Nordmeergeleitzüge![]() Die Nordmeergeleitzüge waren militärisch stark gesicherte Frachtschiffskonvois, die von 1941 bis 1945 militärisch wichtige Güter von Großbritannien und den Vereinigten Staaten in die Sowjetunion brachten. Die westalliierten Hilfslieferungen standen in Zusammenhang mit dem Beginn des Deutsch-Sowjetischen Krieges, in dem die Sowjetunion nun ein Verbündeter Großbritanniens und, ab Ende 1941, der USA war. Sammelpunkt der Geleitzüge waren meist die isländische Bucht bei Hvalfjörður oder ein britischer Hafen wie die Bucht Loch Ewe in Schottland. Ziel der Fracht waren Archangelsk oder Murmansk an der Barentssee im Norden der Sowjetunion. Insbesondere ab 1942 setzte vom deutschbesetzten Norwegen aus eine stärkere Bekämpfung der Geleitzüge ein. Dabei nutzte die Wehrmacht Flugzeuge, U-Boote und stärkste Überwasserstreitkräfte der Kriegsmarine, bis hin zu den Schlachtschiffen Tirpitz und Scharnhorst. Die auch politisch sehr wichtigen Geleitzüge fanden in der Presse beider Seiten besondere Beachtung, sodass insbesondere 1942 bei Zeitgenossen der Eindruck entstand, dass die Nordmeergeleitroute die gefährlichste des Zweiten Weltkrieges sei. Insgesamt wurden 811 Schiffsladungen auf den Weg gebracht, von denen 720 in sowjetischen Häfen ankamen. Dadurch brachten die Westalliierten vier Millionen Tonnen Ladung, darunter 5000 Panzer und 7000 Flugzeuge, über die Nordmeergeleitzugsroute in die Sowjetunion. Sie verloren dabei 13 Kriegs- und 89 Handelsschiffe. Die Deutschen verloren die Scharnhorst, drei Zerstörer, 43 U-Boote und zahlreiche Flugzeuge. AusgangslageAls am 22. Juni 1941 das nationalsozialistische Deutsche Reich die Sowjetunion angriff, verpflichteten sich Großbritannien und die USA zu militärischer Hilfeleistung. Der US-amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt hatte, obwohl sich die USA noch nicht im Krieg befanden, aufgrund des Leih- und Pachtgesetzes die Möglichkeit, direkt militärische Güter in die Sowjetunion zu liefern. Von den drei zur Verfügung stehenden Transportwegen war der Schiffstransport durch das Europäische Nordmeer und die Barentssee gegenüber den Wegen durch Ostsibirien oder über den Persischen Golf der kürzeste und schnellste. Da die Geleitzüge dabei aber dicht am deutschbesetzten Nordnorwegen vorbeifuhren, war es auch der gefährlichste Weg. Angesichts des schnellen deutschen Vormarsches in der Sowjetunion drängte Stalin aber auf schnelle Hilfe, so dass sich die Briten aus politischen Gründen dazu entschlossen, die Nordmeergeleitzüge durchzuführen. Geografischer Raum![]() Das Europäische Nordmeer nimmt das südöstliche Tiefseebecken im Meeresbereich zwischen Grönland und Skandinavien ein, das nordwestliche bildet die Grönlandsee. Im Nordwesten begrenzt eine Linie von Gerpir, dem östlichsten Punkt Islands, über die Färöer auf 61 Grad Nord 0,53 Grad West das Meer gegenüber dem offenen Nordatlantik. Dort folgt die Grenze dem 61. Breitengrad bis zur norwegischen Küste. Diese Linie bildet die Grenze zur Nordsee. Im Südosten begrenzt die norwegische Küste zwischen 61. Breitengrad und dem Nordkap das Nordmeer. Traditionell wird die Grenze zur Barentssee durch eine Linie vom Nordkap zur Bäreninsel und von dort zum Sørkapp, dem südlichsten Punkt von Spitzbergen definiert. Der Abhang, der das Tiefseebecken vom Schelf der Barentssee trennt, verläuft allerdings etwa entlang 16 Grad Ost nach Norden, bis er auf Spitzbergen trifft. Er befindet sich also in seinem südlichen Teil viele Kilometer südöstlich der traditionellen Grenze. Im Norden schließlich verläuft sie von Spitzbergen über Jan Mayen bis nach Gerpir und folgt dabei der Tiefseeschwelle, die norwegisches und grönlandisches Tiefseebecken trennt.[1] Die Barentssee liegt zwischen den Inselgruppen Spitzbergen im Nordwesten, Franz-Josef-Land (Russland) im Norden, Nowaja Semlja im Osten und dem Festland Nordwestrusslands und Skandinaviens im Süden. Klimatische Bedingungen![]() Die klimatischen Bedingungen im Europäischen Nordmeer und der Barentssee stellten Angreifer wie Verteidiger vor große Probleme. Im Herbst und Winter war das Wetter im Nordmeer bestimmt durch häufige Stürme in Verbindung mit Schnee und Regen, die eine starke Sichtbehinderung mit sich brachten. Durch extreme Kälte entstanden Vereisungen an Schiffen, die Stabilitätsprobleme zur Folge hatten. Es herrschten lang andauernde Polarnächte mit nur kurzen Phasen der Helligkeit. Weiterhin verschob sich die arktische Packeisgrenze weiter nach Süden, so dass die Geleitzüge in Entfernungen von 250 bis 200 Seemeilen am deutsch besetzten Norwegen vorbeifahren mussten.[2] Im Sommer verschob sich die Packeisgrenze weiter nach Norden, allerdings herrschten nun lange Phasen der Helligkeit des Polartages. Ab Juli traten vermehrt flache Seenebel auf.[2] Der Zielhafen Murmansk war das ganze Jahr eisfrei, lag aber nahe der deutschen Basen. Das weiter entfernte Archangelsk konnte nur in der eisfreien Zeit von Juli bis September angefahren werden.[3] Geleitzugsystem![]() Die Nordmeergeleitzüge bestanden aus bis zu 49 Handelsschiffen, die durch Kriegsschiffe gesichert waren. Für die Nahsicherung standen Escort Groups mit Zerstörern, Korvetten, Minensuchern und anderen kleineren Kriegsschiffen zur Verfügung. Diese bildeten einen Ring um den Geleitzug und sollten Angriffe von kleineren Überwasserkriegsschiffen und U-Booten abwehren. Mit der Flak konnten zudem Luftangriffe abgewiesen werden. Gegen die Angriffe von größeren Kriegsschiffen fuhr eine Kreuzergruppe außerhalb des Geleitzuges mit. Ab 1942, als die Tirpitz in Nordnorwegen stationiert war, ließ man in Fernsicherungsgruppen auch Schlachtschiffe mitfahren. Weiterhin kamen so genannte Geleitträger mit Flugzeugen zum Einsatz, die die Luftsicherung übernehmen sollten. ![]() Beim Geleitzug PQ 18 mit 39 Handelsschiffen waren zum Beispiel drei Zerstörer, zwei Flugabwehrschiffe, vier Korvetten, vier bewaffnete Trawler, drei Minensuchboote und zwei U-Boote als Escort Group zur Nahsicherung eingeteilt. Außerdem fuhren noch ein Geleitträger und zu dessen Schutz zwei Zerstörer mit im Geleitzug. Als Fighting Escort bildeten ein Leichter Kreuzer und 16 Zerstörer einen Ring um den Geleitzug. Die Fernsicherung bildeten zwei Gruppen mit insgesamt zwei Schlachtschiffen, drei Schweren Kreuzern, einem Leichten Kreuzer und acht Zerstörern. Eine Reservegruppe aus einem Schweren und einem Leichten Kreuzer mit sechs Zerstörern hielt sich bei Spitzbergen in Bereitschaft auf. Eine U-Boot-Gruppe mit acht U-Booten befand sich auf dem Anmarschweg deutscher schwerer Überwasserstreitkräfte. Zusätzlich für die letzte Phase des Geleites stellte die sowjetische Marine noch vier Zerstörer und fünf U-Boote ab. Insgesamt standen zum Schutz der 39 Handelsschiffe 77 Kriegsschiffe bereit. Einige der Nordmeergeleitzüge waren die am stärksten gesicherten Geleitzüge des Zweiten Weltkrieges. Ab dem zweiten erhielten alle Geleitzüge zur Identifikation eine Bezeichnung aus einem 2-Buchstaben-Code und eine untergeordnete, teilweise mit der Abfahrt chronologisch ansteigende Nummerierung, die von 1 bis höchstens 66 reicht. Von 1941 bis November 1942 verwendete man den Code „PQ“ für ostwärts gehende Geleitzüge und in umgekehrter Anordnung „QP“ für solche, die westwärts liefen. Das Kürzel „PQ“ leitete sich von den Initialen eines Offiziers der Operationsabteilung der Admiralität ab, dem Fregattenkapitän Philip Quellyn Roberts.[4] Von Dezember 1942 bis 1945 waren die entsprechenden Kürzel JW (ostwärts) und RA (westwärts). Die Nummerierung war etwa fortlaufend. PQ 1 bis PQ 17 fuhren im durchschnittlichen Abstand von 17 Tagen ostwärts, QP 1 bis QP 12 im Abstand von 22 Tagen westwärts.[2] Geleitzüge![]() Die ersten Geleitzüge (Dervish, PQ 1 bis PQ 6) erreichten die Sowjetunion ohne Verluste. Mit ihnen wurden 44 Schiffsladungen mit 800 Jagdflugzeugen, 750 Panzern, 1400 LKWs, 100.000 Tonnen Munition und andere wichtige Güter in ihre Zielhäfen gebracht.[5] Um die Geleitzüge wirksamer bekämpfen zu können, setzte danach deutscherseits eine Veränderung der Befehlsstruktur ein. Mit Sitz in Kirkenes schuf die Kriegsmarine die Dienststelle des Admirals Nordmeer (Vizeadmiral Hubert Schmundt). Auf Seiten der Luftwaffe entstand unter der für Skandinavien und Finnland zuständigen Luftflotte 5 das Kommando des Fliegerführers Nord (West), des Fliegerführers Nord (Ost) und des Fliegerführers Lofoten.[6] Im Frühjahr 1942 verstärkte die Luftwaffe ihre Angriffskräfte massiv. Im Mai 1942 standen insgesamt 103 Junkers Ju 88, 57 Heinkel He 111 und He 115 sowie 30 Junkers Ju 87 bereit. Dazu kamen noch 74 Flugzeuge zur Seeaufklärung. Ihre wichtigsten Basen waren in Bardufoss (Lage ), Banak (Lage ) und Tromsø (Lage ). Auch die Kriegsmarine verlegte schwere Einheiten, darunter die Schlachtschiffe Tirpitz und Scharnhorst, nach Nordnorwegen.[7] Daraufhin wollte der Befehlshaber der Home Fleet, Admiral John Tovey, weitere Nordmeergeleitzüge absagen. Allerdings konnte er sich nicht durchsetzen. Tovey sagte daraufhin:
– John Tovey[7] Auf Befehl des US-amerikanischen Präsidenten Roosevelt sollten die Nordmeergeleitzüge in der Öffentlichkeit besonders herausgestellt werden, um die Verbundenheit mit der Sowjetunion zu dokumentieren.[8] Aufgrund dessen wurde der Verlust von 43 Schiffen der Geleitzüge PQ 17, PQ 18 und QP 14 innerhalb von zweieinhalb Monaten in der alliierten Presse besonders wahrgenommen. Dadurch entstand unter Zeitgenossen der Eindruck, dass die Nordmeergeleitzüge besonders gefährlich seien.[9] Nach den großen Verlusten im Sommer 1942 stellte man jeglichen Geleitzugverkehr ein und ließ stattdessen einzelne Handelsschiffe ohne Sicherung fahren. Von 13 Schiffen erreichten allerdings lediglich fünf ihren Zielhafen. Daraufhin ging man nach zweimonatiger Pause wieder zum Konvoisystem über.[10]
Fazit![]() In 40 Geleitzügen, die nach Osten fuhren, waren 811 Schiffsladungen organisiert. Dabei wurden 58 Schiffe versenkt, während 33 Mal ein Schiff aus verschiedensten Gründen umkehren musste. Insgesamt erreichten somit 720 Schiffsladungen ihren Zielhafen. Bei den 37 zurückfahrenden Geleitzügen mit insgesamt 715 Handelsschiffen (bei Mehrfachzählung) gingen 29 Handelsschiffe verloren. Des Weiteren wurden 13 britische Kriegsschiffe versenkt. Die Briten versenkten das Schlachtschiff Scharnhorst, drei Zerstörer und 43 U-Boote.[48] Insgesamt vier Millionen Tonnen Ladung, darunter 5.000 Panzer und 7.000 Flugzeuge, brachten die Alliierten über die Nordmeergeleitzugsroute in die Sowjetunion.[49] Das waren knapp 23 Prozent aller zu dieser Zeit in die Sowjetunion gelieferten Güter. Größere Anteile liefen über die beiden anderen weniger verlustreichen Routen (Persischer Korridor, Pazifische Route), die von den Deutschen nicht gestört werden konnten.[50] Siehe auchEinzelnachweise
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