Als redendes Wappen (im Französischen immer im Plural: armes parlantes), auch sprechendes Wappen oder Namenswappen, bezeichnet man in der Heraldik solche Wappen, die im Fall von Familiennamen auf den Namen des Inhabers oder im Falle von Ortswappen auf die (oft volksetymologische) Deutung des Ortsnamens entweder anspielen oder ihn rebusartig darstellen. Die Anspielung liegt meist in der Figur, seltener in der Farbe.
Bei modernen Wappen (Familien- oder Ortswappen) ist es häufig umgekehrt: Vom Namen wird ein Symbol (die Wappenfigur) abgeleitet, die möglichst irgendwie auf ihn anspielt. Gerade bei Ortswappen wird aber auch häufig auf historische Wappen (etwa von einst am Ort begüterten Adelsgeschlechtern oder Klöstern) zurückgegriffen, die (allein oder in Kombination mit anderen Figuren) in das neue Wappen aufgenommen werden. Eine solche Heraldik hat mehr geschichtliche Tiefe, wobei es dann von den historischen Umständen abhängt, ob redende Figuren, die mit dem Ortsnamen zusammenhängen, vorkommen oder nicht.
Redende Zeichen gab es bereits in der Antike. Vor allem die zunächst noch nicht beschrifteten Münzen aus der archaischen Zeit nehmen in ihren Motiven häufig auf die Namen der Städte Bezug, in denen sie geprägt wurden. Beispiele sind Phokaia mit einer Robbe (altgriechischphokä), Zankle (zánklä = Sichel), Himera mit einem Hahn (häméra = Tag) und Selinus mit dem Blatt einer Sichelstaude (sélinon = Selleriestaude),[1]Melos mit einem Apfel (melon), Rhodos mit einer Rosenblüte (rhodon).[2] Einige Münzen aus der Zeit der Römischen Republik spielen mit redenden Zeichen auf die Familiennamen der Münzmeister an. Dazu gehören die Purpurschnecke für den Münzmeister Furius Purpurio, ein Eselskopf (Esel = asinus) für M. Iunius Silanus, die Dohle (graculus) für L. Antestius Gragulus, der Torques (ein Halsring aus der gallischen Kultur) für L. Manlius Torquatus, ein Stier (taurus) für L. Thorius Balbus, ein deformierter Fuß (Schwellfuß = crassipes) für P. Furius Crassipes, ein Sternbild, das in der Antike triones genannt wurde für L. Lucretius Trio, ein Fausthandschuh (caestus) für L. Plaetorius L. filius Cestianus und eine Spitzhacke (acisculus) für L. Valerius Acisculus.[3]
Die Grafen von Henneberg führten z. B. eine Henne auf einem Dreiberg, die Herren von Aufenstein einen Auf oder Uhu, die Grafen von Helfenstein einen Elefanten; das Wappen der Herren von Olvenstedt zeigt ein Kamel, welches im MittelalterOlfent hieß. Hier lag eine phonologische Ähnlichkeit nahe. Die spätere offizielle Heraldik verfuhr bei der Wahl der redenden Wappen sehr willkürlich und den Gesetzen der Heroldskunst widersprechend. So ist das Wappen des preußischen Staatsministers August Friedrich von Boden (geadelt 1739) dreifach redend, indem es eine Pfote (Pote), einen Boden und einen Boten enthält.
Auch Ortswappen können sprechend sein, etwa bei Berlin (volksetymologisch als Bärlein = kleiner Bär uminterpretiert) oder Bern (ebenfalls volkstümliche Anlehnung an Bär) sowie Hamburg (Burg auf rotem Grund).[4] Bei Uri handelt es sich um das Ur, einen Auerochsen, bei Füllinsdorf um ein Fohlen (schweizerdeutsch Fülli; etymologisch liegt indes ein männlicher Personenname vor). Ein weiteres Beispiel ist Tragwein (Weinfass auf einer Trage). Falken finden sich oft in Wappen von Orten mit Namen Falkenstein und Falkenberg (so im heutigen Niemodlin), der Löwe bei der Gemeinde Löwenberger Land, Beile, die in Beilstein diesen hämmern, ferner eine Tanne auf Münzen und Wappen der elsässischen Stadt Thann. Bekannt sind auch die Magd über der Burg im Wappen von Magdeburg oder der Stralsunder Strahl.
Als Münzmeisterzeichen wurden redende Wappen ebenfalls verwendet. Zum Beispiel hatte Ernst Peter Hecht, von 1693 bis 1714 Münzmeister der Münzstätte Leipzig, die Buchstaben E P H und zusätzlich den Hecht aus seinem Wappen. Auch auf Münzen kommen redende Wappen vor. Karl Christoph Schmieder erklärt das Münzbild der Schaffhauser Bockstaler, dass es sich um das Stadtwappen von Schaffhausen handelt. „Schafbock und Haus“ so Schmieder, sind das redende Wappen von Schafhausen.[5]
Viele redende Wappen sind eine (teilweise volksetymologische) direkte bildhafte Umsetzung des Ortsnamens:
Beilstein zeigt das Wappen von Beilstein besteckt mit drei (2:1) auf einem Stein darin eingehauenen Spitzhämmer
Bockhorn zeigt einen Hirsch und ein Blasinstrument
Cambridge zeigt unter anderem ein Schiff neben einer Brücke; engl. bridge „Brücke“ über dem Fluss Cam
Faoug, deutsch Pfauen, hat einen Pfau (volksetymologische Deutung des Ortsnamens) und eine Buche (richtige Herleitung von lateinisch fagus „Buche“) im Wappen
Küsnacht und Küssnacht haben ein Kissen im Wappen (volksetymologische Deutung des Ortsnamens, eigentlich aber zurückgehend auf fundus Cossiniacus „Landgut des Cossinius“)
Kindberg in der Steiermark blasoniert wie folgt: „In blauem Schild golden ein auf einem silbernen Berg sitzendes nacktes, nur mit Lendentuch bekleidetes Kind, unter drei halbrund angeordneten goldenen fünfzackigen Sternen mit einer der vorne und hinten gebogen aus dem Berg wachsenden silbernen Blumen spielend.“
Zittau in Sachsen mit einem silbernen „Z“ in der Wappenmitte
Znojmo (deutsch Znaim) in Tschechien mit einem „Z“
Literatur
Gert Oswald: Lexikon der Heraldik. Bibliographisches Institut, Mannheim/Wien/Zürich/Leipzig 1984, ISBN 3-411-02149-7; 2., unveränderte Aufl. mit dem Untertitel Von Apfelkreuz bis Zwillingsbalken. Battenberg, Regenstauf 2006, ISBN 3-86646-010-4; 3. Aufl. 2011, ISBN 978-3-86646-077-5.
Winfried Schich: Redende Siegel brandenburgischer und anderer deutscher Städte im 13. und 14. Jahrhundert. In: Markus Späth (Hrsg.): Die Bildlichkeit korporativer Siegel im Mittelalter. Kunstgeschichte und Geschichte im Gespräch (= Sensus. Band 1). Böhlau, Köln u. a. 2009, ISBN 978-3-412-20353-5, S. 113–130.
↑Rainer Albert: Die Münzen der Römischen Republik. Battenberg, Regenstauf 2003, ISBN 978-3-86646-072-0, Katalognummern 874, 905, 1083, 1117, 1241, 1290, 1298 und 1464.
↑Eigentlich ist die Mauer mit Tor und Türmen das generelle Wappensymbol für eine Stadt. In Hamburg ist allerdings dieses übliche Symbol burghaft zusammengedrängt.
↑Karl Christoph Schmieder: Handwörterbuch der gesammten Münzkunde. Waisenhaus, Halle/Berlin 1811 (S. 61 in der Google-Buchsuche).