Patellaluxation
Patellaluxation (Luxatio patellae) ist eine Kniegelenksverletzung, bei der die Kniescheibe (Patella) aus ihrer Führung springt (Luxation). Meist bewegt sich die Kniescheibe spontan in ihre Ursprungsstellung zurück (Reposition). Selten verbleibt sie in ihrer Verrenkungsstellung außen (lateral) am Kniegelenk. Die Patellaluxation ist mit einer Inzidenz von 5,8/100.000 bei der Normalbevölkerung[1] eine der häufigsten Kniegelenkverletzungen. Sie tritt auch bei Tieren, beispielsweise bei Haushund und Hauskatze, auf. PrädispositionHäufigste Ursache für eine Patellaluxation sind folgende prädisponierende Faktoren:[2]
Ferner kommen infrage:
EinteilungJe nach zugrundeliegender Ursache ist folgende Einteilung gebräuchlich:[2]
WirkungDie Kniescheibe läuft bei der Verrenkung nicht in ihrem regulären patellaren Gleitlager auf der Oberschenkelrolle zwischen den Femurkondylen, sondern immer lateral an der lateralen Kondyle entlang. Mit zunehmender Beugung kommt es zur Einklemmung der Kniescheibe, wenn die Sehnenspannung zunimmt. In dieser Verrenkungsposition ist eine Reposition der Kniescheibe nur unter Gewalteinwirkung und unter Entstehung von Knorpel-Knochen-Schäden sowohl an der Kniescheibe als auch an der seitlichen Kondylenwange möglich. Dieser Knorpelschaden ist die schädlichste Auswirkung der Patellaluxation. Bei der Patellaluxation wird in der Regel der mediale Halteapparat der Kniescheibe (Retinakulum) zerrissen, wobei es zu einem Bluterguss in das Kniegelenk (Hämarthrose) kommt. Bei zerrissenem oder gedehntem Retinakulum besteht eine erhöhte Gefahr der wiederholten Verrenkung (Rezidiv) oder sogar der gewohnheitsmäßigen Verrenkung (habituelle Luxation). BehandlungIn jedem Fall muss – falls dies nicht von selbst geschehen ist – die Kniescheibe eingerenkt werden. Hierbei sollte unter Anleitung des Arztes oder eines erfahrenen Sporttrainers das Knie langsam und vorsichtig wieder gestreckt werden, wobei die Kniescheibe fest mit der Hand geführt wird, damit sie nicht unvermittelt überspringt. Wenn die Kniescheibe vorsichtig in die Ausgangsposition geführt wird, kann diese ohne Begleitverletzung der Gelenkflächen wieder reponiert werden. Dabei sollte es nicht zu einem heftigen Einschnappen kommen, was einen Knorpelschaden verursachen kann. Der Betroffene merkt nach der Reposition eine deutliche Schmerzlinderung. Nach der Reposition sollte das Knie geröntgt werden und eine Kernspintomographie erfolgen, um die richtige Lage der Kniescheibe zu kontrollieren und um Begleitverletzungen auszuschließen. Konservative Behandlung
Operative BehandlungDa bei mehr als 50 % der unkomplizierten Kniescheibenluxationen eine konservative Therapie zum definitiven Erfolg (Rezidivfreiheit) führt, sollte jede Behandlung zunächst mit einem konservativen Konzept beginnen. Bei der ersten Reluxation ist dann die Indikation zur OP gegeben, sofern nicht wichtige Kontraindikationen bestehen. Bei der sogenannten rezidivierenden Patellaluxation gibt es verschiedene operative Maßnahmen, die dazu führen, dass die Patella nicht mehr luxieren und dabei den Knorpel schädigen kann. Das Ziel der Operation ist eine Stabilisierung der Kniescheibe zentral zwischen den Femurkondylen in ihrem Gleitlager. Dazu wird das zerrissene mediale Retinakulum an seiner Rissstelle vernäht. Meist findet sich die Rissstelle genau an der Kniescheibenkante. Selten kann das Retinakulum auch am Epicondylus der medialen Oberschenkelrolle abgerissen sein. Als erste Maßnahme der Operation wird eine Kniegelenks-Arthroskopie durchgeführt, um die Retinakulumläsion in ihrer Lokalisation zu zeigen, um die Intaktheit der Gelenkoberflächen von Patella und Femurkondylen zu beweisen oder einen möglichen Knorpelschaden in Ausmaß und Lokalisation zu bestätigen. Weiter müssen auch alle anderen Gelenkstrukturen (Menisken, Kreuzbänder) kontrolliert werden. Die Rekonstruktion des Retinakulums durch Naht wird offen chirurgisch durchgeführt, weil eine genaue anatomische Adaptation unter Spannung arthroskopisch nicht möglich ist. Aufgrund der nur unzuverlässigen Stabilisierung durch Naht des medialen Retinakulums ist heute eher die plastische Verstärkung bzw. eine Plastik des medialen patellofemoralen Ligaments (MPFL) gebräuchlich (s. u.) Eine Reihe von Eingriffen kann zusätzlich oder alternativ durchgeführt werden. Hierzu zählt vor allem ein sogenanntes „lateral release“, d. h., eine limitierte arthroskopische oder auch offene Durchtrennung des lateralen Retinakulums der Kniescheibe. Nach neueren Untersuchungen führt dieser Teil der Operation aber eher zu einer noch größeren Instabilität der Patella. Zudem wird die Durchblutung verschlechtert, weil die Kniescheibe über das laterale Retinakulum seinen wesentlichen Zustrom erhält. Bei besonderen anatomischen Voraussetzungen wie z. B. bei einer Lateralisierung der Ansatzsehne der Kniescheibe kann die Verlagerung des Ansatzpunktes (Tuberositas tibiae) mitsamt der Sehne nach medial erfolgen. Hierzu sind eine Vielzahl von Operationsverfahren beschrieben:
Bei vorgeschädigtem Retinakulumgewebe und vielfachen Luxationen muss die mediale Rekonstruktion durch eine Bandverstärkung (MPFL-Plastik) ergänzt werden:
Sehr selten muss das dysplastische Gleitlager operativ angegangen werden. Der Aufwand ist hier sehr hoch, und die Ergebnisse lassen meist zu wünschen übrig.
Postoperativ sollte eine frühzeitige krankengymnastische Mobilisation des Kniegelenkes erfolgen, um Verklebungen zu vermeiden. Eine Entlastung des operierten Beines ist aber nicht notwendig. Nach ca. 6 Wochen ist mit einer Wiederaufnahme der freien Funktion zu rechnen.[5][6][7] Patellaluxation beim HundDie Patellaluxation beim Hund tritt besonders häufig bei kleinen Hunderassen, speziell dem Chihuahua auf, aber auch beim Yorkshire Terrier, Jack Russell Terrier und anderen Rassen. Beim Chihuahua ist sie inzwischen relativ typisch und führt oft zu dem unter Hundehaltern bekannten »dreibeinigen Gang«, bei dem der Hund alle paar Meter auf nur drei Beinen hüpft, bevor er wieder läuft als wäre nichts gewesen. In diesem Fall springt meist die Kniescheibe heraus, der Hund versucht das Bein nicht weiter zu belasten (weshalb er auf drei Beinen hüpft), dann gleitet die Kniescheibe von alleine zurück in die Furche und der Hund kann wieder vollkommen normal laufen. Allgemein wird die Patellaluxation beim Hund in vier verschiedene Grade eingeteilt:[8]
Die Patellaluxation kann sowohl zur Außen- als auch Innenseite auftreten, gelegentlich auch in beide Richtungen. Ursächlich ist eine seitliche Abweichung in der Zugerichtung des Musculus quadriceps femoris und eine ungenügende Tiefe der Gleitrinne für die Kniescheibe (Trochlea ossis femoris). Da die klinische Beurteilung auch subjektiven Einflussen unterlegen ist, wurde versucht, die Diagnostik zu objektivieren. Ein Messwert ist der Q-Winkel, der als Winkel zwischen Musculus rectus femoris und dem Kniescheibenband definiert ist. Der relative Q-Winkel wird als Quotient von gemessenem und physiologischen Winkel (10°) errechnet. Zudem kann die Tiefe der Kniescheibenrinne in Bezug auf die Dicke der Kniescheibe (relative Trochleatiefe) bestimmt werden. Diese Größen können mittels Computertomografie ermittelt werden. Das Produkt aus relativem Q-Winkel und relativer Trochleatiefe zeigt eine gute Übereinstimmung mit dem Grad der Patellaluxation.[8] Bei Hunderassen, in denen das Vorhandensein der Erbanlage zur Patellaluxation bekannt ist, sind die Züchter gehalten, im Rahmen einer tierärztlichen Zuchttauglichkeitsprüfung die Kniescheiben eines Hundes untersuchen zu lassen, bevor darüber entschieden wird, ob er zur Zucht eingesetzt werden soll. Bei Hunden werden die besten Ergebnisse mit einer Verlagerung der Schienbeinbeule (OP nach Roux) bei gleichzeitiger Vertiefung der Kniescheibengleitrinne (Trochleaplastik) erzielt. In eine Studie zeigte bei 56 % ein gutes, bei 36 % ein befriedigendes und bei 8 % ein unbefriedigendes Ergebnis. Mit einer fortschreitenden Arthrose des Kniegelenks muss auch bei erfolgreicher Operation gerechnet werden.[9] Einzelnachweise
WeblinksCommons: Patellaluxation – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien Patellaluxation beim Hund, gesichtet am 30. Oktober 2024 |