Alexis Korner gilt als einer der wichtigsten Vertreter des Blues-Revivals Anfang der 1960er Jahre. Der Melody Maker bezeichnete ihn als „Vater des britischen Blues“.[4] Zudem wurde er, wie auch John Mayall, „Vater des weißen Blues“ genannt.
In den 1970ern trat Korner mit einer Big Band auf. Er prägte dabei auch die deutsche Bluesszene erheblich mit, so arbeitete er z. B. mit Klaus Doldinger und der Frankfurt City Blues Band zusammen. Weitere europäische Länder, wie z. B. Dänemark, wo er u. a. mit Peter Thorup und Young Flowers arbeitete, erfuhren durch Alexis Korner einen Bluesboom.
Alexis Korner wuchs multikulturell auf: Sein Vater war ein jüdischer österreichischer Kavallerieoffizier, seine Mutter eine Griechin. Die Familie lebte in der Schweiz, in Frankreich und Nordafrika. Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges floh die Familie mit einem der letzten Schiffe nach England. Ab Mitte der 1940er Jahre trat Korner, der u. a. auch Deutsch sprach, als Amateur bei Chris Barbers Band auf und spielte Banjo.
1948–1961: Soldat in Deutschland, Skiffle-Boom
1947/48 war er als Soldat Alec Korner in Hamburg stationiert. Dort betreute er nebenbei das Schallplattenarchiv des BFN[5] und moderierte Musiksendungen für den BFN; gleichzeitig spielte er live in Jazzlokalen in Hamburg.[6] Mitte bis Ende 1948 moderierte er die Sendung Jazz Studio beim NWDR, die später wegen Zuschauerprotesten eingestellt wurde; der Einbezug des Bebop missfiel einigen Hörern.[7]
Ende der 1940er Jahre spielte Korner als halbprofessioneller Musiker in der Jazzband von Chris Barber. Daraufhin kehrte er nach London zurück, wo er Anfang der 1950er mit diversen Londoner Skiffle-Bands auftrat. 1954 entstanden erste Aufnahmen mit Ken Colyer, 1958 produzierte er Musik mit der Skiffle-Band für Tempo (Blues from the Roadhouse). Bei Chris Barber lernte er den Mundharmonikaspieler und Bluesfan Cyril Davies kennen, mit dem er in Londoner Jazzlokalen spielte und die Blues Night im Roundhouse-Pub initiierte, wo sie Ende der 1950er Jahre auch zusammen mit Muddy Waters aufgetreten waren.[8]
1967 gründete Korner mit Cliff Barton, Victor Brox, Gerry Conway, Marsha Hunt, Hughie Flint und Binky McKenzie die Gruppe Free At Last. Nach wenigen Monaten trat Korner mit Brox im Duett auf – später mit Robert Plant und Pianist Steve Miller in einem Trio. 1968 folgte mit dem dänischen Sänger Peter Thorup und dessen Band „Beefeaters“ eine Skandinavien-Tour. Zurück in England formierte Korner mit seiner Tochter Sappho, mit Thorup, Nick South, Ray Warleigh, Annette Brox, Per Frost und Colin Hodgkinson die Formation New Church, welche 1969 das Konzert der Rolling Stones zu Ehren des verstorbenen Brian Jones im Londoner Hyde Park eröffnete.
1970–1973: C.C.S. & Snape
1970 gründeten Korner, Thorup, Produzent Mickie Most und Songschreiber John Cameron die C.C.S. Hier traf vom Blues inspirierter Big-Band-Sound auf Rockmusik. Mit C.C.S. erhielt Korner für kurze Zeit bei einem breiteren Publikum Anerkennung. So war eine Cover-Version von Whole Lotta Love von Led Zeppelin ein kommerzieller Erfolg. 1973 löste sich die Band auf und Korner und Thorup gründeten mit Boz Burrell, Mel Collins und Ian Wallace (alle von King Crimson) die Band Snape (CD Live on Tour in Germany 1973). Im September 1970 war Alexis Korner Moderator beim Love-and-Peace-Festival auf Fehmarn.
1974–1984: Solokarriere
Ab 1974 arbeitete Korner, abgesehen von einer intensiven und langjährigen Zusammenarbeit mit Colin Hodgkinson als „Alexis & Colin“, nur noch in kurzfristigen Projekten. Auf seinen nachfolgenden Solo-Alben erhielt er Unterstützung von zahlreichen Musikern aus dem Rock- und dem Jazzlager. An „Get Off of my Cloud“ (1975) waren unter anderem Peter Frampton, Nicky Hopkins und Steve Marriott beteiligt. Auf dem „Party Album“ zu seinem 50. Geburtstag versammelte er 1978 die Bläser aus der Blues Incorporated (etwa John Surman, Alan Skidmore, Art Themen oder Chris Pyne). 1981 formierte Korner die Gruppe Rocket 88, von der auch das gleichnamige Album stammt, das live in Deutschland mit dem mobilen Aufnahmestudio der Rolling Stones aufgezeichnet wurde. Im Dezember 1983 entstanden seine letzten Aufnahmen bei der BBC, die auf der Anthology „Kornerstoned“ enthalten sind.
Als Korner gegen Ende des Jahres 1983 über starke Kopfschmerzen klagte, wurde er in ein Krankenhaus in London eingeliefert, wo zunächst keine ernsthafte Erkrankung festgestellt werden konnte. Am 1. Januar 1984 verstarb Alexis Korner, der starker Raucher gewesen war, im Alter von 55 Jahren an Tumoren in Lunge und Gehirn. Wenige Tage vor seinem Tod produzierte er letzte Aufnahmen auf einem Tonbandgerät, die bis heute auf Wunsch der Familie unveröffentlicht sind. Als Reaktion auf den Tod organisierten einige seiner ehemaligen Bandmitglieder später ein Memorial-Konzert mit Musikern aus Korners Umfeld, das auch auf LP erschien.
Korner war ab 1950 mit Roberta Melville († 2021) verheiratet. Aus der Ehe stammen seine Tochter, die Musikerin Sappho Gillett Korner († 2006), sowie die Söhne Nicholas († 1988) und Damien († 2008).
BBC
Rhythm & Blues World Service
Alexis Korner moderierte eine wöchentliche, jeweils 15-minütige Radiosendung der BBC Ende der 1960er Jahre. Es wurden dabei keine Platten aufgelegt, die Bands spielten live in dem Aufnahmestudio. Hier traten unter anderem Jimi Hendrix und Cream auf. Bei einem Auftritt von Jimi Hendrix spielte Korner die Slidegitarre, welche auf der CD BBC Sessions von Hendrix zu hören ist.
Sympathy for the Devil
1972 moderierte Korner eine dreizehnteilige Sendung zur Geschichte von Rock und Blues namens „Sympathy for the Devil“. Diese Sendereihe wurde auch im deutschsprachigen Raum (Deutschland, Schweiz, Österreich) international ausgestrahlt. Verantwortlich für Buch und Regie für das Regionalprogramm des deutschen Senders Norddeutscher Rundfunk waren Horst Königstein und Manfred Miller, der ebenfalls moderierte.
The Devil’s Music
Ende der 1970er Jahre zeichnete die BBC zwei Staffeln dieser Sendung auf, die ab 1979 ausgestrahlt wurde. Alexis Korner stellte darin alte Bluesmusiker vor und zeigte deren musikalische Situation zum Ende des Jahrzehnts. Es sollte ein Eindruck davon geschaffen werden, wie sich die frühe Bluesmusik am Anfang des 20. Jahrhunderts angehört haben mag. Er stellte damit, wie auch in seiner Karriere als Musiker, eher unbekannte Künstler einem breiten Publikum vor. Aktive Gäste in dieser Sendung waren u. a. Big Joe Williams, Bukka White, Houston Stackhouse, Sonny Blake und Sam Chatmon.[10][11]
Guitar Greats
1983 wurden von der BBC weitere 13 Folgen der Sendung mit Korner produziert. Darin interviewte er u. a. Gitarristen wie Eric Clapton, B.B. King, Brian May u.v.m. Dabei wurden nicht nur die populären Songs, sondern auch musikalische Raritäten dieser Künstler vorgestellt. Die Sendung dauerte jeweils eine Stunde und wurde auch nach dem Tod von Korner weiter produziert und zuletzt 2010 ausgestrahlt.
Diskografie
Ken Colyer’s Skiffle Group
1954 Back to the Delta
1955 Ken Colyer’s Skiffle Group (EP)
1955 Take This Hammer / Down By The River Side (Single)
1955 Go Down Old Hannah / Streamline Train (Single)
Beryl Bryden’s Back-Room Skiffle
1956 Kansas City Blues / Casey Jones (Single)
Alexis Korner’s Breakdown Group
1957 Blues From The Roundhouse
1957 County Jail / I Ain't Gonna Worry No More (Single)
H. C. G. Matthew und Brian Harrison in association with the British Academy: Oxford dictionary of national biography. Vol. 32: Knox–Lear. Oxford University Press, 2004, ISBN 978-0-19-861413-5.
Siegfried Schmidt-Joos: Alexis Korner. Kronzeuge ohne Krone. In Schmidt-Joos (Hrsg.): Weg von meiner Wolke. Idole 9. Ullstein, Frankfurt am Main 1987, ISBN 3-548-36522-1. Überarbeitet in: Schmidt-Joos: My Back Pages. Idole und Freaks, Tod und Legende in der Popmusik. Lukas Verlag, Berlin 2004, ISBN 978-3-936872-19-4.
Harry Shapiro: Alexis Korner – The Biography. Bloomsbury, London 1996, ISBN 978-0-7475-3163-0.
Irwin Stambler: The Encyclopedia Of Pop, Rock And Soul. 3. überarb. Aufl., St. Martin’s Press, New York City 1989, S. 384–386, ISBN 0-312-02573-4.
↑Gestur Gudmundsson, Hans Weisethaunet, Ulf Lindberg, Morten Michelsen: Rock Criticism from the Beginning, Peter Lang Publishing, New York 2005, ISBN 0-8204-7490-8, S. 92–93 (online)
↑Brock Helander: The Rockin’ Sixties; Schirmer Books, London 1999, ISBN 978-0-02-864873-6, S. 247.
↑Großes Geld. In: Der Spiegel. Nr.5, 1970 (online). Die Nachfolge als wichtigste „Integrationsfigur der europäischen Musikszene“ trat wenige Jahre später sein Adept John Mayall an. Vgl. Rockmusiklexikon (Europa), Bd. 1, Taurus Press 1986, S. 424–426
↑Horst Ansin, Marc Dröscher, Jürgen Foth, Gerhard Klußmeier: Anglo German Swing Club. Dokumente 1945–1952. Hamburg 2003, S. 10
↑Marc Spitz: Jagger. Rebel, Rock Star, Ramble, Rogue. 2011 (Gewidmet Brendan Mullen); deutsch: Mick Jagger. Rebell und Rockstar. Aus dem Amerikanischen von Sonja Kerkhoffs. Edel Germany, Hamburg 2012, ISBN 978-3-8419-0122-4, S. 41–43.
↑Marc Spitz: Mick Jagger. Rebell und Rockstar. (Originaltitel: Jagger. Rebel, Rock Star, Rambler, Rogue, 2011) Aus dem Englischen von Sonja Kerkhoffs. Edel Germany, Hamburg 2012, ISBN 978-3-8419-0122-4, S. 48.