Die Streitkräfte haben große gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Macht in Ägypten.
Ägypten lag 2022 auf Platz 36 von 154 Ländern im Globalen Militarisierungsindex (GMI).[9] Gemäß dem Ranking von Global Firepower besitzt das Land im Jahr 2024 die fünfzehnstärkste militärische Kapazität weltweit und die stärkste in ganz Afrika.[10]
(Quelle:[11])
Ab 1250 herrschten die Mamluken, ehemalige Militärsklaven, in Ägypten. 1260 eroberten die Mongolen das Gebiet des heutigen Syriens, konnten aber von den Mamluken unter Qutuz und Baibars in der Schlacht bei ʿAin Dschālūt geschlagen werden. Die Mamluken festigten ihre Herrschaft in Ägypten und Syrien, begannen mit der Vertreibung der fränkischen Kreuzfahrer (u. a. der Belagerung von Antiochia (1268)) und ließen Nubien unterwerfen. 1517 wurden die ägyptischen Mamluken von den Osmanen unterworfen, beherrschten Ägypten aber weiter bis zur Schlacht bei den Pyramiden 1798.
Unter der Herrschaft Muhammad Ali Paschas wurde die ägyptische Armee Anfang des 19. Jahrhunderts modernisiert. Mit der von Soliman Pascha neu gebildeten Armee wurden die Wahhabiten in Arabien geschlagen (1811–1818) und der Sudan erobert (1820–1823). Während der griechischen Revolution (1821–1829) war der osmanische Sultan gezwungen, die modernen Truppen des gehassten Vasallen Muhammad Ali zu Hilfe zu rufen. 1831 erfolgte die Invasion in Palästina und Syrien.
1882, nach der Anglo-Ägyptischen Krieg, begann die britische Besetzung Ägyptens. Am 20. Dezember 1882 wurde die ägyptische Armee aufgelöst und unter dem Kommando eines britischen Oberbefehlshabers, des Sirdar, neu aufgebaut. Von 1881 bis 1899 war sie in Kämpfe während des Mahdiaufstandes verwickelt.
Beim Neuaufbau der ägyptischen Armee ersetzen die britischen Kolonialherren das vormals türkischsprachige Offizierskorps durch arabischsprachige Mitglieder der unteren Mittelklasse. Einfache Bauern waren wie unter den vormaligen Regimen von der Offizierslaufbahn ausgeschlossen, stellten jedoch den Großteil der Mannschaften. Obwohl die britische Regierung neue Technologien und Doktrinen einführte, wurde die äußere Verteidigung des Landes regulären britischen Truppen überlassen. Das einheimische Militär diente vor allem der Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit. Die ägyptische Regierung entließ 1946 alle britischen Offiziere aus ihrem Dienst.[13]
Im Palästinakrieg erhielt Ägypten Militär- und Finanzhilfen aus Saudi-Arabien und anderen arabischen Staaten, und ägyptische Truppen konnten in Israel eindringen. Nach schweren Verlusten wurde mit dem Waffenstillstandsabkommen von 1949 der vorherige Zustand wiederhergestellt. Durch die Verstaatlichung des Sueskanals am 26. Juli 1956 und dem damit einhergehenden Angriff Frankreichs, Großbritanniens und Israels hatte Gamal Abdel Nasser zwar eine militärische Niederlage erlitten, konnte aber dank des Eingreifens der Supermächte einen politischen Sieg davontragen. Der Sechstagekrieg zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarstaaten Ägypten, Jordanien und Syrien dauerte vom 5. Juni bis zum 10. Juni 1967. Der Krieg begann am 5. Juni mit einem Angriff der israelischen Luftwaffe auf ägyptische Luftwaffenbasen. Am Ende des Krieges besetzte Israel den Gazastreifen, die Sinai-Halbinsel, die Golanhöhen und das Westjordanland. Im Yom-Kippur-Krieg gelang den ägyptischen Streitkräften ein Anfangserfolg gegen die Israelis, im weiteren Verlauf gelang jedoch der israelischen Armee, von der Führung in Kairo wegen fehlender Aufklärung zunächst unbemerkt, nördlich der Bitterseen die Überquerung des Suez-Kanals. Der anschließende Vorstoß nach Süden schnitt dem Hauptteil der ägyptischen 3. Armee, der sich noch auf dem rechten Ufer und östlich des Suez-Kanals befand, den Rückzugsweg ab, was letztlich zur Einkesselung der 3. Armee führte.
Ägypten wurde 1989 von den USA in die Liste ihrer wichtigsten Verbündeten außerhalb der NATO aufgenommen. Damit bekam das Land bevorzugten Zugang zu ausgewählten Rüstungsprogrammen. Zudem wollte das Militär die vorwiegend sowjetische Ausrüstung ausmustern und durch modernere ersetzen. So wurde Ägypten z. B. zum ersten Exportkunden für den M1; bis 1998 wurden 555 M1A1 ausgeliefert. Die Endmontage erfolgte in Ägypten, wobei 35 % aller Teile in Ägypten gefertigt wurden und der Rest aus den USA geliefert wurde.
Die ägyptische Luftwaffe verfügt über 30.000 Mann.[3] Rückgrat der Luftstreitkräfte sind deren General Dynamics F-16. Ägypten verfügt über die viertgrößte F-16-Flotte der Welt. Darüber hinaus werden Abfangjäger vom Typ Dassault Mirage 2000 eingesetzt.[15] Ein marginaler Teil der eingesetzten Schulungsflugzeuge wird in Ägypten selber in Lizenz aus Bausätzen montiert.
Luftverteidigung
Nach sowjetischem Vorbild wurden 1968 die Kräfte der Luftverteidigung unter einem einheitlichen Kommando als eigenständige Teilstreitkraft zusammengeführt. Sie umfassen heute die Radarüberwachung, Flugabwehrraketentruppen, ein streitkräftegemeinsames Führungssystem und Einheiten für die Elektronische Kampfführung.[16]
Ausgerüstet sind die Flugabwehrraketentruppen mit:
Auch in der Wirtschaft hat das Militär großen Einfluss. Allerdings ist unklar, wie groß der Anteil der Wirtschaft ist, der durch das Militär kontrolliert wird. Schätzungen reichen von 5 bis 60 Prozent. Details des Verteidigungsbudgets sowie andere Zahlen, die darüber Aufschluss geben könnten, werden unter Verschluss gehalten. Ohne Zweifel steht fest, dass das Militär an jedem wichtigen Wirtschaftssektor beteiligt ist. Laut der Denkfabrik Carnegie Endowment for International Peace konnte das ägyptische Militär seine wirtschaftliche Einflussnahme unter Präsident Abd al-Fattah as-Sisi weitgehend ausbauen. So verabschiedete die Regierung 2018 ein „Vertragsgesetz“, welches das Militär und militärnahe Unternehmen von jeglicher Aufsicht und Prüfung befreit. Konkret sagt es aus, dass die Ausführung von Verträgen ohne ein öffentliches Ausschreibungsverfahren zur Gewährleistung der „nationalen Sicherheit“ beiträgt.[17]
Nach Angaben des Militärsprechers, Oberst Tamer Al-Rifai, beaufsichtigt das Militär landesweit 2300 Projekte mit 5 Millionen zivilen Beschäftigten,[18] angefangen bei der Lebensmittelindustrie über die Produktion von Möbeln, Fernsehern, Waschmaschinen bis hin zur Erdölförderung und zu Infrastrukturprojekten.[19] Die Armee verfügt zudem über eigene Tankstellen, Supermärkte, Goldminen, Schlachthäuser, Zementfabriken, Krankenhäuser, Touristenresorts am Roten Meer und spielt eine führende Rolle in der Landwirtschaft.[20][21]
In ihrem Artikel zum Verhältnis der Streitkräfte und zivilen Eliten in Nahost weist die Politikwissenschaftlerin Hager Ali vom German Institute for Global and Area Studies (GIGA) auf ein „zivil-militärisches Dilemma“ hin. Sie analysiert dabei militärische Umstürze in Ägypten sowie zahlreichen anderen Ländern in Nordafrika und dem Nahen Osten und kommt zu folgender Feststellung: „Jede Armee, die stark genug ist, gegen einen anderen Staat zu kämpfen, kann auch potenziell dem eigenen Staat gefährlich werden.“ Auch wenn für eine wirkliche Demokratisierung nicht allein Wahlen Voraussetzung sind, sondern ein Militärapparat, der einer zivilen Regierung untergeordnet ist, haben jedoch die meisten Menschen in der Region mehr Vertrauen in das Militär als in die jeweiligen Regierungen.[22]
„In sämtlichen Umfragen, etwa des »World Value Survey«, des »Arab Opinion Index« oder des »Arab Barometer« haben Bürger in ganz Nahost am wenigsten Vertrauen in politische Parteien und das Parlament, während das Vertrauen in das Militär über Jahre besonders hoch ist. Das ist wenig verwunderlich, wenn das Militär in vielen Ländern als zuverlässiger Arbeitgeber fungiert und auch bei Infrastrukturprojekten zum Einsatz kommt.“
– Hager Ali, Politikwissenschaftlerin: Das Militär und der Arabische Frühling. Beginn vor der Null (2020)
Yezid Sayigh: Owners of the Republic: An Anatomy of Egypt’s Military Economy. Carnegie Endowment for International Peace, Washington, D. C., 2019, OCLC1137261121
Hager Ali: Ägypten nach dem Arabischen Frühling: Vermächtnis ohne Aufbruch (= GIGA Focus Nahost. Nr.7). GIGA German Institute of Global and Area Studies - Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien, Institut für Nahost-Studien, Hamburg 2020 (ssoar.info).