Stephen Sondheim wuchs nach der Scheidung seiner jüdischen Eltern auf einer Farm in Pennsylvania auf. Ab seinem siebten Lebensjahr erhielt er Klavierunterricht. Im Alter von zehn Jahren freundete er sich mit Jimmy Hammerstein an, dem Sohn von Oscar Hammerstein. Nachdem Sondheim eine Show für eine Schulaufführung geschrieben hatte, kam er mit dieser zu Oscar Hammerstein. Obwohl Hammersteins Reaktion darauf negativ war, sah er Sondheims Potenzial und lehrte ihn die Grundbegriffe des Musicals. Zum Training empfahl er ihm, vier verschiedene Stücke zu schreiben, nämlich:
ein Musical, das auf einem guten Stück basiert (wie zum Beispiel All That Glitters)
ein Musical, das auf einem schlechten Stück basiert (wie zum Beispiel High Tor)
ein Musical, das auf einem Roman oder einer Kurzgeschichte basiert, die bisher noch nicht dramatisiert wurden (wie zum Beispiel Mary Poppins)
ein Musical mit einer Originalstory (wie zum Beispiel Climb High)
Keines dieser „Auftragsmusicals“ wurde professionell produziert. High Tor und Mary Poppins wurden vor allem deshalb nicht produziert, weil die Rechteinhaber der Originalwerke die Erlaubnis verweigerten. Aber Sondheim lernte durch die Diskussion mit dem Musicalveteranen mehr über das Schreiben von Musicals, als er durch das Studium der ganzen Musicalliteratur hätte lernen können.
1954 schrieb er Musik und Text für Saturday Night, das aber nie an den Broadway kam und erst 1997 im Bridewell Theatre in London aufgeführt wurde.
Mit 25 Jahren schrieb Sondheim die Texte zu Leonard BernsteinsWest Side Story und 1959 diejenigen zu Gypsy von Jule Styne. In beiden Fällen stammte das Buch von Arthur Laurents. 1962 wurde A Funny Thing Happened on the Way to the Forum am Broadway aufgeführt, das erste Musical, für das er Text und Musik verfasste. Das nächste Musical, Anyone Can Whistle, war ein finanzieller Misserfolg. Später entwickelte sich aber ein Kult um dieses Werk. Anschließend betätigte er sich zum letzten Mal als Textdichter für einen anderen Komponisten, und zwar für Do I Hear a Waltz? mit der Musik von Richard Rodgers. Danach widmete er sich dem Komponieren und Schreiben einer ganzen Reihe von der Kritik sehr geschätzter Musicals.
Sondheim blieb bis ins hohe Alter aktiv, so kündigte er im September 2021 in der Fernsehshow von Stephen Colbert ein neues Musical namens Square One an.[2] Er starb im November 2021 im Alter von 91 Jahren in seinem Landhaus in Connecticut.[1]
Privates
Mit 40 Jahren hatte Sondheim sein Coming-out. Sein Lebensgefährte war zeitweilig der Dramatiker Peter Jones.[3] Im Jahr 2017 heiratete er seinen Lebensgefährten Jeff Romley.[4]
Musikalischer Stil
Sondheim gehörte zu den musikalisch anspruchsvollsten Musicalkomponisten überhaupt. Die meisten seiner Musicals verzichten auf eingängige, leicht fassliche Melodien, so dass nur wenige Songs aus seinem Bühnenwerk einem breiten Publikum bekannt sind. Ein typisches Merkmal seines Stils ist, komplexe musikalische Strukturen so geschickt zu arrangieren, dass sie einem unerfahrenen Hörer gar nicht auffallen. Er hatte eine Vorliebe für komplizierte Harmonien und Melodien, die nicht selten sogar polyphone Formen annehmen, wie zum Beispiel beim Chor von fünf Nebenrollen in Das Lächeln einer Sommernacht, der als eine Art „Griechischer Chor“ fungiert. Als Vorbild dafür benannte er Bach. Er behauptete einmal, nichts anderes gehört zu haben.
Eines seiner bedeutendsten Werke ist Sunday in the Park with George. Er imitiert den pointilistischen Malstil von Georges Seurat durch chromatische Staccato-Motive. Zugleich ist Sunday in the Park with George auch ein biographisches Werk, bei dem Sondheim seine literarischen und musikalischen Ansichten thematisierte.[5]
Hauptwerke
Wenn nicht anders vermerkt, sind Text und Musik von Stephen Sondheim.
die Filmmusik für Into the Woods (2014), eine Verfilmung seines Musicals
Der Regisseur Richard Linklater arbeitet seit 2019 an einer Verfilmung von Sondheims Musical Merrily We Roll Along, die über die nächsten 20 Jahre stückweise gedreht werden soll.[7]
Die englischen Original-Namen der Desperate-Housewives-Folgen werden größtenteils nach Titeln von Sondheims Arbeiten benannt.[8]
↑ abcBruce Weber: Stephen Sondheim, Titan of the American Musical, Is Dead at 91. In: The New York Times. 26. November 2021, ISSN0362-4331 (nytimes.com [abgerufen am 26. November 2021]).