Nach der Verlagerung ihres Besitz- und Herrschaftsschwerpunkts ins Herzogtum Österreich waren die Vorlande ein zerstückeltes und kleinteiliges Anhängsel der Habsburgermonarchie. Scherzhaft sprach man von der „Schwanzfeder des Kaiseradlers“.[1] Durch die Niederlagen von Morgarten 1315 und Sempach 1386 gingen die eigentlichen Stammlande der Habsburger an die Eidgenossen verloren. Hauptteile des österreichischen Schwaben waren nun der Sundgau (südliches Elsass) und der Breisgau. Sitz der Regierung war Ensisheim nahe Mülhausen. Freiburg im Breisgau, das sich 1368 den Habsburgern unterstellt hatte, war die meiste Zeit das geistige und kulturelle Zentrum. Lose mit Vorderösterreich verbunden waren zerstreute Besitzungen in Oberschwaben und im Allgäu, die größte davon war die Markgrafschaft Burgau. Zwischen 1469 und 1474 wurde von Herzog Siegmund durch den Vertrag von Saint-Omer ein großer Teil der Vorlande an Herzog Karl den Kühnen von Burgund verpfändet.
Frühe Neuzeit
Bei allen habsburgischen Herrschaftsteilungen im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit kamen die Vorlande an diejenige Linie, die Tirol beherrschte, gehörten damit zu Austria Superior – Oberösterreich im damaligen Sprachgebrauch – und wurden also immer von Innsbruck aus regiert. 1490 wurde eine Zentralbehörde für Tirol und die österreichischen Vorlande geschaffen. 1548 verlor Konstanz seinen Status als Freie Reichsstadt und wurde für über 250 Jahre Teil von Vorderösterreich.
Im Dreißigjährigen Krieg brachte die verwitwete Erzherzogin Claudia von Tirol (Claudia de’ Medici) drei württembergische Herrschaften – die Pfandschaft Achalm, die Pfandschaft Hohenstaufen und das Amt Blaubeuren – in ihren Besitz. Von 1640 bis 1648 waren diese Herrschaften vorderösterreichisch.[2] Es gelang dem Kanzler Isaak Volmar jedoch nicht, die Besitzansprüche in den Westfälischen Friedensverhandlungen durchzusetzen, zumal die deutschen Fürsten auf der Seite des Herzogs Eberhard III. von Württemberg standen. Mit dem Westfälischen Frieden fielen 1648 das habsburgische Elsass, hier vor allem der Sundgau, und auch Breisach rechts des Rheins an Frankreich. 1651 wurde daher Freiburg anstelle von Ensisheim Hauptstadt von Vorderösterreich; Sitz der Regierungspräsidenten von Vorderösterreich wurde der Basler Hof. Württemberg erhielt die drei Herrschaften zurück.
Im Jahr 1662 fielen nach dem Tod von Erzherzog Ferdinand Karl, der keine Söhne hinterließ, die vorderösterreichischen Besitzungen an den Kaiser in Wien zurück.
Nach den Türkenkriegen wurden viele Bewohner Vorderösterreichs dazu bewogen, sich an den neuen Südostgrenzen des Habsburgerreiches im Königreich Ungarn niederzulassen. Ihre Nachfahren werden Donauschwaben genannt.
Die Reformen der Verwaltung unter Maria Theresia und Joseph II. stießen vielfach auf Ablehnung. Im 18. Jahrhundert wurden einige Gebiete wie Tettnang und das Amt Ortenau erworben und andere, wie die Gemarkung Gersbach im Südschwarzwald, an die Markgrafschaft Baden verkauft.
Um 1780 hatte Vorderösterreich etwa 400.000 Einwohner. Dabei wurde Vorarlberg mitgezählt, das ab 1782 wieder von Innsbruck aus verwaltet wurde.
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In einigen Teilen Vorderösterreichs trauerte man der Zeit der Zugehörigkeit zum Haus Habsburg nach: Die schwäbischen Günzburger beispielsweise konnten erst nach massivem Einwirken der bayerischen Regierung dazu bewogen werden, die österreichischen Farben gegen die bayerischen in ihrem Stadtwappen auszutauschen. Im nahe Günzburg gelegenen Weißenhorn prangt noch heute der von den Habsburgern als Kaiser geführte Reichsadler mit dem österreichischen Bindenschild am Stadttor, wie auch in Freiburg i. Br., Breisach am Rhein und Endingen am Kaiserstuhl. In Villingen ziert das Wappen als eines von Dreien die Fassade des alten Rathauses.
Der Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald führt seit seiner Bildung 1973/74 die österreichischen Farben im Wappen, um die historische Zugehörigkeit großer Teile des Landkreises zu würdigen. 1815 beim Wiener Kongress gab es die Überlegung, auf das Herzogtum Salzburg zu verzichten und stattdessen den Breisgau neu zu erwerben. Dies hätte zwar den Wünschen der Breisgauer entsprochen, die mit einer Delegation auf dem Wiener Kongress vertreten waren und mittels einer Botschaft an den Kaiser von Österreich und den russischen Zaren darum baten, bei Österreich zu verbleiben. Salzburg erwies sich aber als praktischer, weil das österreichische Staatsgebiet dadurch besser arrondiert wurde. Österreich erhielt beim Wiener Kongress mit der kleinen Grafschaft Hohengeroldseck eine bis dahin nicht habsburgische Herrschaft als Exklave im Grenzgebiet zwischen Ortenau und Breisgau, die jedoch bereits 1818/19 durch Gebietstausch an das umgebende Baden fiel. Mit dem Wiener Kongress endete damit nach etwa 550 Jahren faktisch das Bestehen der österreichischen Vorlande. Mit Ausnahme von Vorarlberg verzichtete das Kaiserreich damit auf alle anderen Gebiete zugunsten der Vorläuferstaaten des Deutschen Reiches und der Schweiz.[3] Metternich erklärte diese Entscheidung Österreichs in seinen nachgelassenen Papieren mit den Prinzipien der Friedensordnung und der Vermeidung der „directen Berührung mit Frankreich“.[4]
Historische Bedeutung
Die historische Bedeutung Vorderösterreichs zeigt sich u. a. dadurch, dass hier – zusammen mit den Besitzungen der Familien Fürstenberg, Hohenzollern und Waldburg sowie einer Anzahl geistlicher Gebiete und Reichsstädte – die katholische Prägung der Südhälfte von Baden-Württemberg gegeben ist. Architektonische Zeugnisse sind die vielen großen Klosteranlagen und Kirchen wie etwa die Bauten der Familie Thumb.
Ignatz de Luca: Die Vorlande. In: Geographisches Handbuch von dem Oestreichischen Staate. 2. Band Die im östreichischen Kreise gelegenen Länder. Verlag Johannes Paul Krauß, Wien 1790, S. 533–592 (Vorarlberg S. 593–600; Google eBook, vollständige Ansicht).
Dieter Mertens: Reich und Elsaß zur Zeit Maximilians I: Untersuchungen zur Ideen- und Landesgeschichte im Südwesten des Reiches am Ausgang des Mittelalters, Universitätsbibliothek Freiburg im Breisgau 2006, DNB1119716616 (Habilitationsschrift, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, 27. Juni 1977, 332 Seiten, Volltext online PDF, kostenfrei, 332 Seiten, 44 MB).
Christoph Döbeli: Die Habsburger zwischen Rhein und Donau. 2. Auflage, Erziehungsdepartement des Kantons Aargau, Aarau 1996, ISBN 3-9520690-1-9.
Volker Himmelein, Franz Quarthal (Hrsg.): Vorderösterreich. Nur die Schwanzfeder des Kaiseradlers? Die Habsburger im deutschen Südwesten. Süddeutsche Verlagsgesellschaft, Ulm 1999, ISBN 3-88294-277-0 (Katalog der Landesausstellung).
Hans Maier, Volker Press (Hrsg.): Vorderösterreich in der frühen Neuzeit. Thorbecke, Sigmaringen 1989, ISBN 3-7995-7058-6.
Friedrich Metz (Hrsg.): Vorderösterreich. Eine geschichtliche Landeskunde. 4. überarbeitete und erweiterte Auflage. Rombach, Freiburg im Breisgau 2000, ISBN 3-7930-9237-2.
Franz Quarthal, Gerhard Faix (Hrsg.): Die Habsburger im deutschen Südwesten. Neue Forschungen zur Geschichte Vorderösterreichs. Thorbecke, Sigmaringen 2000, ISBN 3-7995-0124-X.
Dieter Speck: Kleine Geschichte Vorderösterreichs. G. Braun, Karlsruhe 2010, ISBN 978-3-7650-8554-3.
Andreas Zekorn, Bernhard Rüth, Hans-Joachim Schuster und Edwin Ernst Weber (Hrsg.): Vorderösterreich an oberem Neckar und oberer Donau. UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz 2002, ISBN 3-89669-966-0 (hrsg. im Auftrag der Landkreise Rottweil, Sigmaringen, Tuttlingen und Zollernalbkreis).
Angelika Westermann: Die vorderösterreichischen Montanregionen in der Frühen Neuzeit (= Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beiheft Nr. 202: Geschichte), Steiner, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-515-09306-4 (Habilitation Universität Kiel 2008, 395 Seiten).
↑Volker Himmelein, Franz Quarthal (Hrsg.): Vorderösterreich, Nur die Schwanzfeder des Kaiseradlers? Die Habsburger im deutschen Südwesten. Süddeutsche Verlagsgesellschaft, Ulm 1999, ISBN 3-88294-277-0 (Katalog der Landesausstellung)
↑Eberhard Fritz: Die Pfandschaft Achalm im Besitz der Tiroler Linie des Hauses Habsburg. Expansionsbestrebungen in Vorderösterreich während des Dreißigjährigen Krieges. In: Reutlinger Geschichtsblätter. NF 49/2010. S. 239–348.
↑Clemens Wenzel Lothar Metternich (Fürst von): Von der Geburt Metternichs bis zum Wiener Kongress. 1773-1815. Band1. W. Braumüller, 1880, S.218 (google.com [abgerufen am 7. Januar 2024]).