum-freiburg.de. 28. März 2014, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 24. September 2015; abgerufen am 23. Oktober 2018.
↑(KNA): Lehmann würdigt NS-Gegner Max Josef Metzger. Mainzer Kardinal spricht über Widerstands-Priester. In: katholisch.de. Deutsche Bischofskonferenz, 16. Dezember 2015, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 24. Oktober 2018; abgerufen am 25. Januar 2019.